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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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der ältesten und neuern Schriftsteller.
sezt er hinzu, messen sie niemals in ihren Gedan-
ken ab, wie viel sie schon gethan haben; da hin-
gegen bey den Erwachsenen die Ermüdung bey-
nahe öfter aus dem Ueberdenken und der Erinne-
rung der Arbeit, als aus dem Gefühle der Kraft-
losigkeit entsteht. -- Anmerkungen von der Art,
welche dieser Schriftsteller oft macht, wenn er
für sich selbst denkt, erregen den Wunsch, daß er
weniger Fleiß auf die Wiederholung und Berich-
tigung der Ideen seiner Vorgänger gewandt
hätte.

Die Erfahrung, welche in dieser Anmerkung
ausgedrückt ist, stimmt mit einer andern vollkom-
men überein, die der erwachsene Mann bey sich
selbst, und eben deswegen vielleicht mit mehr Zu-
verläßigkeit machen kann. Welche Arbeiten des
Geistes gerathen wohl in irgend einer Art besser,
als diejenigen, bey welchen man sich am wenig-
sten ängstlich bemüht, sie vortreflich zu machen?
Welche unserer Begriffe sind wohl die reichsten,
lebhaftesten, in der Entwickelung am fruchtbar-
sten? Die, welche ein freywilliges Nachdenken

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der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
ſezt er hinzu, meſſen ſie niemals in ihren Gedan-
ken ab, wie viel ſie ſchon gethan haben; da hin-
gegen bey den Erwachſenen die Ermuͤdung bey-
nahe oͤfter aus dem Ueberdenken und der Erinne-
rung der Arbeit, als aus dem Gefuͤhle der Kraft-
loſigkeit entſteht. — Anmerkungen von der Art,
welche dieſer Schriftſteller oft macht, wenn er
fuͤr ſich ſelbſt denkt, erregen den Wunſch, daß er
weniger Fleiß auf die Wiederholung und Berich-
tigung der Ideen ſeiner Vorgaͤnger gewandt
haͤtte.

Die Erfahrung, welche in dieſer Anmerkung
ausgedruͤckt iſt, ſtimmt mit einer andern vollkom-
men uͤberein, die der erwachſene Mann bey ſich
ſelbſt, und eben deswegen vielleicht mit mehr Zu-
verlaͤßigkeit machen kann. Welche Arbeiten des
Geiſtes gerathen wohl in irgend einer Art beſſer,
als diejenigen, bey welchen man ſich am wenig-
ſten aͤngſtlich bemuͤht, ſie vortreflich zu machen?
Welche unſerer Begriffe ſind wohl die reichſten,
lebhafteſten, in der Entwickelung am fruchtbar-
ſten? Die, welche ein freywilliges Nachdenken

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[117/0123] der aͤlteſten und neuern Schriftſteller. ſezt er hinzu, meſſen ſie niemals in ihren Gedan- ken ab, wie viel ſie ſchon gethan haben; da hin- gegen bey den Erwachſenen die Ermuͤdung bey- nahe oͤfter aus dem Ueberdenken und der Erinne- rung der Arbeit, als aus dem Gefuͤhle der Kraft- loſigkeit entſteht. — Anmerkungen von der Art, welche dieſer Schriftſteller oft macht, wenn er fuͤr ſich ſelbſt denkt, erregen den Wunſch, daß er weniger Fleiß auf die Wiederholung und Berich- tigung der Ideen ſeiner Vorgaͤnger gewandt haͤtte. Die Erfahrung, welche in dieſer Anmerkung ausgedruͤckt iſt, ſtimmt mit einer andern vollkom- men uͤberein, die der erwachſene Mann bey ſich ſelbſt, und eben deswegen vielleicht mit mehr Zu- verlaͤßigkeit machen kann. Welche Arbeiten des Geiſtes gerathen wohl in irgend einer Art beſſer, als diejenigen, bey welchen man ſich am wenig- ſten aͤngſtlich bemuͤht, ſie vortreflich zu machen? Welche unſerer Begriffe ſind wohl die reichſten, lebhafteſten, in der Entwickelung am fruchtbar- ſten? Die, welche ein freywilliges Nachdenken H 3

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/123>, abgerufen am 23.11.2024.