Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.der ältesten und neuern Schriftsteller. Verbindungen und Umstände unsers eignen Le-bens bekommen haben, bis zu der Deutlichkeit zu erhöhen, daß es sich mit Worten verständlich aus- drücken und mittheilen läßt. Und man wird be- greifen, welches in der That die Größe eines Gei- stes seyn mußte, der, ohne diese Hülfsmittel, seine Sprache zum erstenmal zu dem Ausdrucke solcher ihm eignen Erfahrungen bringen, und die Form finden mußte, in welcher seine Idee kenntlich blieb. Aber mehr brauchte es auch alsdann nicht, sie vortreflich zu machen. Bey uns hingegen ist diese erste Anzahl von Ideen schon durch tausend Köpfe gegangen, von allen gedacht, gesagt und etwas berührt worden. Einen großen Theil davon ler- nen wir schon an der Brust unsrer Mütter, oder auf dem Arme unsrer Wärterinnen. Unser Um- gang, unsre Bücher, alles erfüllt uns mit solchen Grundsätzen und Bemerkungen, und macht uns mit ihnen so bekannt, daß wir sie anfangen ge- ringe zu schätzen. Ihnen also mehr Leben und Stärke in unsrer Seele zu geben, müssen sie durch den Ausdruck erhöht, geschärft, verfeinert wer- der aͤlteſten und neuern Schriftſteller. Verbindungen und Umſtaͤnde unſers eignen Le-bens bekommen haben, bis zu der Deutlichkeit zu erhoͤhen, daß es ſich mit Worten verſtaͤndlich aus- druͤcken und mittheilen laͤßt. Und man wird be- greifen, welches in der That die Groͤße eines Gei- ſtes ſeyn mußte, der, ohne dieſe Huͤlfsmittel, ſeine Sprache zum erſtenmal zu dem Ausdrucke ſolcher ihm eignen Erfahrungen bringen, und die Form finden mußte, in welcher ſeine Idee kenntlich blieb. Aber mehr brauchte es auch alsdann nicht, ſie vortreflich zu machen. Bey uns hingegen iſt dieſe erſte Anzahl von Ideen ſchon durch tauſend Koͤpfe gegangen, von allen gedacht, geſagt und etwas beruͤhrt worden. Einen großen Theil davon ler- nen wir ſchon an der Bruſt unſrer Muͤtter, oder auf dem Arme unſrer Waͤrterinnen. Unſer Um- gang, unſre Buͤcher, alles erfuͤllt uns mit ſolchen Grundſaͤtzen und Bemerkungen, und macht uns mit ihnen ſo bekannt, daß wir ſie anfangen ge- ringe zu ſchaͤtzen. Ihnen alſo mehr Leben und Staͤrke in unſrer Seele zu geben, muͤſſen ſie durch den Ausdruck erhoͤht, geſchaͤrft, verfeinert wer- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0197" n="191"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.</hi></fw><lb/> Verbindungen und Umſtaͤnde unſers eignen Le-<lb/> bens bekommen haben, bis zu der Deutlichkeit zu<lb/> erhoͤhen, daß es ſich mit Worten verſtaͤndlich aus-<lb/> druͤcken und mittheilen laͤßt. Und man wird be-<lb/> greifen, welches in der That die Groͤße eines Gei-<lb/> ſtes ſeyn mußte, der, ohne dieſe Huͤlfsmittel, ſeine<lb/> Sprache zum erſtenmal zu dem Ausdrucke ſolcher<lb/> ihm eignen Erfahrungen bringen, und die Form<lb/> finden mußte, in welcher ſeine Idee kenntlich blieb.<lb/> Aber mehr brauchte es auch alsdann nicht, ſie<lb/> vortreflich zu machen. Bey uns hingegen iſt dieſe<lb/> erſte Anzahl von Ideen ſchon durch tauſend Koͤpfe<lb/> gegangen, von allen gedacht, geſagt und etwas<lb/> beruͤhrt worden. Einen großen Theil davon ler-<lb/> nen wir ſchon an der Bruſt unſrer Muͤtter, oder<lb/> auf dem Arme unſrer Waͤrterinnen. Unſer Um-<lb/> gang, unſre Buͤcher, alles erfuͤllt uns mit ſolchen<lb/> Grundſaͤtzen und Bemerkungen, und macht uns<lb/> mit ihnen ſo bekannt, daß wir ſie anfangen ge-<lb/> ringe zu ſchaͤtzen. Ihnen alſo mehr Leben und<lb/> Staͤrke in unſrer Seele zu geben, muͤſſen ſie durch<lb/> den Ausdruck erhoͤht, geſchaͤrft, verfeinert wer-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [191/0197]
der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
Verbindungen und Umſtaͤnde unſers eignen Le-
bens bekommen haben, bis zu der Deutlichkeit zu
erhoͤhen, daß es ſich mit Worten verſtaͤndlich aus-
druͤcken und mittheilen laͤßt. Und man wird be-
greifen, welches in der That die Groͤße eines Gei-
ſtes ſeyn mußte, der, ohne dieſe Huͤlfsmittel, ſeine
Sprache zum erſtenmal zu dem Ausdrucke ſolcher
ihm eignen Erfahrungen bringen, und die Form
finden mußte, in welcher ſeine Idee kenntlich blieb.
Aber mehr brauchte es auch alsdann nicht, ſie
vortreflich zu machen. Bey uns hingegen iſt dieſe
erſte Anzahl von Ideen ſchon durch tauſend Koͤpfe
gegangen, von allen gedacht, geſagt und etwas
beruͤhrt worden. Einen großen Theil davon ler-
nen wir ſchon an der Bruſt unſrer Muͤtter, oder
auf dem Arme unſrer Waͤrterinnen. Unſer Um-
gang, unſre Buͤcher, alles erfuͤllt uns mit ſolchen
Grundſaͤtzen und Bemerkungen, und macht uns
mit ihnen ſo bekannt, daß wir ſie anfangen ge-
ringe zu ſchaͤtzen. Ihnen alſo mehr Leben und
Staͤrke in unſrer Seele zu geben, muͤſſen ſie durch
den Ausdruck erhoͤht, geſchaͤrft, verfeinert wer-
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