Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Einige Gedanken wenn sie gegenwärtig sind. Um deswillen schließtsich das Trauerspiel, sobald der unglückliche Streich vollbracht ist. Den Hofnungen zweyer Liebenden, die sich durch allerhand Schwierigkei- ten aufgehalten sehen, können wir mit Vergnü- gen zusehen; aber wann sie nun verlobt sind, so gehen wir davon. Die Ursache liegt in dem, was wir schon gesagt haben. Nur an der Be- gierde oder dem Abscheue nehmen wir eigentlich Theil, nicht an dem Genusse und dem Leiden; jenes sind Handlungen, dieß sind Empfindun- gen; dort wirken wir selbst, hier die Dinge. Wo sich nun bey den Personen, welche es ei- gentlich gilt, Hofnung in Lust verwandelt, da hört ihr Bestreben und also unsre Mitwirkung auf. Bey dem Schmerze ist es etwas anders; weil kein Schmerz ohne Furcht, obgleich Lust oh- ne Hofnung seyn kann. Bey dem Genusse ver- liert sich die Begierde, und also auch die Theil- nehmung. Bey dem Schmerze verliert sich nicht die Verabscheuung; die Bestrebung das Uebel wegzuschaffen bleibt, und dieses Bestreben thei- len wir mit dem Leidenden. Einige Gedanken wenn ſie gegenwaͤrtig ſind. Um deswillen ſchließtſich das Trauerſpiel, ſobald der ungluͤckliche Streich vollbracht iſt. Den Hofnungen zweyer Liebenden, die ſich durch allerhand Schwierigkei- ten aufgehalten ſehen, koͤnnen wir mit Vergnuͤ- gen zuſehen; aber wann ſie nun verlobt ſind, ſo gehen wir davon. Die Urſache liegt in dem, was wir ſchon geſagt haben. Nur an der Be- gierde oder dem Abſcheue nehmen wir eigentlich Theil, nicht an dem Genuſſe und dem Leiden; jenes ſind Handlungen, dieß ſind Empfindun- gen; dort wirken wir ſelbſt, hier die Dinge. Wo ſich nun bey den Perſonen, welche es ei- gentlich gilt, Hofnung in Luſt verwandelt, da hoͤrt ihr Beſtreben und alſo unſre Mitwirkung auf. Bey dem Schmerze iſt es etwas anders; weil kein Schmerz ohne Furcht, obgleich Luſt oh- ne Hofnung ſeyn kann. Bey dem Genuſſe ver- liert ſich die Begierde, und alſo auch die Theil- nehmung. Bey dem Schmerze verliert ſich nicht die Verabſcheuung; die Beſtrebung das Uebel wegzuſchaffen bleibt, und dieſes Beſtreben thei- len wir mit dem Leidenden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0334" n="328"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/> wenn ſie gegenwaͤrtig ſind. Um deswillen ſchließt<lb/> ſich das Trauerſpiel, ſobald der ungluͤckliche<lb/> Streich vollbracht iſt. Den Hofnungen zweyer<lb/> Liebenden, die ſich durch allerhand Schwierigkei-<lb/> ten aufgehalten ſehen, koͤnnen wir mit Vergnuͤ-<lb/> gen zuſehen; aber wann ſie nun verlobt ſind,<lb/> ſo gehen wir davon. Die Urſache liegt in dem,<lb/> was wir ſchon geſagt haben. Nur an <hi rendition="#fr">der Be-<lb/> gierde</hi> oder <hi rendition="#fr">dem Abſcheue</hi> nehmen wir eigentlich<lb/> Theil, nicht an <hi rendition="#fr">dem Genuſſe</hi> und <hi rendition="#fr">dem Leiden;</hi><lb/> jenes ſind Handlungen, dieß ſind Empfindun-<lb/> gen; dort wirken wir ſelbſt, hier die Dinge.<lb/> Wo ſich nun bey den Perſonen, welche es ei-<lb/> gentlich gilt, Hofnung in Luſt verwandelt, da<lb/> hoͤrt ihr Beſtreben und alſo unſre Mitwirkung<lb/> auf. Bey dem Schmerze iſt es etwas anders;<lb/> weil kein Schmerz ohne Furcht, obgleich Luſt oh-<lb/> ne Hofnung ſeyn kann. Bey dem Genuſſe ver-<lb/> liert ſich die Begierde, und alſo auch die Theil-<lb/> nehmung. Bey dem Schmerze verliert ſich nicht<lb/> die Verabſcheuung; die Beſtrebung das Uebel<lb/> wegzuſchaffen bleibt, und dieſes Beſtreben thei-<lb/> len wir mit dem Leidenden.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [328/0334]
Einige Gedanken
wenn ſie gegenwaͤrtig ſind. Um deswillen ſchließt
ſich das Trauerſpiel, ſobald der ungluͤckliche
Streich vollbracht iſt. Den Hofnungen zweyer
Liebenden, die ſich durch allerhand Schwierigkei-
ten aufgehalten ſehen, koͤnnen wir mit Vergnuͤ-
gen zuſehen; aber wann ſie nun verlobt ſind,
ſo gehen wir davon. Die Urſache liegt in dem,
was wir ſchon geſagt haben. Nur an der Be-
gierde oder dem Abſcheue nehmen wir eigentlich
Theil, nicht an dem Genuſſe und dem Leiden;
jenes ſind Handlungen, dieß ſind Empfindun-
gen; dort wirken wir ſelbſt, hier die Dinge.
Wo ſich nun bey den Perſonen, welche es ei-
gentlich gilt, Hofnung in Luſt verwandelt, da
hoͤrt ihr Beſtreben und alſo unſre Mitwirkung
auf. Bey dem Schmerze iſt es etwas anders;
weil kein Schmerz ohne Furcht, obgleich Luſt oh-
ne Hofnung ſeyn kann. Bey dem Genuſſe ver-
liert ſich die Begierde, und alſo auch die Theil-
nehmung. Bey dem Schmerze verliert ſich nicht
die Verabſcheuung; die Beſtrebung das Uebel
wegzuſchaffen bleibt, und dieſes Beſtreben thei-
len wir mit dem Leidenden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |