gleich so geneigt, jeden Anspruch eines andern, jedes Vorrecht gelten zu lassen, daß er auch dem bloßen Stande eine ausnehmende Ehrerbietung und Achtung bewies. Er war überhaupt weit mehr geneigt, sich allen einmal gemachten Ein- richtungen der Welt, des Staates, oder seines Standes, zu unterwerfen, und von ihnen den besten Gebrauch zu machen, als sie, wo er sie auch für fehlerhaft erkannte, zu ändern. Die Personen, die über ihm waren, hielt er gemei- niglich auch für weiser und einsichtsvoller, als sich. Die Obrigkeit, die Gewalt über ihn hatte, sah er fast immer als eine gerechte und gütige Obrigkeit an. Vielleicht hatte er gegen solche Verbesserungen, die ohne große Aenderungen nicht geschehen können, allzuviel Mißtrauen, und von der Güte der Anordnungen, die schon vorhanden sind, einen zu vortheilhaften Begriff. Aber eben der Gehorsam gegen alles, was den Anschein von Gesetz und Pflicht hatte, eben die Unterwerfung seiner eignen Einsichten und Neigungen unter alle göttlichen und menschlichen Vorschriften, welche
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deſſen Schriften und Charakter.
gleich ſo geneigt, jeden Anſpruch eines andern, jedes Vorrecht gelten zu laſſen, daß er auch dem bloßen Stande eine ausnehmende Ehrerbietung und Achtung bewies. Er war uͤberhaupt weit mehr geneigt, ſich allen einmal gemachten Ein- richtungen der Welt, des Staates, oder ſeines Standes, zu unterwerfen, und von ihnen den beſten Gebrauch zu machen, als ſie, wo er ſie auch fuͤr fehlerhaft erkannte, zu aͤndern. Die Perſonen, die uͤber ihm waren, hielt er gemei- niglich auch fuͤr weiſer und einſichtsvoller, als ſich. Die Obrigkeit, die Gewalt uͤber ihn hatte, ſah er faſt immer als eine gerechte und guͤtige Obrigkeit an. Vielleicht hatte er gegen ſolche Verbeſſerungen, die ohne große Aenderungen nicht geſchehen koͤnnen, allzuviel Mißtrauen, und von der Guͤte der Anordnungen, die ſchon vorhanden ſind, einen zu vortheilhaften Begriff. Aber eben der Gehorſam gegen alles, was den Anſchein von Geſetz und Pflicht hatte, eben die Unterwerfung ſeiner eignen Einſichten und Neigungen unter alle goͤttlichen und menſchlichen Vorſchriften, welche
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deſſen Schriften und Charakter.
gleich ſo geneigt, jeden Anſpruch eines andern,
jedes Vorrecht gelten zu laſſen, daß er auch dem
bloßen Stande eine ausnehmende Ehrerbietung
und Achtung bewies. Er war uͤberhaupt weit
mehr geneigt, ſich allen einmal gemachten Ein-
richtungen der Welt, des Staates, oder ſeines
Standes, zu unterwerfen, und von ihnen den
beſten Gebrauch zu machen, als ſie, wo er ſie
auch fuͤr fehlerhaft erkannte, zu aͤndern. Die
Perſonen, die uͤber ihm waren, hielt er gemei-
niglich auch fuͤr weiſer und einſichtsvoller, als
ſich. Die Obrigkeit, die Gewalt uͤber ihn hatte,
ſah er faſt immer als eine gerechte und guͤtige
Obrigkeit an. Vielleicht hatte er gegen ſolche
Verbeſſerungen, die ohne große Aenderungen nicht
geſchehen koͤnnen, allzuviel Mißtrauen, und von
der Guͤte der Anordnungen, die ſchon vorhanden
ſind, einen zu vortheilhaften Begriff. Aber eben
der Gehorſam gegen alles, was den Anſchein von
Geſetz und Pflicht hatte, eben die Unterwerfung
ſeiner eignen Einſichten und Neigungen unter alle
goͤttlichen und menſchlichen Vorſchriften, welche
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/251>, abgerufen am 16.02.2025.
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