oder zum Beweise der folgenden angewandt wer- den, so ist dieß ein System. Denn die wichtig- sten Pflichten sind entweder ausdrücklich, oder bey Gelegenheit abgehandelt, die allgemeinen Grund- sätze sind vorausgeschickt, die besondern Tugen- den aus diesen Grundsätzen hergeleitet.
Wenn der Leser, welcher den Schriftsteller kennt, ihn selbst handeln gesehen, ihn reden ge- hört hat, wenn ein solcher Leser überhaupt die Schriften des Mannes besser versteht; wenn er sich viele Stellen durch die Geberde desselben, durch seine Mienen, durch sein ganzes Betragen besser zu erklären weiß, oder sie rührender und eindringender findet, so muß es bey dieser Moral vorzüglich statt finden. In der That sehen wir bey gewissen Stellen das Bild dieses ehrwürdigen Mannes wieder vor uns; wir denken uns sein leidendes aber liebreiches Gesicht, wir hören den Ton seiner Stimme, wir erklären, wir verstärken uns alles, was wir lesen, indem wir uns das hinzudenken, was seine Worte nicht auszudrücken vermochten, was aber in seiner ganzen Person,
Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,
oder zum Beweiſe der folgenden angewandt wer- den, ſo iſt dieß ein Syſtem. Denn die wichtig- ſten Pflichten ſind entweder ausdruͤcklich, oder bey Gelegenheit abgehandelt, die allgemeinen Grund- ſaͤtze ſind vorausgeſchickt, die beſondern Tugen- den aus dieſen Grundſaͤtzen hergeleitet.
Wenn der Leſer, welcher den Schriftſteller kennt, ihn ſelbſt handeln geſehen, ihn reden ge- hoͤrt hat, wenn ein ſolcher Leſer uͤberhaupt die Schriften des Mannes beſſer verſteht; wenn er ſich viele Stellen durch die Geberde deſſelben, durch ſeine Mienen, durch ſein ganzes Betragen beſſer zu erklaͤren weiß, oder ſie ruͤhrender und eindringender findet, ſo muß es bey dieſer Moral vorzuͤglich ſtatt finden. In der That ſehen wir bey gewiſſen Stellen das Bild dieſes ehrwuͤrdigen Mannes wieder vor uns; wir denken uns ſein leidendes aber liebreiches Geſicht, wir hoͤren den Ton ſeiner Stimme, wir erklaͤren, wir verſtaͤrken uns alles, was wir leſen, indem wir uns das hinzudenken, was ſeine Worte nicht auszudruͤcken vermochten, was aber in ſeiner ganzen Perſon,
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Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,
oder zum Beweiſe der folgenden angewandt wer-
den, ſo iſt dieß ein Syſtem. Denn die wichtig-
ſten Pflichten ſind entweder ausdruͤcklich, oder bey
Gelegenheit abgehandelt, die allgemeinen Grund-
ſaͤtze ſind vorausgeſchickt, die beſondern Tugen-
den aus dieſen Grundſaͤtzen hergeleitet.
Wenn der Leſer, welcher den Schriftſteller
kennt, ihn ſelbſt handeln geſehen, ihn reden ge-
hoͤrt hat, wenn ein ſolcher Leſer uͤberhaupt die
Schriften des Mannes beſſer verſteht; wenn er
ſich viele Stellen durch die Geberde deſſelben,
durch ſeine Mienen, durch ſein ganzes Betragen
beſſer zu erklaͤren weiß, oder ſie ruͤhrender und
eindringender findet, ſo muß es bey dieſer Moral
vorzuͤglich ſtatt finden. In der That ſehen wir
bey gewiſſen Stellen das Bild dieſes ehrwuͤrdigen
Mannes wieder vor uns; wir denken uns ſein
leidendes aber liebreiches Geſicht, wir hoͤren den
Ton ſeiner Stimme, wir erklaͤren, wir verſtaͤrken
uns alles, was wir leſen, indem wir uns das
hinzudenken, was ſeine Worte nicht auszudruͤcken
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/206>, abgerufen am 24.11.2024.
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