selben auf die Seele uns vorzustellen wissen; oder wenn wir zwischen diesen Umständen und unsern eignen eine gewisse Verbindung fehen.
Wir glauben, es giebt eine dreyfache Sym- pathie. Eine, die bloß im Körper ihren Grund hat; unsre Werkzeuge gerathen bey gewaltsamen Bewegungen ähnlicher Werkzeuge in eine ähnliche Bewegung; so fühlen wir das Geschrey eines Menschen, der auf der Tortur liegt. Eine zwote, die in den Vorstellungen der Seele ihren Grund hat; unsre Einbildungskraft giebt uns die Rolle der leidenden Person, und wir bilden also auch alle ihre Empfindungen nach. Eine dritte, die in den moralischen Empfindungen ih- ren Grund hat; wir erzürnen uns über ein au- genscheinliches Unrecht, das Jemanden geschieht, mehr, als wir mit dem ihm zugefügten Uebel Mit- leiden haben würden, wenn es ein bloßer Zufall wäre.
Die erste Art der Sympathie findet nur bey dem Schmerze, nicht bey dem Vergnügen statt. Denn die Erschütterungen müssen gewaltsam seyn,
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uͤber das Intereſſirende.
ſelben auf die Seele uns vorzuſtellen wiſſen; oder wenn wir zwiſchen dieſen Umſtaͤnden und unſern eignen eine gewiſſe Verbindung fehen.
Wir glauben, es giebt eine dreyfache Sym- pathie. Eine, die bloß im Koͤrper ihren Grund hat; unſre Werkzeuge gerathen bey gewaltſamen Bewegungen aͤhnlicher Werkzeuge in eine aͤhnliche Bewegung; ſo fuͤhlen wir das Geſchrey eines Menſchen, der auf der Tortur liegt. Eine zwote, die in den Vorſtellungen der Seele ihren Grund hat; unſre Einbildungskraft giebt uns die Rolle der leidenden Perſon, und wir bilden alſo auch alle ihre Empfindungen nach. Eine dritte, die in den moraliſchen Empfindungen ih- ren Grund hat; wir erzuͤrnen uns uͤber ein au- genſcheinliches Unrecht, das Jemanden geſchieht, mehr, als wir mit dem ihm zugefuͤgten Uebel Mit- leiden haben wuͤrden, wenn es ein bloßer Zufall waͤre.
Die erſte Art der Sympathie findet nur bey dem Schmerze, nicht bey dem Vergnuͤgen ſtatt. Denn die Erſchuͤtterungen muͤſſen gewaltſam ſeyn,
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uͤber das Intereſſirende.
ſelben auf die Seele uns vorzuſtellen wiſſen; oder
wenn wir zwiſchen dieſen Umſtaͤnden und unſern
eignen eine gewiſſe Verbindung fehen.
Wir glauben, es giebt eine dreyfache Sym-
pathie. Eine, die bloß im Koͤrper ihren Grund
hat; unſre Werkzeuge gerathen bey gewaltſamen
Bewegungen aͤhnlicher Werkzeuge in eine aͤhnliche
Bewegung; ſo fuͤhlen wir das Geſchrey eines
Menſchen, der auf der Tortur liegt. Eine
zwote, die in den Vorſtellungen der Seele ihren
Grund hat; unſre Einbildungskraft giebt uns
die Rolle der leidenden Perſon, und wir bilden
alſo auch alle ihre Empfindungen nach. Eine
dritte, die in den moraliſchen Empfindungen ih-
ren Grund hat; wir erzuͤrnen uns uͤber ein au-
genſcheinliches Unrecht, das Jemanden geſchieht,
mehr, als wir mit dem ihm zugefuͤgten Uebel Mit-
leiden haben wuͤrden, wenn es ein bloßer Zufall
waͤre.
Die erſte Art der Sympathie findet nur bey
dem Schmerze, nicht bey dem Vergnuͤgen ſtatt.
Denn die Erſchuͤtterungen muͤſſen gewaltſam ſeyn,
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/327>, abgerufen am 25.11.2024.
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