Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Einige Gedanken an dem er Theil nehmen soll, sich ein vollständi-ges Bild machen könne; daß ihm Ideen genug gegeben werden, um seine Einbildungskraft selbst in Wirksamkeit zu setzen, sich diesen Zustand vor- zustellen. Aber von welcher Art des Leidens las- sen sich die meisten Ideen geben? oder vielmehr, auf welche Art bricht jeder Schmerz, der an und für sich ein stummes unerklärliches Gefühl ist, in Gedanken und Worte aus? Fast immer durch eine Vergleichung seines jetzigen Zustandes mit dem vergangnen. Der Kranke denkt an die Tage der Gesundheit, der Arme stellt sich den Wohlstand eines andern, oder seinen ehemaligen Wohlstand vor; der, welcher den Tod eines Freundes be- trauert, erinnert sich seines Umgangs. Was rührt im Kaufmann von London am meisten? daß er hingerichtet wird? Nein; daß er alle die Anstalten erfährt, die zu seiner Glückseligkeit waren gemacht worden, und die nun vergeblich sind. Auch darauf, finden wir, werden die Dich- Einige Gedanken an dem er Theil nehmen ſoll, ſich ein vollſtaͤndi-ges Bild machen koͤnne; daß ihm Ideen genug gegeben werden, um ſeine Einbildungskraft ſelbſt in Wirkſamkeit zu ſetzen, ſich dieſen Zuſtand vor- zuſtellen. Aber von welcher Art des Leidens laſ- ſen ſich die meiſten Ideen geben? oder vielmehr, auf welche Art bricht jeder Schmerz, der an und fuͤr ſich ein ſtummes unerklaͤrliches Gefuͤhl iſt, in Gedanken und Worte aus? Faſt immer durch eine Vergleichung ſeines jetzigen Zuſtandes mit dem vergangnen. Der Kranke denkt an die Tage der Geſundheit, der Arme ſtellt ſich den Wohlſtand eines andern, oder ſeinen ehemaligen Wohlſtand vor; der, welcher den Tod eines Freundes be- trauert, erinnert ſich ſeines Umgangs. Was ruͤhrt im Kaufmann von London am meiſten? daß er hingerichtet wird? Nein; daß er alle die Anſtalten erfaͤhrt, die zu ſeiner Gluͤckſeligkeit waren gemacht worden, und die nun vergeblich ſind. Auch darauf, finden wir, werden die Dich- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0372" n="366"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/> an dem er Theil nehmen ſoll, ſich ein vollſtaͤndi-<lb/> ges Bild machen koͤnne; daß ihm Ideen genug<lb/> gegeben werden, um ſeine Einbildungskraft ſelbſt<lb/> in Wirkſamkeit zu ſetzen, ſich dieſen Zuſtand vor-<lb/> zuſtellen. Aber von welcher Art des Leidens laſ-<lb/> ſen ſich die meiſten Ideen geben? oder vielmehr,<lb/> auf welche Art bricht jeder Schmerz, der an und<lb/> fuͤr ſich ein ſtummes unerklaͤrliches Gefuͤhl iſt, in<lb/> Gedanken und Worte aus? Faſt immer durch eine<lb/> Vergleichung ſeines jetzigen Zuſtandes mit dem<lb/> vergangnen. Der Kranke denkt an die Tage der<lb/> Geſundheit, der Arme ſtellt ſich den Wohlſtand<lb/> eines andern, oder ſeinen ehemaligen Wohlſtand<lb/> vor; der, welcher den Tod eines Freundes be-<lb/> trauert, erinnert ſich ſeines Umgangs. Was<lb/> ruͤhrt im Kaufmann von London am meiſten?<lb/> daß er hingerichtet wird? Nein; daß er alle die<lb/> Anſtalten erfaͤhrt, die zu ſeiner Gluͤckſeligkeit<lb/> waren gemacht worden, und die nun vergeblich<lb/> ſind.</p><lb/> <p>Auch darauf, finden wir, werden die Dich-<lb/> ter von ſelbſt geleitet, ſobald der Geſchmack einer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [366/0372]
Einige Gedanken
an dem er Theil nehmen ſoll, ſich ein vollſtaͤndi-
ges Bild machen koͤnne; daß ihm Ideen genug
gegeben werden, um ſeine Einbildungskraft ſelbſt
in Wirkſamkeit zu ſetzen, ſich dieſen Zuſtand vor-
zuſtellen. Aber von welcher Art des Leidens laſ-
ſen ſich die meiſten Ideen geben? oder vielmehr,
auf welche Art bricht jeder Schmerz, der an und
fuͤr ſich ein ſtummes unerklaͤrliches Gefuͤhl iſt, in
Gedanken und Worte aus? Faſt immer durch eine
Vergleichung ſeines jetzigen Zuſtandes mit dem
vergangnen. Der Kranke denkt an die Tage der
Geſundheit, der Arme ſtellt ſich den Wohlſtand
eines andern, oder ſeinen ehemaligen Wohlſtand
vor; der, welcher den Tod eines Freundes be-
trauert, erinnert ſich ſeines Umgangs. Was
ruͤhrt im Kaufmann von London am meiſten?
daß er hingerichtet wird? Nein; daß er alle die
Anſtalten erfaͤhrt, die zu ſeiner Gluͤckſeligkeit
waren gemacht worden, und die nun vergeblich
ſind.
Auch darauf, finden wir, werden die Dich-
ter von ſelbſt geleitet, ſobald der Geſchmack einer
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