gen, viele unläugbare Facta der folgenden Zei- ten, viele fortdauernde Spuren der ältesten Pe- riode hängen auf gewisse Weise mit den Fabeln der Dichter zusammen, und scheinen dieselben voraus- zusetzen. Zwischen der wirklichen und der mytho- logischen Geschichte war doch ein gewisses Band, das, wenn es nicht der letztern die Glaubwürdig- keit erwarb, ihr wenigstens mehr Interesse gab, und sie ungefähr zu eben dem machte, was un- sere Hypothesen in der Naturlehre sind, zu Vor- aussetzungen, aus denen sich Umstände und Be- gebenheiten, die wirklich erfolgt sind, erklären las- sen. Die Dichtkunst scheint sich bey allen Völ- kern, die ihre Ausbildung nicht von andern be- kommen haben, ihre Götter und Helden und die ehrwürdigsten Zeiten ihres höchsten Alterthums zugeeignet zu haben. Wie Homer und Sopho- kles auf den trojanischen Krieg, so kömmt David immer auf die Ausführung aus Aegypten und den Untergang der Aegypter zurück.
Nothwendig aber mußte das, was wir zu unsern Zeiten als die Absicht der Dichtkunst anse-
M 3
der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
gen, viele unlaͤugbare Facta der folgenden Zei- ten, viele fortdauernde Spuren der aͤlteſten Pe- riode haͤngen auf gewiſſe Weiſe mit den Fabeln der Dichter zuſammen, und ſcheinen dieſelben voraus- zuſetzen. Zwiſchen der wirklichen und der mytho- logiſchen Geſchichte war doch ein gewiſſes Band, das, wenn es nicht der letztern die Glaubwuͤrdig- keit erwarb, ihr wenigſtens mehr Intereſſe gab, und ſie ungefaͤhr zu eben dem machte, was un- ſere Hypotheſen in der Naturlehre ſind, zu Vor- ausſetzungen, aus denen ſich Umſtaͤnde und Be- gebenheiten, die wirklich erfolgt ſind, erklaͤren laſ- ſen. Die Dichtkunſt ſcheint ſich bey allen Voͤl- kern, die ihre Ausbildung nicht von andern be- kommen haben, ihre Goͤtter und Helden und die ehrwuͤrdigſten Zeiten ihres hoͤchſten Alterthums zugeeignet zu haben. Wie Homer und Sopho- kles auf den trojaniſchen Krieg, ſo koͤmmt David immer auf die Ausfuͤhrung aus Aegypten und den Untergang der Aegypter zuruͤck.
Nothwendig aber mußte das, was wir zu unſern Zeiten als die Abſicht der Dichtkunſt anſe-
M 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0187"n="181"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.</hi></fw><lb/>
gen, viele unlaͤugbare Facta der folgenden Zei-<lb/>
ten, viele fortdauernde Spuren der aͤlteſten Pe-<lb/>
riode haͤngen auf gewiſſe Weiſe mit den Fabeln der<lb/>
Dichter zuſammen, und ſcheinen dieſelben voraus-<lb/>
zuſetzen. Zwiſchen der wirklichen und der mytho-<lb/>
logiſchen Geſchichte war doch ein gewiſſes Band,<lb/>
das, wenn es nicht der letztern die Glaubwuͤrdig-<lb/>
keit erwarb, ihr wenigſtens mehr Intereſſe gab,<lb/>
und ſie ungefaͤhr zu eben dem machte, was un-<lb/>ſere Hypotheſen in der Naturlehre ſind, zu Vor-<lb/>
ausſetzungen, aus denen ſich Umſtaͤnde und Be-<lb/>
gebenheiten, die wirklich erfolgt ſind, erklaͤren laſ-<lb/>ſen. Die Dichtkunſt ſcheint ſich bey allen Voͤl-<lb/>
kern, die ihre Ausbildung nicht von andern be-<lb/>
kommen haben, ihre Goͤtter und Helden und die<lb/>
ehrwuͤrdigſten Zeiten ihres hoͤchſten Alterthums<lb/>
zugeeignet zu haben. Wie Homer und Sopho-<lb/>
kles auf den trojaniſchen Krieg, ſo koͤmmt David<lb/>
immer auf die Ausfuͤhrung aus Aegypten und den<lb/>
Untergang der Aegypter zuruͤck.</p><lb/><p>Nothwendig aber mußte das, was wir zu<lb/>
unſern Zeiten als die Abſicht der Dichtkunſt anſe-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M 3</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[181/0187]
der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
gen, viele unlaͤugbare Facta der folgenden Zei-
ten, viele fortdauernde Spuren der aͤlteſten Pe-
riode haͤngen auf gewiſſe Weiſe mit den Fabeln der
Dichter zuſammen, und ſcheinen dieſelben voraus-
zuſetzen. Zwiſchen der wirklichen und der mytho-
logiſchen Geſchichte war doch ein gewiſſes Band,
das, wenn es nicht der letztern die Glaubwuͤrdig-
keit erwarb, ihr wenigſtens mehr Intereſſe gab,
und ſie ungefaͤhr zu eben dem machte, was un-
ſere Hypotheſen in der Naturlehre ſind, zu Vor-
ausſetzungen, aus denen ſich Umſtaͤnde und Be-
gebenheiten, die wirklich erfolgt ſind, erklaͤren laſ-
ſen. Die Dichtkunſt ſcheint ſich bey allen Voͤl-
kern, die ihre Ausbildung nicht von andern be-
kommen haben, ihre Goͤtter und Helden und die
ehrwuͤrdigſten Zeiten ihres hoͤchſten Alterthums
zugeeignet zu haben. Wie Homer und Sopho-
kles auf den trojaniſchen Krieg, ſo koͤmmt David
immer auf die Ausfuͤhrung aus Aegypten und den
Untergang der Aegypter zuruͤck.
Nothwendig aber mußte das, was wir zu
unſern Zeiten als die Abſicht der Dichtkunſt anſe-
M 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/187>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.