Indigos durch Wasserstoff, welcher durch Gärung organischer, fäulnisfähiger Körper in großen Holzkufen (Küpen) erzeugt wird; derartige Küpen werden Gärungsküpen genannt, oder, da zur Erzeugung und Instandhaltung einer Gärung eine anhaltende Temperatur von 35 bis 40° C. (28 bis 32° R.) notwendig ist, auch warme Küpen. Die übrigen Küpen, welche durch Reduktion mittels chemischer Präparate hergestellt werden, und bei denen ein Erwärmen nicht notwendig ist, heißen Präparatküpen oder kalte Küpen. Zu den Gärungsküpen zählen: die Waidküpe, die Sodaküpe, die Pottaschen- küpe; zu den kalten Küpen: Vitriolküpe, Zinkstaubküpe, Hyposulfitküpe.
Man wird bei einer solchen Auswahl leicht vor die Frage gestellt, welche Art Küpen denn eigentlich vorteilhafter sind, kalte oder warme. Ich bin dieser Frage an anderer Stelle*) näher getreten und verweise Diejenigen, welche sich dafür interessieren, auf den betreffenden Artikel. Ein richtiger Wollenfärber wird nichts auf seine warme Küpe kommen lassen; sie ist ihm ein Allerheiligstes; und doch darf nicht verschwiegen werden, daß die Reduk- tion des Indigos in warmen Küpen einen Indigoverlust von gemeinhin nicht unter 13 Prozent, oft aber bis zu 26 Prozent bedeutet, einen Verlust, der unwiederbringlich, unersetzbar ist; durch den Gärungsprozeß geht nämlich die Zersetzung des Indigos tiefer, als wie bis zur bloßen Reduktion; es resul- tieren Indol-Derivate, welche sich nicht wieder in Indigo zurückverwandeln lassen. Dieser Verlust tritt bei ganz normalen Küpen ein, an denen kein äußeres Kennzeichen den Verlust bemerkbar macht; er tritt auf beim regel- rechten Verlauf der Gärung; er wird größer beim unregelmäßigen Verlauf. Die Gärung ist ein chemischer Prozeß, bei dem eine große Menge Faktoren zusammenwirken, ein Prozeß, dessen Kontrollierung kaum durchführbar und selbst von einem mit dem innersten Wesen der Gärungsvorgänge völlig Ver- trauten nur schwer zu regulieren ist. Treten nun bei solchen Küpen fehler- hafte Zustände auf, wie solche durch zu heftige Kohlensäure- und Wasser- stoffgasentwickelung, durch zu weit gehende Zersetzung, durch zu hohes Er- wärmen, durch zu starke Alkalinität, durch ungenügende Beschaffenheit oder durch ein ungenügendes Mengenverhältnis, durch ungenügendes Erwärmen, durch Mangel an freiem Alkali u. dergl. herbeigeführt werden, und ist der Färber nicht im stande, die Ursache zu erkennen und Abhilfe zu schaffen, so kann der Indigoverlust ein vollständiger sein. Daß diese Verhältnisse that- sächlich oft eintreten, dafür spricht die klassische Bezeichnung solcher fehlerhafter Zustände als "Krankheiten der Küpe". Eine Küpe kann niemals krank sein oder krank werden; tritt eine dieser "Krankheiten" ein, so ist wahrlich die Küpe nicht schuld daran, sondern sie ist von Demjenigen, der die Aufsicht über sie hat, sich selbst überlassen oder vernachlässigt worden. Derartige Vernachlässigungen entspringen meist der Unkenntnis des Beaufsichtigenden mit den eigentlichen Vorgängen der fauligen Gärung; selbst die vielgepriesene Erfahrung reicht hier nicht in allen Fällen zu; es treten Erscheinungen so abweichender und so merkwürdiger Natur auf, daß oft selbst der Eingeweihte vor einem Rätsel steht. Diese Thatsachen stehen fest, und es wäre gut, wenn die Verfechter der warmen Küpen nicht immer noch versuchen wollten, sie abzuleugnen. Ich kann daher nicht umhin, die Gärungsküpen als dem heutigen Stande der Wissenschaft nicht mehr ent-
*) Neueste Erfindungen und Erfahrungen 1888, Heft 5, S. 193--195.
Indigos durch Waſſerſtoff, welcher durch Gärung organiſcher, fäulnisfähiger Körper in großen Holzkufen (Küpen) erzeugt wird; derartige Küpen werden Gärungsküpen genannt, oder, da zur Erzeugung und Inſtandhaltung einer Gärung eine anhaltende Temperatur von 35 bis 40° C. (28 bis 32° R.) notwendig iſt, auch warme Küpen. Die übrigen Küpen, welche durch Reduktion mittels chemiſcher Präparate hergeſtellt werden, und bei denen ein Erwärmen nicht notwendig iſt, heißen Präparatküpen oder kalte Küpen. Zu den Gärungsküpen zählen: die Waidküpe, die Sodaküpe, die Pottaſchen- küpe; zu den kalten Küpen: Vitriolküpe, Zinkſtaubküpe, Hypoſulfitküpe.
Man wird bei einer ſolchen Auswahl leicht vor die Frage geſtellt, welche Art Küpen denn eigentlich vorteilhafter ſind, kalte oder warme. Ich bin dieſer Frage an anderer Stelle*) näher getreten und verweiſe Diejenigen, welche ſich dafür intereſſieren, auf den betreffenden Artikel. Ein richtiger Wollenfärber wird nichts auf ſeine warme Küpe kommen laſſen; ſie iſt ihm ein Allerheiligſtes; und doch darf nicht verſchwiegen werden, daß die Reduk- tion des Indigos in warmen Küpen einen Indigoverluſt von gemeinhin nicht unter 13 Prozent, oft aber bis zu 26 Prozent bedeutet, einen Verluſt, der unwiederbringlich, unerſetzbar iſt; durch den Gärungsprozeß geht nämlich die Zerſetzung des Indigos tiefer, als wie bis zur bloßen Reduktion; es reſul- tieren Indol-Derivate, welche ſich nicht wieder in Indigo zurückverwandeln laſſen. Dieſer Verluſt tritt bei ganz normalen Küpen ein, an denen kein äußeres Kennzeichen den Verluſt bemerkbar macht; er tritt auf beim regel- rechten Verlauf der Gärung; er wird größer beim unregelmäßigen Verlauf. Die Gärung iſt ein chemiſcher Prozeß, bei dem eine große Menge Faktoren zuſammenwirken, ein Prozeß, deſſen Kontrollierung kaum durchführbar und ſelbſt von einem mit dem innerſten Weſen der Gärungsvorgänge völlig Ver- trauten nur ſchwer zu regulieren iſt. Treten nun bei ſolchen Küpen fehler- hafte Zuſtände auf, wie ſolche durch zu heftige Kohlenſäure- und Waſſer- ſtoffgasentwickelung, durch zu weit gehende Zerſetzung, durch zu hohes Er- wärmen, durch zu ſtarke Alkalinität, durch ungenügende Beſchaffenheit oder durch ein ungenügendes Mengenverhältnis, durch ungenügendes Erwärmen, durch Mangel an freiem Alkali u. dergl. herbeigeführt werden, und iſt der Färber nicht im ſtande, die Urſache zu erkennen und Abhilfe zu ſchaffen, ſo kann der Indigoverluſt ein vollſtändiger ſein. Daß dieſe Verhältniſſe that- ſächlich oft eintreten, dafür ſpricht die klaſſiſche Bezeichnung ſolcher fehlerhafter Zuſtände als „Krankheiten der Küpe“. Eine Küpe kann niemals krank ſein oder krank werden; tritt eine dieſer „Krankheiten“ ein, ſo iſt wahrlich die Küpe nicht ſchuld daran, ſondern ſie iſt von Demjenigen, der die Aufſicht über ſie hat, ſich ſelbſt überlaſſen oder vernachläſſigt worden. Derartige Vernachläſſigungen entſpringen meiſt der Unkenntnis des Beaufſichtigenden mit den eigentlichen Vorgängen der fauligen Gärung; ſelbſt die vielgeprieſene Erfahrung reicht hier nicht in allen Fällen zu; es treten Erſcheinungen ſo abweichender und ſo merkwürdiger Natur auf, daß oft ſelbſt der Eingeweihte vor einem Rätſel ſteht. Dieſe Thatſachen ſtehen feſt, und es wäre gut, wenn die Verfechter der warmen Küpen nicht immer noch verſuchen wollten, ſie abzuleugnen. Ich kann daher nicht umhin, die Gärungsküpen als dem heutigen Stande der Wiſſenſchaft nicht mehr ent-
*) Neueſte Erfindungen und Erfahrungen 1888, Heft 5, S. 193—195.
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Indigos durch Waſſerſtoff, welcher durch Gärung organiſcher, fäulnisfähiger
Körper in großen Holzkufen (Küpen) erzeugt wird; derartige Küpen werden
Gärungsküpen genannt, oder, da zur Erzeugung und Inſtandhaltung
einer Gärung eine anhaltende Temperatur von 35 bis 40° C. (28 bis 32° R.)
notwendig iſt, auch warme Küpen. Die übrigen Küpen, welche durch
Reduktion mittels chemiſcher Präparate hergeſtellt werden, und bei denen ein
Erwärmen nicht notwendig iſt, heißen Präparatküpen oder kalte Küpen.
Zu den Gärungsküpen zählen: die Waidküpe, die Sodaküpe, die Pottaſchen-
küpe; zu den kalten Küpen: Vitriolküpe, Zinkſtaubküpe, Hypoſulfitküpe.
Man wird bei einer ſolchen Auswahl leicht vor die Frage geſtellt,
welche Art Küpen denn eigentlich vorteilhafter ſind, kalte oder warme. Ich
bin dieſer Frage an anderer Stelle *) näher getreten und verweiſe Diejenigen,
welche ſich dafür intereſſieren, auf den betreffenden Artikel. Ein richtiger
Wollenfärber wird nichts auf ſeine warme Küpe kommen laſſen; ſie iſt ihm
ein Allerheiligſtes; und doch darf nicht verſchwiegen werden, daß die Reduk-
tion des Indigos in warmen Küpen einen Indigoverluſt von gemeinhin nicht
unter 13 Prozent, oft aber bis zu 26 Prozent bedeutet, einen Verluſt, der
unwiederbringlich, unerſetzbar iſt; durch den Gärungsprozeß geht nämlich die
Zerſetzung des Indigos tiefer, als wie bis zur bloßen Reduktion; es reſul-
tieren Indol-Derivate, welche ſich nicht wieder in Indigo zurückverwandeln
laſſen. Dieſer Verluſt tritt bei ganz normalen Küpen ein, an denen kein
äußeres Kennzeichen den Verluſt bemerkbar macht; er tritt auf beim regel-
rechten Verlauf der Gärung; er wird größer beim unregelmäßigen Verlauf.
Die Gärung iſt ein chemiſcher Prozeß, bei dem eine große Menge Faktoren
zuſammenwirken, ein Prozeß, deſſen Kontrollierung kaum durchführbar und
ſelbſt von einem mit dem innerſten Weſen der Gärungsvorgänge völlig Ver-
trauten nur ſchwer zu regulieren iſt. Treten nun bei ſolchen Küpen fehler-
hafte Zuſtände auf, wie ſolche durch zu heftige Kohlenſäure- und Waſſer-
ſtoffgasentwickelung, durch zu weit gehende Zerſetzung, durch zu hohes Er-
wärmen, durch zu ſtarke Alkalinität, durch ungenügende Beſchaffenheit oder
durch ein ungenügendes Mengenverhältnis, durch ungenügendes Erwärmen,
durch Mangel an freiem Alkali u. dergl. herbeigeführt werden, und iſt der
Färber nicht im ſtande, die Urſache zu erkennen und Abhilfe zu ſchaffen, ſo
kann der Indigoverluſt ein vollſtändiger ſein. Daß dieſe Verhältniſſe that-
ſächlich oft eintreten, dafür ſpricht die klaſſiſche Bezeichnung ſolcher fehlerhafter
Zuſtände als „Krankheiten der Küpe“. Eine Küpe kann niemals krank ſein
oder krank werden; tritt eine dieſer „Krankheiten“ ein, ſo iſt wahrlich
die Küpe nicht ſchuld daran, ſondern ſie iſt von Demjenigen, der
die Aufſicht über ſie hat, ſich ſelbſt überlaſſen oder vernachläſſigt
worden. Derartige Vernachläſſigungen entſpringen meiſt der Unkenntnis
des Beaufſichtigenden mit den eigentlichen Vorgängen der fauligen Gärung;
ſelbſt die vielgeprieſene Erfahrung reicht hier nicht in allen Fällen zu; es
treten Erſcheinungen ſo abweichender und ſo merkwürdiger Natur auf, daß
oft ſelbſt der Eingeweihte vor einem Rätſel ſteht. Dieſe Thatſachen ſtehen
feſt, und es wäre gut, wenn die Verfechter der warmen Küpen nicht immer
noch verſuchen wollten, ſie abzuleugnen. Ich kann daher nicht umhin, die
Gärungsküpen als dem heutigen Stande der Wiſſenſchaft nicht mehr ent-
*) Neueſte Erfindungen und Erfahrungen 1888, Heft 5, S. 193—195.
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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/587>, abgerufen am 22.11.2024.
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