ben, wo ein alberner Mensch durch seine Verle- genheit die Zuschauer erlustiget. Bey einem ed- len und großen Charakter hingegen, und wenn die Vorfälle wichtig sind, und die Wahl einen gros- sen Ausschlag giebt: dann wird diese Unruhe rüh- rend.
Wir könnten hier den Streit zwischen Leiden- schaft und Vernunft, als eine besondre Gattung hinzufügen, wenn er sich nicht auf gewisse Weise über alle die vorigen Arten erstreckte.
Nämlich, was wir eigentlich Leidenschaft nen- nen, ist eine sinnliche Begierde, die vom Körper herrührt, die durch den Lauf der Säfte und die Bewegung der Lebensgeister unterstüzt wird. Ver- nunft ist der Geist, insofern er aus sich selbst und abgezogen vom Körper wirkt und handelt. So- bald also nur der Mensch selbst thätig ist, und so weit er es ist, da und so weit wirkt seine Vernunft. Aber jeder Streit der Leidenschaften macht den Menschen selbst thätig; also erweckt jeder Streit der Leidenschaft die Vernunft.
uͤber das Intereſſirende.
ben, wo ein alberner Menſch durch ſeine Verle- genheit die Zuſchauer erluſtiget. Bey einem ed- len und großen Charakter hingegen, und wenn die Vorfaͤlle wichtig ſind, und die Wahl einen groſ- ſen Ausſchlag giebt: dann wird dieſe Unruhe ruͤh- rend.
Wir koͤnnten hier den Streit zwiſchen Leiden- ſchaft und Vernunft, als eine beſondre Gattung hinzufuͤgen, wenn er ſich nicht auf gewiſſe Weiſe uͤber alle die vorigen Arten erſtreckte.
Naͤmlich, was wir eigentlich Leidenſchaft nen- nen, iſt eine ſinnliche Begierde, die vom Koͤrper herruͤhrt, die durch den Lauf der Saͤfte und die Bewegung der Lebensgeiſter unterſtuͤzt wird. Ver- nunft iſt der Geiſt, inſofern er aus ſich ſelbſt und abgezogen vom Koͤrper wirkt und handelt. So- bald alſo nur der Menſch ſelbſt thaͤtig iſt, und ſo weit er es iſt, da und ſo weit wirkt ſeine Vernunft. Aber jeder Streit der Leidenſchaften macht den Menſchen ſelbſt thaͤtig; alſo erweckt jeder Streit der Leidenſchaft die Vernunft.
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uͤber das Intereſſirende.
ben, wo ein alberner Menſch durch ſeine Verle-
genheit die Zuſchauer erluſtiget. Bey einem ed-
len und großen Charakter hingegen, und wenn die
Vorfaͤlle wichtig ſind, und die Wahl einen groſ-
ſen Ausſchlag giebt: dann wird dieſe Unruhe ruͤh-
rend.
Wir koͤnnten hier den Streit zwiſchen Leiden-
ſchaft und Vernunft, als eine beſondre Gattung
hinzufuͤgen, wenn er ſich nicht auf gewiſſe Weiſe
uͤber alle die vorigen Arten erſtreckte.
Naͤmlich, was wir eigentlich Leidenſchaft nen-
nen, iſt eine ſinnliche Begierde, die vom Koͤrper
herruͤhrt, die durch den Lauf der Saͤfte und die
Bewegung der Lebensgeiſter unterſtuͤzt wird. Ver-
nunft iſt der Geiſt, inſofern er aus ſich ſelbſt und
abgezogen vom Koͤrper wirkt und handelt. So-
bald alſo nur der Menſch ſelbſt thaͤtig iſt, und ſo
weit er es iſt, da und ſo weit wirkt ſeine Vernunft.
Aber jeder Streit der Leidenſchaften macht den
Menſchen ſelbſt thaͤtig; alſo erweckt jeder Streit
der Leidenſchaft die Vernunft.
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/353>, abgerufen am 22.11.2024.
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