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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Verschiedenheiten in den Werken
Gegenwart des Objekts oder durch eine Metapher
klar werden können; diese Verwandlung heißen
wir Erklären. Wir werden also den Ursprung
unsrer abstrakten Ideen aus den sinnlichen weni-
ger gewahr, weil wir erst nach einer Succeßion
von andern abstrakten Ideen darauf zurückkom-
men, und gemeiniglich diese Kette nicht bis so weit
fortführen. In der ältesten Sprache war dieser
Ursprung gleich unmittelbar bey jedem Worte
sichtbar. Ein Bild für das Auge oder Ohr war
das nächste Glied, an welches der allgemeine Be-
griff geknüpft war.

Drittens. Die älteste Sprache ist maleri-
scher, als die unsrige; malerischer in einer doppel-
ten Bedeutung. Erstlich: weil sie noch weniger
zusammengesezte Ideen ausdrückte, so hatte sie
auch noch weniger abgeleitete, und mehr Stamm-
wörter; diese Stammwörter, je näher sie ihrem
Ursprunge sind, je weniger sie noch an den ersten
Tönen geändert haben, die die Menschen bey Er-
blickung eines gewissen Gegenstandes ausstießen,
und die sie nachher brauchten, um ihn andern

Verſchiedenheiten in den Werken
Gegenwart des Objekts oder durch eine Metapher
klar werden koͤnnen; dieſe Verwandlung heißen
wir Erklaͤren. Wir werden alſo den Urſprung
unſrer abſtrakten Ideen aus den ſinnlichen weni-
ger gewahr, weil wir erſt nach einer Succeßion
von andern abſtrakten Ideen darauf zuruͤckkom-
men, und gemeiniglich dieſe Kette nicht bis ſo weit
fortfuͤhren. In der aͤlteſten Sprache war dieſer
Urſprung gleich unmittelbar bey jedem Worte
ſichtbar. Ein Bild fuͤr das Auge oder Ohr war
das naͤchſte Glied, an welches der allgemeine Be-
griff geknuͤpft war.

Drittens. Die aͤlteſte Sprache iſt maleri-
ſcher, als die unſrige; maleriſcher in einer doppel-
ten Bedeutung. Erſtlich: weil ſie noch weniger
zuſammengeſezte Ideen ausdruͤckte, ſo hatte ſie
auch noch weniger abgeleitete, und mehr Stamm-
woͤrter; dieſe Stammwoͤrter, je naͤher ſie ihrem
Urſprunge ſind, je weniger ſie noch an den erſten
Toͤnen geaͤndert haben, die die Menſchen bey Er-
blickung eines gewiſſen Gegenſtandes ausſtießen,
und die ſie nachher brauchten, um ihn andern

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[148/0154] Verſchiedenheiten in den Werken Gegenwart des Objekts oder durch eine Metapher klar werden koͤnnen; dieſe Verwandlung heißen wir Erklaͤren. Wir werden alſo den Urſprung unſrer abſtrakten Ideen aus den ſinnlichen weni- ger gewahr, weil wir erſt nach einer Succeßion von andern abſtrakten Ideen darauf zuruͤckkom- men, und gemeiniglich dieſe Kette nicht bis ſo weit fortfuͤhren. In der aͤlteſten Sprache war dieſer Urſprung gleich unmittelbar bey jedem Worte ſichtbar. Ein Bild fuͤr das Auge oder Ohr war das naͤchſte Glied, an welches der allgemeine Be- griff geknuͤpft war. Drittens. Die aͤlteſte Sprache iſt maleri- ſcher, als die unſrige; maleriſcher in einer doppel- ten Bedeutung. Erſtlich: weil ſie noch weniger zuſammengeſezte Ideen ausdruͤckte, ſo hatte ſie auch noch weniger abgeleitete, und mehr Stamm- woͤrter; dieſe Stammwoͤrter, je naͤher ſie ihrem Urſprunge ſind, je weniger ſie noch an den erſten Toͤnen geaͤndert haben, die die Menſchen bey Er- blickung eines gewiſſen Gegenſtandes ausſtießen, und die ſie nachher brauchten, um ihn andern

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/154>, abgerufen am 24.11.2024.