Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

der Fähigkeiten.
desto weniger wird es von der ersten haben, be-
sonders von den unfruchtbaren Gegenständen,
mit denen man gemeiniglich den Unterricht an-
fängt. Eine Seele, die mit wirklichen Bildern
von Dingen erfüllt ist, wird sich sehr ungern von
denselben zu bloßen Worten wegwenden, die es
nicht versteht; und je lebhaftere Eindrücke es be-
kömmt, mit desto größerm Widerwillen wird es
sich die Gewalt anthun, Sachen zu behalten, die
ohne alle Eindrücke sind.

Die Geschichte der Genies hat diese Anmer-
kung bestätigt, und oft das Urtheil ihrer ersten
Schullehrer widerlegt.

Nur noch zwey Worte über diese ganze Ma-
terie.

Erstlich. Es ist nichts schwerer, als die Em-
pfindungen anderer zu beurtheilen oder zu verglei-
chen. Unsre Sprache drückt das sinnliche Bild
bloß durch den Namen des Gegenstandes aus.
Jeder erinnert sich also bey dem Worte an seine
eigne Idee, aber keiner erfährt die Idee des an-
dern. Die Mittheilung der Gedanken besteht

B 5

der Faͤhigkeiten.
deſto weniger wird es von der erſten haben, be-
ſonders von den unfruchtbaren Gegenſtaͤnden,
mit denen man gemeiniglich den Unterricht an-
faͤngt. Eine Seele, die mit wirklichen Bildern
von Dingen erfuͤllt iſt, wird ſich ſehr ungern von
denſelben zu bloßen Worten wegwenden, die es
nicht verſteht; und je lebhaftere Eindruͤcke es be-
koͤmmt, mit deſto groͤßerm Widerwillen wird es
ſich die Gewalt anthun, Sachen zu behalten, die
ohne alle Eindruͤcke ſind.

Die Geſchichte der Genies hat dieſe Anmer-
kung beſtaͤtigt, und oft das Urtheil ihrer erſten
Schullehrer widerlegt.

Nur noch zwey Worte uͤber dieſe ganze Ma-
terie.

Erſtlich. Es iſt nichts ſchwerer, als die Em-
pfindungen anderer zu beurtheilen oder zu verglei-
chen. Unſre Sprache druͤckt das ſinnliche Bild
bloß durch den Namen des Gegenſtandes aus.
Jeder erinnert ſich alſo bey dem Worte an ſeine
eigne Idee, aber keiner erfaͤhrt die Idee des an-
dern. Die Mittheilung der Gedanken beſteht

B 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="25"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Fa&#x0364;higkeiten.</hi></fw><lb/>
de&#x017F;to weniger wird es von der er&#x017F;ten haben, be-<lb/>
&#x017F;onders von den unfruchtbaren Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden,<lb/>
mit denen man gemeiniglich den Unterricht an-<lb/>
fa&#x0364;ngt. Eine Seele, die mit wirklichen Bildern<lb/>
von Dingen erfu&#x0364;llt i&#x017F;t, wird &#x017F;ich &#x017F;ehr ungern von<lb/>
den&#x017F;elben zu bloßen Worten wegwenden, die es<lb/>
nicht ver&#x017F;teht; und je lebhaftere Eindru&#x0364;cke es be-<lb/>
ko&#x0364;mmt, mit de&#x017F;to gro&#x0364;ßerm Widerwillen wird es<lb/>
&#x017F;ich die Gewalt anthun, Sachen zu behalten, die<lb/>
ohne alle Eindru&#x0364;cke &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Die Ge&#x017F;chichte der Genies hat die&#x017F;e Anmer-<lb/>
kung be&#x017F;ta&#x0364;tigt, und oft das Urtheil ihrer er&#x017F;ten<lb/>
Schullehrer widerlegt.</p><lb/>
        <p>Nur noch zwey Worte u&#x0364;ber die&#x017F;e ganze Ma-<lb/>
terie.</p><lb/>
        <p>Er&#x017F;tlich. Es i&#x017F;t nichts &#x017F;chwerer, als die Em-<lb/>
pfindungen anderer zu beurtheilen oder zu verglei-<lb/>
chen. Un&#x017F;re Sprache dru&#x0364;ckt das &#x017F;innliche Bild<lb/>
bloß durch den Namen des Gegen&#x017F;tandes aus.<lb/>
Jeder erinnert &#x017F;ich al&#x017F;o bey dem Worte an &#x017F;eine<lb/>
eigne Idee, aber keiner erfa&#x0364;hrt die Idee des an-<lb/>
dern. Die Mittheilung der Gedanken be&#x017F;teht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 5</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0031] der Faͤhigkeiten. deſto weniger wird es von der erſten haben, be- ſonders von den unfruchtbaren Gegenſtaͤnden, mit denen man gemeiniglich den Unterricht an- faͤngt. Eine Seele, die mit wirklichen Bildern von Dingen erfuͤllt iſt, wird ſich ſehr ungern von denſelben zu bloßen Worten wegwenden, die es nicht verſteht; und je lebhaftere Eindruͤcke es be- koͤmmt, mit deſto groͤßerm Widerwillen wird es ſich die Gewalt anthun, Sachen zu behalten, die ohne alle Eindruͤcke ſind. Die Geſchichte der Genies hat dieſe Anmer- kung beſtaͤtigt, und oft das Urtheil ihrer erſten Schullehrer widerlegt. Nur noch zwey Worte uͤber dieſe ganze Ma- terie. Erſtlich. Es iſt nichts ſchwerer, als die Em- pfindungen anderer zu beurtheilen oder zu verglei- chen. Unſre Sprache druͤckt das ſinnliche Bild bloß durch den Namen des Gegenſtandes aus. Jeder erinnert ſich alſo bey dem Worte an ſeine eigne Idee, aber keiner erfaͤhrt die Idee des an- dern. Die Mittheilung der Gedanken beſteht B 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/31
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/31>, abgerufen am 24.11.2024.