Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.über das Interessirende. Profil, berührt sie gleichsam nur durch einige we-nige Tangenten. Und so wie auch diese weiter von seinem Standorte wegkommen, so wird ihr Anblick immer einseitiger, mangelhafter, dunkler. -- In der That, wir kennen nur diejenige Le- bensart, diejenige Verfassung der Menschen recht, die auch zugleich unsere eigne ist. Alle übrigen Zustände des menschlichen Geschlechts erklären wir uns immer nur durch die Vergleichungen, die wir zwischen denselben und dem gegenwärtigen anstellen. Wo diese Aehnlichkeiten uns verlassen oder betrügen, da sind unsre Vorstellungen von diesen Zuständen dunkel oder falsch. Wo die menschliche Gestalt anfängt sehr von der unsrigen abzugehen, da sehen wir die Menschen für eine Art von Ungeheuern an, und endlich streiten wir wohl gar darüber, ob es Menschen oder Affen sind. Und wo der menschliche Geist, seine Ideen, Gesinnungen, Handlungen, gar keine Gleichför- migkeit mehr mit den unsrigen haben, da verliert sich das Bewußtseyn von dem, was ein solcher Geist seyn mag, und das sympathetische Gefühl uͤber das Intereſſirende. Profil, beruͤhrt ſie gleichſam nur durch einige we-nige Tangenten. Und ſo wie auch dieſe weiter von ſeinem Standorte wegkommen, ſo wird ihr Anblick immer einſeitiger, mangelhafter, dunkler. — In der That, wir kennen nur diejenige Le- bensart, diejenige Verfaſſung der Menſchen recht, die auch zugleich unſere eigne iſt. Alle uͤbrigen Zuſtaͤnde des menſchlichen Geſchlechts erklaͤren wir uns immer nur durch die Vergleichungen, die wir zwiſchen denſelben und dem gegenwaͤrtigen anſtellen. Wo dieſe Aehnlichkeiten uns verlaſſen oder betruͤgen, da ſind unſre Vorſtellungen von dieſen Zuſtaͤnden dunkel oder falſch. Wo die menſchliche Geſtalt anfaͤngt ſehr von der unſrigen abzugehen, da ſehen wir die Menſchen fuͤr eine Art von Ungeheuern an, und endlich ſtreiten wir wohl gar daruͤber, ob es Menſchen oder Affen ſind. Und wo der menſchliche Geiſt, ſeine Ideen, Geſinnungen, Handlungen, gar keine Gleichfoͤr- migkeit mehr mit den unſrigen haben, da verliert ſich das Bewußtſeyn von dem, was ein ſolcher Geiſt ſeyn mag, und das ſympathetiſche Gefuͤhl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0291" n="285"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">uͤber das Intereſſirende.</hi></fw><lb/> Profil, beruͤhrt ſie gleichſam nur durch einige we-<lb/> nige Tangenten. Und ſo wie auch dieſe weiter<lb/> von ſeinem Standorte wegkommen, ſo wird ihr<lb/> Anblick immer einſeitiger, mangelhafter, dunkler.<lb/> — In der That, wir kennen nur diejenige Le-<lb/> bensart, diejenige Verfaſſung der Menſchen recht,<lb/> die auch zugleich unſere eigne iſt. Alle uͤbrigen<lb/> Zuſtaͤnde des menſchlichen Geſchlechts erklaͤren<lb/> wir uns immer nur durch die Vergleichungen, die<lb/> wir zwiſchen denſelben und dem gegenwaͤrtigen<lb/> anſtellen. Wo dieſe Aehnlichkeiten uns verlaſſen<lb/> oder betruͤgen, da ſind unſre Vorſtellungen von<lb/> dieſen Zuſtaͤnden dunkel oder falſch. Wo die<lb/> menſchliche Geſtalt anfaͤngt ſehr von der unſrigen<lb/> abzugehen, da ſehen wir die Menſchen fuͤr eine<lb/> Art von Ungeheuern an, und endlich ſtreiten wir<lb/> wohl gar daruͤber, ob es Menſchen oder Affen<lb/> ſind. Und wo der menſchliche Geiſt, ſeine Ideen,<lb/> Geſinnungen, Handlungen, gar keine Gleichfoͤr-<lb/> migkeit mehr mit den unſrigen haben, da verliert<lb/> ſich das Bewußtſeyn von dem, was ein ſolcher<lb/> Geiſt ſeyn mag, und das ſympathetiſche Gefuͤhl<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [285/0291]
uͤber das Intereſſirende.
Profil, beruͤhrt ſie gleichſam nur durch einige we-
nige Tangenten. Und ſo wie auch dieſe weiter
von ſeinem Standorte wegkommen, ſo wird ihr
Anblick immer einſeitiger, mangelhafter, dunkler.
— In der That, wir kennen nur diejenige Le-
bensart, diejenige Verfaſſung der Menſchen recht,
die auch zugleich unſere eigne iſt. Alle uͤbrigen
Zuſtaͤnde des menſchlichen Geſchlechts erklaͤren
wir uns immer nur durch die Vergleichungen, die
wir zwiſchen denſelben und dem gegenwaͤrtigen
anſtellen. Wo dieſe Aehnlichkeiten uns verlaſſen
oder betruͤgen, da ſind unſre Vorſtellungen von
dieſen Zuſtaͤnden dunkel oder falſch. Wo die
menſchliche Geſtalt anfaͤngt ſehr von der unſrigen
abzugehen, da ſehen wir die Menſchen fuͤr eine
Art von Ungeheuern an, und endlich ſtreiten wir
wohl gar daruͤber, ob es Menſchen oder Affen
ſind. Und wo der menſchliche Geiſt, ſeine Ideen,
Geſinnungen, Handlungen, gar keine Gleichfoͤr-
migkeit mehr mit den unſrigen haben, da verliert
ſich das Bewußtſeyn von dem, was ein ſolcher
Geiſt ſeyn mag, und das ſympathetiſche Gefuͤhl
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