Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.der ältesten und neuern Schriftsteller. der weder geliebt noch hochgeschätzt werden kön-nen. Dieß alles fällt in den ersten Zeiten weg. Erziehung und Sitten, und Kenntnisse und Spra- che sind noch unter die verschiedenen Stände ei- nes Staats gleich ausgetheilt. Nichts ist durch Verabredung unedel und verächtlich worden. Je- des Ding, jedes Wort, macht noch den Eindruck, den es vermöge seiner Natur oder seiner Bedeu- tung zu machen im Stande ist; nicht den, wel- chen es bloß von Gelegenheiten und Umständen erborgt. -- Also liegt in der That das Gemälde menschlicher Handlungen und Leidenschaften dem Beobachter mehr und in einem größern Umfange vor Augen. Unsere Schauspiele, unsere Romanen, warum J
der aͤlteſten und neuern Schriftſteller. der weder geliebt noch hochgeſchaͤtzt werden koͤn-nen. Dieß alles faͤllt in den erſten Zeiten weg. Erziehung und Sitten, und Kenntniſſe und Spra- che ſind noch unter die verſchiedenen Staͤnde ei- nes Staats gleich ausgetheilt. Nichts iſt durch Verabredung unedel und veraͤchtlich worden. Je- des Ding, jedes Wort, macht noch den Eindruck, den es vermoͤge ſeiner Natur oder ſeiner Bedeu- tung zu machen im Stande iſt; nicht den, wel- chen es bloß von Gelegenheiten und Umſtaͤnden erborgt. — Alſo liegt in der That das Gemaͤlde menſchlicher Handlungen und Leidenſchaften dem Beobachter mehr und in einem groͤßern Umfange vor Augen. Unſere Schauſpiele, unſere Romanen, warum J
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0135" n="129"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.</hi></fw><lb/> der weder geliebt noch hochgeſchaͤtzt werden koͤn-<lb/> nen. Dieß alles faͤllt in den erſten Zeiten weg.<lb/> Erziehung und Sitten, und Kenntniſſe und Spra-<lb/> che ſind noch unter die verſchiedenen Staͤnde ei-<lb/> nes Staats gleich ausgetheilt. Nichts iſt durch<lb/> Verabredung unedel und veraͤchtlich worden. Je-<lb/> des Ding, jedes Wort, macht noch den Eindruck,<lb/> den es vermoͤge ſeiner Natur oder ſeiner Bedeu-<lb/> tung zu machen im Stande iſt; nicht den, wel-<lb/> chen es bloß von Gelegenheiten und Umſtaͤnden<lb/> erborgt. — Alſo liegt in der That das Gemaͤlde<lb/> menſchlicher Handlungen und Leidenſchaften dem<lb/> Beobachter mehr und in einem groͤßern Umfange<lb/> vor Augen.</p><lb/> <p>Unſere Schauſpiele, unſere Romanen, warum<lb/> ſind ſie uns izt ſo reizend, oder vielmehr ſo noth-<lb/> wendig geworden? Zum Theil deswegen, weil ſie<lb/> uns in die menſchliche Geſellſchaft wieder verſetzen,<lb/> von der wir gewiſſermaßen ausgeſchloſſen ſind;<lb/> weil ſie uns Menſchen von allerley Staͤnden, und<lb/> in weit wichtigern Auftritten ihres Lebens han-<lb/> delnd und redend zeigen, als wir ſelbſt zu ſehen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">J</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [129/0135]
der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
der weder geliebt noch hochgeſchaͤtzt werden koͤn-
nen. Dieß alles faͤllt in den erſten Zeiten weg.
Erziehung und Sitten, und Kenntniſſe und Spra-
che ſind noch unter die verſchiedenen Staͤnde ei-
nes Staats gleich ausgetheilt. Nichts iſt durch
Verabredung unedel und veraͤchtlich worden. Je-
des Ding, jedes Wort, macht noch den Eindruck,
den es vermoͤge ſeiner Natur oder ſeiner Bedeu-
tung zu machen im Stande iſt; nicht den, wel-
chen es bloß von Gelegenheiten und Umſtaͤnden
erborgt. — Alſo liegt in der That das Gemaͤlde
menſchlicher Handlungen und Leidenſchaften dem
Beobachter mehr und in einem groͤßern Umfange
vor Augen.
Unſere Schauſpiele, unſere Romanen, warum
ſind ſie uns izt ſo reizend, oder vielmehr ſo noth-
wendig geworden? Zum Theil deswegen, weil ſie
uns in die menſchliche Geſellſchaft wieder verſetzen,
von der wir gewiſſermaßen ausgeſchloſſen ſind;
weil ſie uns Menſchen von allerley Staͤnden, und
in weit wichtigern Auftritten ihres Lebens han-
delnd und redend zeigen, als wir ſelbſt zu ſehen
J
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |