sie bestätigen, zweiselhaft machen, oder abändern; nichts ist lehrreicher, als mitten in dem Laufe der Begebenheit und der Leidenschaft, die ununterbro- chen fortgeht, doch zugleich diejenige stille unmerk- liche Arbeit des Verstandes zu sehen, durch welche jeder etwas vollkommnere Mensch auch aus den unruhigsten Scenen seines Lebens Nahrung von Wahrheit und Kenntniß herauszieht.
Man sieht wohl, daß, was man eigentlich Sentenzen heißt, nur ein Theil der Sache ist, wo- von ich rede. Diese eigentliche Sentenzen muß- ten freylich zu der Zeit ein größer Interesse haben, als die Zahl allgemein gedachter, allgemein aus- gedrückter Wahrheiten noch geringer, als die Sprache noch nicht an den Ausdruck solcher Wahr- heiten gewöhnt, und das Gedächtniß der Men- schen weniger mit solchen Grundsätzen und Maxi- men angefüllt war. Man weiß, daß im Anfange der Philosophie einige solche Sentenzen dem Erfin- der den Namen eines Weisen erwerben konnten. In den Trauerspielen der Griechen, besonders des Euripides, finden wir sie häufiger, als wir sie in
uͤber das Intereſſirende.
ſie beſtaͤtigen, zweiſelhaft machen, oder abaͤndern; nichts iſt lehrreicher, als mitten in dem Laufe der Begebenheit und der Leidenſchaft, die ununterbro- chen fortgeht, doch zugleich diejenige ſtille unmerk- liche Arbeit des Verſtandes zu ſehen, durch welche jeder etwas vollkommnere Menſch auch aus den unruhigſten Scenen ſeines Lebens Nahrung von Wahrheit und Kenntniß herauszieht.
Man ſieht wohl, daß, was man eigentlich Sentenzen heißt, nur ein Theil der Sache iſt, wo- von ich rede. Dieſe eigentliche Sentenzen muß- ten freylich zu der Zeit ein groͤßer Intereſſe haben, als die Zahl allgemein gedachter, allgemein aus- gedruͤckter Wahrheiten noch geringer, als die Sprache noch nicht an den Ausdruck ſolcher Wahr- heiten gewoͤhnt, und das Gedaͤchtniß der Men- ſchen weniger mit ſolchen Grundſaͤtzen und Maxi- men angefuͤllt war. Man weiß, daß im Anfange der Philoſophie einige ſolche Sentenzen dem Erfin- der den Namen eines Weiſen erwerben konnten. In den Trauerſpielen der Griechen, beſonders des Euripides, finden wir ſie haͤufiger, als wir ſie in
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uͤber das Intereſſirende.
ſie beſtaͤtigen, zweiſelhaft machen, oder abaͤndern;
nichts iſt lehrreicher, als mitten in dem Laufe der
Begebenheit und der Leidenſchaft, die ununterbro-
chen fortgeht, doch zugleich diejenige ſtille unmerk-
liche Arbeit des Verſtandes zu ſehen, durch welche
jeder etwas vollkommnere Menſch auch aus den
unruhigſten Scenen ſeines Lebens Nahrung von
Wahrheit und Kenntniß herauszieht.
Man ſieht wohl, daß, was man eigentlich
Sentenzen heißt, nur ein Theil der Sache iſt, wo-
von ich rede. Dieſe eigentliche Sentenzen muß-
ten freylich zu der Zeit ein groͤßer Intereſſe haben,
als die Zahl allgemein gedachter, allgemein aus-
gedruͤckter Wahrheiten noch geringer, als die
Sprache noch nicht an den Ausdruck ſolcher Wahr-
heiten gewoͤhnt, und das Gedaͤchtniß der Men-
ſchen weniger mit ſolchen Grundſaͤtzen und Maxi-
men angefuͤllt war. Man weiß, daß im Anfange
der Philoſophie einige ſolche Sentenzen dem Erfin-
der den Namen eines Weiſen erwerben konnten.
In den Trauerſpielen der Griechen, beſonders des
Euripides, finden wir ſie haͤufiger, als wir ſie in
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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