derung erkennen. Wir nehmen an den erzählten Begebenheiten andrer Theil, wenn diese wahrschein- lich, anschauend, deutlich und erheblich sind; jenes, um uns leicht in die Stelle der handelnden Personen versetzen zu können; dieses, um in dieser Stelle einen merklichen Einfluß der Begebenheiten auf uns gewahr zu werden.
In einigen Werken des Genies sind alle diese Arten von Interesse vereiniget, als, zum Beyspiele, im Drama; fast in allen sind einige derselben ver- mischt. Ueberhaupt aber gehört zu dieser Theilneh- mung eben so wohl eine Empfänglichkeit von Sei- ten des Zuhörers, als ein Grad von Wirksamkeit von Seiten des Redners oder Dichters. Diejeni- gen Gegenstände interessiren allgemein, die, um an sich und nach ihrer Brauchbarkeit verstanden zu wer- den, keine andern Fähigkeiten und Kenntnisse erfo- dern, als die allen wohlerzogenen Menschen gemein sind. Diejenigen interessiren nur eine gewisse Klasse, die Erfahrungen oder Neigungen einer besondern Art voraussetzen.
Vorrede.
derung erkennen. Wir nehmen an den erzaͤhlten Begebenheiten andrer Theil, wenn dieſe wahrſchein- lich, anſchauend, deutlich und erheblich ſind; jenes, um uns leicht in die Stelle der handelnden Perſonen verſetzen zu koͤnnen; dieſes, um in dieſer Stelle einen merklichen Einfluß der Begebenheiten auf uns gewahr zu werden.
In einigen Werken des Genies ſind alle dieſe Arten von Intereſſe vereiniget, als, zum Beyſpiele, im Drama; faſt in allen ſind einige derſelben ver- miſcht. Ueberhaupt aber gehoͤrt zu dieſer Theilneh- mung eben ſo wohl eine Empfaͤnglichkeit von Sei- ten des Zuhoͤrers, als ein Grad von Wirkſamkeit von Seiten des Redners oder Dichters. Diejeni- gen Gegenſtaͤnde intereſſiren allgemein, die, um an ſich und nach ihrer Brauchbarkeit verſtanden zu wer- den, keine andern Faͤhigkeiten und Kenntniſſe erfo- dern, als die allen wohlerzogenen Menſchen gemein ſind. Diejenigen intereſſiren nur eine gewiſſe Klaſſe, die Erfahrungen oder Neigungen einer beſondern Art vorausſetzen.
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[6/0012]
Vorrede.
derung erkennen. Wir nehmen an den erzaͤhlten
Begebenheiten andrer Theil, wenn dieſe wahrſchein-
lich, anſchauend, deutlich und erheblich ſind; jenes,
um uns leicht in die Stelle der handelnden Perſonen
verſetzen zu koͤnnen; dieſes, um in dieſer Stelle einen
merklichen Einfluß der Begebenheiten auf uns gewahr
zu werden.
In einigen Werken des Genies ſind alle dieſe
Arten von Intereſſe vereiniget, als, zum Beyſpiele,
im Drama; faſt in allen ſind einige derſelben ver-
miſcht. Ueberhaupt aber gehoͤrt zu dieſer Theilneh-
mung eben ſo wohl eine Empfaͤnglichkeit von Sei-
ten des Zuhoͤrers, als ein Grad von Wirkſamkeit
von Seiten des Redners oder Dichters. Diejeni-
gen Gegenſtaͤnde intereſſiren allgemein, die, um an
ſich und nach ihrer Brauchbarkeit verſtanden zu wer-
den, keine andern Faͤhigkeiten und Kenntniſſe erfo-
dern, als die allen wohlerzogenen Menſchen gemein
ſind. Diejenigen intereſſiren nur eine gewiſſe Klaſſe,
die Erfahrungen oder Neigungen einer beſondern
Art vorausſetzen.
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/12>, abgerufen am 21.11.2024.
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