Ueber die Seide, ihre Eigenschaften, und ihr chemisches Verhalten s. Teil I, § 6.
Substantives Seidenfärben. Die Seide besitzt in noch höherem Maße, als die Wolle, große Verwandtschaft zu einer Anzahl direkt färbender Stoffe, welcher Umstand noch dadurch erhöht wird, daß der hohe Wert der Seide auch die Verwendung solcher Farbstoffe gestattet, welche zur Ver- wendung in der Wollenfärberei zu teuer sein würden. Durchschnittlich sind alle neutralfärbenden Wollfarbstoffe (§ 41) auch zum Färben von Seide ver- wendbar, nur wird deren Zahl hier eine weit höhere. Das Färben der Seide mit substantiven Farben ist womöglich (infolge der größeren Anziehungs- kraft der Seide) noch einfacher, als bei der Wolle: Lösen des Farb- stoffes im Färbebade, Eingehen mit der Seide in das kalte, d. h. nicht angewärmte Färbebad, und langsames Anwärmen des Bades unter vorsichtigem Zugeben kleinerer Mengen weiteren Farbstoffes unter beständigem Umziehen der Ware. In vielen Fällen genügt schon ein Anwärmen des Bades auf 40 bis 50° R., nur selten steigert man die Temperatur auf 60 bis 70°; ein Treiben bis zum Kochen kommt nur in ganz vereinzelten Fällen vor. Ein durchschnittlicher Normalprozentsatz des zum Färben nötigen Farbstoffes läßt sich nicht an- geben, da die Seide oft mit nur verschwindend kleinen Mengen Farbstoff ge- färbt wird, um ihr ein leuchtendes Weiß mit rosafarbenem oder bläulichem Schimmer zu geben.
Ehe die Seide in Arbeit genommen wird, muß sie unterbunden werden. Zu diesem Zweck wird jeder Strähn oder Strang mit einem Baumwoll- faden kreuzweis unterbunden, und ein bestimmtes Quantum ( 1/8 bis 1/2 kg) zu einem Ganzen (Handvoll, Docke) vereinigt. Zweck des Unterbindens ist, die Seide nach jedem Bade breit legen zu können, so daß dieselbe stets gleichmäßig und glatt bleibt und ein Zerreißen nicht so leicht stattfinden kann.
Bedingung beim Färben der Seide ist ein kalkfreies Wasser und eine durch fleißiges Spülen von Säure- oder Seifengehalt befreite Ware, sodann aber eine besonders noble und zarte Behandlung beim Färben. Zu dem Zweck bringt man die Seide schlicht und breit auf Stöcke von glattem hartem Holz; man vereinigt auf einem solchen Stock je nach der Form der zum Färben benutzten Gefäße 2 oder 4 Hände voll Seide. Man taucht vor- sichtig in die Farbbäder ein und zieht dann rasch um, wozu man sich eines zweiten ähnlichen Stockes bedient, welcher vorn mit einem Knopf versehen ist. Zum Umziehen steckt man den zweiten Stock etwas schräg, direkt den Lauf des Farbstockes verfolgend, unter die Seide, bis der Knopf an der andern Seite sichtbar wird, zieht die Seide ihrer ganzen Länge nach um und läßt sie leise wieder in die Flotte zurückfallen; ist die Seide so umgezogen, so hebt man Stock für Stock auf und läßt sie an einer anderen Stelle des Behälters leise einfallen. Beim Umziehen oder Umsetzen ist darauf zu achten, daß ein Wollig- oder Rauhwerden nicht eintrete; tritt dieser Fall einmal
2. Seidenfärberei.
§. 53. Die Färbemethoden.
Ueber die Seide, ihre Eigenſchaften, und ihr chemiſches Verhalten ſ. Teil I, § 6.
Subſtantives Seidenfärben. Die Seide beſitzt in noch höherem Maße, als die Wolle, große Verwandtſchaft zu einer Anzahl direkt färbender Stoffe, welcher Umſtand noch dadurch erhöht wird, daß der hohe Wert der Seide auch die Verwendung ſolcher Farbſtoffe geſtattet, welche zur Ver- wendung in der Wollenfärberei zu teuer ſein würden. Durchſchnittlich ſind alle neutralfärbenden Wollfarbſtoffe (§ 41) auch zum Färben von Seide ver- wendbar, nur wird deren Zahl hier eine weit höhere. Das Färben der Seide mit ſubſtantiven Farben iſt womöglich (infolge der größeren Anziehungs- kraft der Seide) noch einfacher, als bei der Wolle: Löſen des Farb- ſtoffes im Färbebade, Eingehen mit der Seide in das kalte, d. h. nicht angewärmte Färbebad, und langſames Anwärmen des Bades unter vorſichtigem Zugeben kleinerer Mengen weiteren Farbſtoffes unter beſtändigem Umziehen der Ware. In vielen Fällen genügt ſchon ein Anwärmen des Bades auf 40 bis 50° R., nur ſelten ſteigert man die Temperatur auf 60 bis 70°; ein Treiben bis zum Kochen kommt nur in ganz vereinzelten Fällen vor. Ein durchſchnittlicher Normalprozentſatz des zum Färben nötigen Farbſtoffes läßt ſich nicht an- geben, da die Seide oft mit nur verſchwindend kleinen Mengen Farbſtoff ge- färbt wird, um ihr ein leuchtendes Weiß mit roſafarbenem oder bläulichem Schimmer zu geben.
Ehe die Seide in Arbeit genommen wird, muß ſie unterbunden werden. Zu dieſem Zweck wird jeder Strähn oder Strang mit einem Baumwoll- faden kreuzweis unterbunden, und ein beſtimmtes Quantum (⅛ bis ½ kg) zu einem Ganzen (Handvoll, Docke) vereinigt. Zweck des Unterbindens iſt, die Seide nach jedem Bade breit legen zu können, ſo daß dieſelbe ſtets gleichmäßig und glatt bleibt und ein Zerreißen nicht ſo leicht ſtattfinden kann.
Bedingung beim Färben der Seide iſt ein kalkfreies Waſſer und eine durch fleißiges Spülen von Säure- oder Seifengehalt befreite Ware, ſodann aber eine beſonders noble und zarte Behandlung beim Färben. Zu dem Zweck bringt man die Seide ſchlicht und breit auf Stöcke von glattem hartem Holz; man vereinigt auf einem ſolchen Stock je nach der Form der zum Färben benutzten Gefäße 2 oder 4 Hände voll Seide. Man taucht vor- ſichtig in die Farbbäder ein und zieht dann raſch um, wozu man ſich eines zweiten ähnlichen Stockes bedient, welcher vorn mit einem Knopf verſehen iſt. Zum Umziehen ſteckt man den zweiten Stock etwas ſchräg, direkt den Lauf des Farbſtockes verfolgend, unter die Seide, bis der Knopf an der andern Seite ſichtbar wird, zieht die Seide ihrer ganzen Länge nach um und läßt ſie leiſe wieder in die Flotte zurückfallen; iſt die Seide ſo umgezogen, ſo hebt man Stock für Stock auf und läßt ſie an einer anderen Stelle des Behälters leiſe einfallen. Beim Umziehen oder Umſetzen iſt darauf zu achten, daß ein Wollig- oder Rauhwerden nicht eintrete; tritt dieſer Fall einmal
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2. Seidenfärberei.
§. 53. Die Färbemethoden.
Ueber die Seide, ihre Eigenſchaften, und ihr chemiſches Verhalten ſ.
Teil I, § 6.
Subſtantives Seidenfärben. Die Seide beſitzt in noch höherem
Maße, als die Wolle, große Verwandtſchaft zu einer Anzahl direkt färbender
Stoffe, welcher Umſtand noch dadurch erhöht wird, daß der hohe Wert der
Seide auch die Verwendung ſolcher Farbſtoffe geſtattet, welche zur Ver-
wendung in der Wollenfärberei zu teuer ſein würden. Durchſchnittlich ſind
alle neutralfärbenden Wollfarbſtoffe (§ 41) auch zum Färben von Seide ver-
wendbar, nur wird deren Zahl hier eine weit höhere. Das Färben der
Seide mit ſubſtantiven Farben iſt womöglich (infolge der größeren Anziehungs-
kraft der Seide) noch einfacher, als bei der Wolle: Löſen des Farb-
ſtoffes im Färbebade, Eingehen mit der Seide in das kalte,
d. h. nicht angewärmte Färbebad, und langſames Anwärmen des
Bades unter vorſichtigem Zugeben kleinerer Mengen weiteren
Farbſtoffes unter beſtändigem Umziehen der Ware. In vielen
Fällen genügt ſchon ein Anwärmen des Bades auf 40 bis 50° R., nur
ſelten ſteigert man die Temperatur auf 60 bis 70°; ein Treiben bis zum
Kochen kommt nur in ganz vereinzelten Fällen vor. Ein durchſchnittlicher
Normalprozentſatz des zum Färben nötigen Farbſtoffes läßt ſich nicht an-
geben, da die Seide oft mit nur verſchwindend kleinen Mengen Farbſtoff ge-
färbt wird, um ihr ein leuchtendes Weiß mit roſafarbenem oder bläulichem
Schimmer zu geben.
Ehe die Seide in Arbeit genommen wird, muß ſie unterbunden werden.
Zu dieſem Zweck wird jeder Strähn oder Strang mit einem Baumwoll-
faden kreuzweis unterbunden, und ein beſtimmtes Quantum (⅛ bis ½ kg)
zu einem Ganzen (Handvoll, Docke) vereinigt. Zweck des Unterbindens iſt,
die Seide nach jedem Bade breit legen zu können, ſo daß dieſelbe ſtets
gleichmäßig und glatt bleibt und ein Zerreißen nicht ſo leicht ſtattfinden kann.
Bedingung beim Färben der Seide iſt ein kalkfreies Waſſer und eine
durch fleißiges Spülen von Säure- oder Seifengehalt befreite Ware, ſodann
aber eine beſonders noble und zarte Behandlung beim Färben. Zu dem
Zweck bringt man die Seide ſchlicht und breit auf Stöcke von glattem hartem
Holz; man vereinigt auf einem ſolchen Stock je nach der Form der zum
Färben benutzten Gefäße 2 oder 4 Hände voll Seide. Man taucht vor-
ſichtig in die Farbbäder ein und zieht dann raſch um, wozu man ſich eines
zweiten ähnlichen Stockes bedient, welcher vorn mit einem Knopf verſehen
iſt. Zum Umziehen ſteckt man den zweiten Stock etwas ſchräg, direkt den
Lauf des Farbſtockes verfolgend, unter die Seide, bis der Knopf an der
andern Seite ſichtbar wird, zieht die Seide ihrer ganzen Länge nach um und
läßt ſie leiſe wieder in die Flotte zurückfallen; iſt die Seide ſo umgezogen,
ſo hebt man Stock für Stock auf und läßt ſie an einer anderen Stelle des
Behälters leiſe einfallen. Beim Umziehen oder Umſetzen iſt darauf zu achten,
daß ein Wollig- oder Rauhwerden nicht eintrete; tritt dieſer Fall einmal
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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/608>, abgerufen am 24.11.2024.
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