Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Einige Gedanken sische oder englische Nachahmungen ansähe: sogestehen wir aufrichtig, daß es uns um unser Jahrhundert leid wäre. So viel Mühe also hät- ten wir uns um Kultur und Sitten und Wissen- schaften gegeben, damit wir uns in denjenigen Werken, die der Nation vor allen übrigen eigen seyn sollten, wieder in ein rauhes, barbarisches, unwissendes Jahrhundert zurücksezten, unsere in etwas gebildete Sprache wieder regellos machten, unsere kaum gebändigte Phantasie wieder ihrem wilden Laufe überließen? Und wenn wir uns noch in dieses Jahrhundert zurücksetzen könnten; wenn uns noch der Dichter diese wilde Natur und diese rauhen Menschen so zeigen könnte, wie sie wirklich gewesen sind! -- Aber dazu weiß er selbst lange nicht genug von ihnen. Einige we- nige, hier und da aufgesammlete, halb wahre und halb falsche Nachrichten, größtentheils aus römischen Schriftstellern, und einige Fragmente aus Gedichten benachbarter barbarischer Natio- nen, sind die ganzen Quellen, woraus wir unsre Kenntniß von diesen unsern Vorfahren schöpfen. Einige Gedanken ſiſche oder engliſche Nachahmungen anſaͤhe: ſogeſtehen wir aufrichtig, daß es uns um unſer Jahrhundert leid waͤre. So viel Muͤhe alſo haͤt- ten wir uns um Kultur und Sitten und Wiſſen- ſchaften gegeben, damit wir uns in denjenigen Werken, die der Nation vor allen uͤbrigen eigen ſeyn ſollten, wieder in ein rauhes, barbariſches, unwiſſendes Jahrhundert zuruͤckſezten, unſere in etwas gebildete Sprache wieder regellos machten, unſere kaum gebaͤndigte Phantaſie wieder ihrem wilden Laufe uͤberließen? Und wenn wir uns noch in dieſes Jahrhundert zuruͤckſetzen koͤnnten; wenn uns noch der Dichter dieſe wilde Natur und dieſe rauhen Menſchen ſo zeigen koͤnnte, wie ſie wirklich geweſen ſind! — Aber dazu weiß er ſelbſt lange nicht genug von ihnen. Einige we- nige, hier und da aufgeſammlete, halb wahre und halb falſche Nachrichten, groͤßtentheils aus roͤmiſchen Schriftſtellern, und einige Fragmente aus Gedichten benachbarter barbariſcher Natio- nen, ſind die ganzen Quellen, woraus wir unſre Kenntniß von dieſen unſern Vorfahren ſchoͤpfen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0294" n="288"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/> ſiſche oder engliſche Nachahmungen anſaͤhe: ſo<lb/> geſtehen wir aufrichtig, daß es uns um unſer<lb/> Jahrhundert leid waͤre. So viel Muͤhe alſo haͤt-<lb/> ten wir uns um Kultur und Sitten und Wiſſen-<lb/> ſchaften gegeben, damit wir uns in denjenigen<lb/> Werken, die der Nation vor allen uͤbrigen eigen<lb/> ſeyn ſollten, wieder in ein rauhes, barbariſches,<lb/> unwiſſendes Jahrhundert zuruͤckſezten, unſere in<lb/> etwas gebildete Sprache wieder regellos machten,<lb/> unſere kaum gebaͤndigte Phantaſie wieder ihrem<lb/> wilden Laufe uͤberließen? Und wenn wir uns<lb/> noch in dieſes Jahrhundert zuruͤckſetzen koͤnnten;<lb/> wenn uns noch der Dichter dieſe wilde Natur und<lb/> dieſe rauhen Menſchen ſo zeigen koͤnnte, wie ſie<lb/> wirklich geweſen ſind! — Aber dazu weiß er<lb/> ſelbſt lange nicht genug von ihnen. Einige we-<lb/> nige, hier und da aufgeſammlete, halb wahre<lb/> und halb falſche Nachrichten, groͤßtentheils aus<lb/> roͤmiſchen Schriftſtellern, und einige Fragmente<lb/> aus Gedichten benachbarter barbariſcher Natio-<lb/> nen, ſind die ganzen Quellen, woraus wir unſre<lb/> Kenntniß von dieſen unſern Vorfahren ſchoͤpfen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [288/0294]
Einige Gedanken
ſiſche oder engliſche Nachahmungen anſaͤhe: ſo
geſtehen wir aufrichtig, daß es uns um unſer
Jahrhundert leid waͤre. So viel Muͤhe alſo haͤt-
ten wir uns um Kultur und Sitten und Wiſſen-
ſchaften gegeben, damit wir uns in denjenigen
Werken, die der Nation vor allen uͤbrigen eigen
ſeyn ſollten, wieder in ein rauhes, barbariſches,
unwiſſendes Jahrhundert zuruͤckſezten, unſere in
etwas gebildete Sprache wieder regellos machten,
unſere kaum gebaͤndigte Phantaſie wieder ihrem
wilden Laufe uͤberließen? Und wenn wir uns
noch in dieſes Jahrhundert zuruͤckſetzen koͤnnten;
wenn uns noch der Dichter dieſe wilde Natur und
dieſe rauhen Menſchen ſo zeigen koͤnnte, wie ſie
wirklich geweſen ſind! — Aber dazu weiß er
ſelbſt lange nicht genug von ihnen. Einige we-
nige, hier und da aufgeſammlete, halb wahre
und halb falſche Nachrichten, groͤßtentheils aus
roͤmiſchen Schriftſtellern, und einige Fragmente
aus Gedichten benachbarter barbariſcher Natio-
nen, ſind die ganzen Quellen, woraus wir unſre
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