hatte, einleuchtend zu machen. Eben weil er in jeder Sache nur auf das Große und Hauptsäch- liche sah, und weil er seine Betrachtungen nur im Ganzen darstellte, und sie nicht bis auf zu feine Theile zergliederte; eben deswegen ist er von dem Großen, von dem Manne von Geschäfften, die beide nur solche Betrachtungen fassen oder brau- chen können, eben so sehr gelesen und geachtet, als von denjenigen Philosophen, die den Werth des gesunden Verstandes noch zu schätzen wis- sen.
Seine Kritiken sind seinen guten Schülern sehr nützlich gewesen. Er fand jede Unrichtigkeit in Gedanken und Ausdruck, sobald er sie finden wollte, und nur nicht für die Person zu günstig eingenommen war. Denn Wohlwollen konnte zuweilen sein Urtheil verführen, aber niemals Haß.
Seine Kenntnisse, so weit sie durch Bücher- lesen und Fleiß erlangt werden können, waren nicht sehr ausgebreitet; aber sie waren in derje- nigen Klasse, welche er sich gewählt hatte, voll-
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deſſen Schriften und Charakter.
hatte, einleuchtend zu machen. Eben weil er in jeder Sache nur auf das Große und Hauptſaͤch- liche ſah, und weil er ſeine Betrachtungen nur im Ganzen darſtellte, und ſie nicht bis auf zu feine Theile zergliederte; eben deswegen iſt er von dem Großen, von dem Manne von Geſchaͤfften, die beide nur ſolche Betrachtungen faſſen oder brau- chen koͤnnen, eben ſo ſehr geleſen und geachtet, als von denjenigen Philoſophen, die den Werth des geſunden Verſtandes noch zu ſchaͤtzen wiſ- ſen.
Seine Kritiken ſind ſeinen guten Schuͤlern ſehr nuͤtzlich geweſen. Er fand jede Unrichtigkeit in Gedanken und Ausdruck, ſobald er ſie finden wollte, und nur nicht fuͤr die Perſon zu guͤnſtig eingenommen war. Denn Wohlwollen konnte zuweilen ſein Urtheil verfuͤhren, aber niemals Haß.
Seine Kenntniſſe, ſo weit ſie durch Buͤcher- leſen und Fleiß erlangt werden koͤnnen, waren nicht ſehr ausgebreitet; aber ſie waren in derje- nigen Klaſſe, welche er ſich gewaͤhlt hatte, voll-
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deſſen Schriften und Charakter.
hatte, einleuchtend zu machen. Eben weil er in
jeder Sache nur auf das Große und Hauptſaͤch-
liche ſah, und weil er ſeine Betrachtungen nur im
Ganzen darſtellte, und ſie nicht bis auf zu feine
Theile zergliederte; eben deswegen iſt er von dem
Großen, von dem Manne von Geſchaͤfften, die
beide nur ſolche Betrachtungen faſſen oder brau-
chen koͤnnen, eben ſo ſehr geleſen und geachtet,
als von denjenigen Philoſophen, die den Werth
des geſunden Verſtandes noch zu ſchaͤtzen wiſ-
ſen.
Seine Kritiken ſind ſeinen guten Schuͤlern
ſehr nuͤtzlich geweſen. Er fand jede Unrichtigkeit
in Gedanken und Ausdruck, ſobald er ſie finden
wollte, und nur nicht fuͤr die Perſon zu guͤnſtig
eingenommen war. Denn Wohlwollen konnte
zuweilen ſein Urtheil verfuͤhren, aber niemals
Haß.
Seine Kenntniſſe, ſo weit ſie durch Buͤcher-
leſen und Fleiß erlangt werden koͤnnen, waren
nicht ſehr ausgebreitet; aber ſie waren in derje-
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/237>, abgerufen am 16.02.2025.
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