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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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Nach O. N. Witt sind heutzutage wohl an 50 verschiedene Arten
von derartigen Tieren bekannt, welche seidenreiche Cocons liefern, trotzdem
werden nur von einigen wenigen die Cocons besonders verwertet. Am wich-
tigsten ist der Tussurspinner, dessen Cocons drei bis viermal so groß, wie
die des Maulbeerspinners sind. Sie bestehen aus einem unterbrochenen,
1400 m langen Doppelfaden, welcher sich auch leicht abhaspeln läßt, seitdem
man gelernt hat, den Kitt, mit dem der ganze Cocon getränkt ist und der
fast ausschließlich aus saurem harnsaurem Natron besteht, durch alkalische
Flüssigkeiten aufzulösen. In Japan haben wir zunächst den Ailanthusspin-
ner, dann besitzt es auch den merkwürdigsten und für die Zukunft den am
meisten versprechenden, den Yamamai. Er produziert eine apfelgrüne
Seide von großem Glanz, welche so hoch geschätzt wird, daß sie lange Zeit
ausschließlich für den Gebrauch des Mikado reserviert war, und bis vor
kurzem stand in Japan die Todesstrafe auf die Ausfuhr von Yamamaieiern.
In Frankreich pflanzte man große Alleen des Ailanthusbaumes und kulti-
vierte den Ailanthusspinner mit befriedigendem Resultate. Heutzutage wird
auch in Südfrankreich die Kultur des Yamamaispinners versucht, und es
werden gerade auf diesen Spinner Hoffnungen gesetzt. In China zieht man
viel den Eichenspinner Antheraea Perryi; ferner züchtet man dort häufig
den schönsten und größten aller Schmetterlinge, den Attacus atlas. Er
hat einen großen Cocon, der an beiden Enden offen ist und viel Seide
liefert, die als Fazavaseide bekannt ist. In Frankreich hatte man zuerst
viele Schwierigkeiten bei der Verwertung der wilden Seiden, da man die
braune Farbe des Fadens nicht entfernen konnte. Schließlich gelang es
Tessie du Motay, in der Behandlung der Seide mit Wasserstoffsuper-
oxyd einen Weg zu finden, auf dem man eine vollkommen weiße Faser er-
zeugen konnte. Die wilden Seiden zeichnen sich durch große Elastizität
aus; sie eignen sich vorzüglich zu Fellimitationen und Plüschen, zu sog.
Bastkleidern etc.

Seidenbau. Wenn der Färber auch niemals in die Lage kommen
wird, Seidenzüchter zu werden, so möchte doch der verhältnismäßig kurze
Lebenslauf des Tieres bis zur Produktion der Cocons in kurzen Umrissen
geschildert werden.

Der Seidenspinner (Seidenfalter, Seidenschmetterling, Maulbeer-
spinner) legt zuvörderst Eier und zwar legt jedes Weibchen 3 bis 400 Stück.
Diese müssen ausgebrütet werden. Das geschieht im Brutzimmer, einem
auf circa 30° C. erwärmten Zimmer, oder im Brutofen, welcher besonders
in Frankreich gern angewendet wird. In beiden Fällen verteilt man die
Eier auf mit weißem Papier bespannte Holzreifen, und bedeckt dieselben mit
einem Blatt durchlöcherten weißen Papiers, worauf vom achten Tage an
einige Maulbeerblätter gelegt werden. Die Eier haben annähernd die Größe
des Mohnsamens (30 g enthalten durchschnittlich 50000 Stück) und sind
gelblich. Im Brutzimmer oder Brutofen werden sie zunächst weißlich und
vom achten bis zehnten Tage an kriechen die Raupen aus (und zwar
durchschnittlich 75 bis 80 Prozent der Eier), und durch die Löcher im Papier
auf die Maulbeerblätter. Damit beginnt der eigentliche Seidenbau,
d. h. die Zucht der Seidenraupe. Diese geschieht in besonderen Fütterungs-
räumen, Raupereien oder Magnanerien. Die Raupe nährt sich ledig-
lich von Maulbeerblättern (den Blättern von Morus alba), wovon sie im

Nach O. N. Witt ſind heutzutage wohl an 50 verſchiedene Arten
von derartigen Tieren bekannt, welche ſeidenreiche Cocons liefern, trotzdem
werden nur von einigen wenigen die Cocons beſonders verwertet. Am wich-
tigſten iſt der Tuſſurſpinner, deſſen Cocons drei bis viermal ſo groß, wie
die des Maulbeerſpinners ſind. Sie beſtehen aus einem unterbrochenen,
1400 m langen Doppelfaden, welcher ſich auch leicht abhaſpeln läßt, ſeitdem
man gelernt hat, den Kitt, mit dem der ganze Cocon getränkt iſt und der
faſt ausſchließlich aus ſaurem harnſaurem Natron beſteht, durch alkaliſche
Flüſſigkeiten aufzulöſen. In Japan haben wir zunächſt den Ailanthusſpin-
ner, dann beſitzt es auch den merkwürdigſten und für die Zukunft den am
meiſten verſprechenden, den Yamamai. Er produziert eine apfelgrüne
Seide von großem Glanz, welche ſo hoch geſchätzt wird, daß ſie lange Zeit
ausſchließlich für den Gebrauch des Mikado reſerviert war, und bis vor
kurzem ſtand in Japan die Todesſtrafe auf die Ausfuhr von Yamamaieiern.
In Frankreich pflanzte man große Alleen des Ailanthusbaumes und kulti-
vierte den Ailanthusſpinner mit befriedigendem Reſultate. Heutzutage wird
auch in Südfrankreich die Kultur des Yamamaiſpinners verſucht, und es
werden gerade auf dieſen Spinner Hoffnungen geſetzt. In China zieht man
viel den Eichenſpinner Antheraea Perryi; ferner züchtet man dort häufig
den ſchönſten und größten aller Schmetterlinge, den Attacus atlas. Er
hat einen großen Cocon, der an beiden Enden offen iſt und viel Seide
liefert, die als Fazavaſeide bekannt iſt. In Frankreich hatte man zuerſt
viele Schwierigkeiten bei der Verwertung der wilden Seiden, da man die
braune Farbe des Fadens nicht entfernen konnte. Schließlich gelang es
Teſſié du Motay, in der Behandlung der Seide mit Waſſerſtoffſuper-
oxyd einen Weg zu finden, auf dem man eine vollkommen weiße Faſer er-
zeugen konnte. Die wilden Seiden zeichnen ſich durch große Elaſtizität
aus; ſie eignen ſich vorzüglich zu Fellimitationen und Plüſchen, zu ſog.
Baſtkleidern ꝛc.

Seidenbau. Wenn der Färber auch niemals in die Lage kommen
wird, Seidenzüchter zu werden, ſo möchte doch der verhältnismäßig kurze
Lebenslauf des Tieres bis zur Produktion der Cocons in kurzen Umriſſen
geſchildert werden.

Der Seidenſpinner (Seidenfalter, Seidenſchmetterling, Maulbeer-
ſpinner) legt zuvörderſt Eier und zwar legt jedes Weibchen 3 bis 400 Stück.
Dieſe müſſen ausgebrütet werden. Das geſchieht im Brutzimmer, einem
auf circa 30° C. erwärmten Zimmer, oder im Brutofen, welcher beſonders
in Frankreich gern angewendet wird. In beiden Fällen verteilt man die
Eier auf mit weißem Papier beſpannte Holzreifen, und bedeckt dieſelben mit
einem Blatt durchlöcherten weißen Papiers, worauf vom achten Tage an
einige Maulbeerblätter gelegt werden. Die Eier haben annähernd die Größe
des Mohnſamens (30 g enthalten durchſchnittlich 50000 Stück) und ſind
gelblich. Im Brutzimmer oder Brutofen werden ſie zunächſt weißlich und
vom achten bis zehnten Tage an kriechen die Raupen aus (und zwar
durchſchnittlich 75 bis 80 Prozent der Eier), und durch die Löcher im Papier
auf die Maulbeerblätter. Damit beginnt der eigentliche Seidenbau,
d. h. die Zucht der Seidenraupe. Dieſe geſchieht in beſonderen Fütterungs-
räumen, Raupereien oder Magnanerien. Die Raupe nährt ſich ledig-
lich von Maulbeerblättern (den Blättern von Morus alba), wovon ſie im

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[29/0055] Nach O. N. Witt ſind heutzutage wohl an 50 verſchiedene Arten von derartigen Tieren bekannt, welche ſeidenreiche Cocons liefern, trotzdem werden nur von einigen wenigen die Cocons beſonders verwertet. Am wich- tigſten iſt der Tuſſurſpinner, deſſen Cocons drei bis viermal ſo groß, wie die des Maulbeerſpinners ſind. Sie beſtehen aus einem unterbrochenen, 1400 m langen Doppelfaden, welcher ſich auch leicht abhaſpeln läßt, ſeitdem man gelernt hat, den Kitt, mit dem der ganze Cocon getränkt iſt und der faſt ausſchließlich aus ſaurem harnſaurem Natron beſteht, durch alkaliſche Flüſſigkeiten aufzulöſen. In Japan haben wir zunächſt den Ailanthusſpin- ner, dann beſitzt es auch den merkwürdigſten und für die Zukunft den am meiſten verſprechenden, den Yamamai. Er produziert eine apfelgrüne Seide von großem Glanz, welche ſo hoch geſchätzt wird, daß ſie lange Zeit ausſchließlich für den Gebrauch des Mikado reſerviert war, und bis vor kurzem ſtand in Japan die Todesſtrafe auf die Ausfuhr von Yamamaieiern. In Frankreich pflanzte man große Alleen des Ailanthusbaumes und kulti- vierte den Ailanthusſpinner mit befriedigendem Reſultate. Heutzutage wird auch in Südfrankreich die Kultur des Yamamaiſpinners verſucht, und es werden gerade auf dieſen Spinner Hoffnungen geſetzt. In China zieht man viel den Eichenſpinner Antheraea Perryi; ferner züchtet man dort häufig den ſchönſten und größten aller Schmetterlinge, den Attacus atlas. Er hat einen großen Cocon, der an beiden Enden offen iſt und viel Seide liefert, die als Fazavaſeide bekannt iſt. In Frankreich hatte man zuerſt viele Schwierigkeiten bei der Verwertung der wilden Seiden, da man die braune Farbe des Fadens nicht entfernen konnte. Schließlich gelang es Teſſié du Motay, in der Behandlung der Seide mit Waſſerſtoffſuper- oxyd einen Weg zu finden, auf dem man eine vollkommen weiße Faſer er- zeugen konnte. Die wilden Seiden zeichnen ſich durch große Elaſtizität aus; ſie eignen ſich vorzüglich zu Fellimitationen und Plüſchen, zu ſog. Baſtkleidern ꝛc. Seidenbau. Wenn der Färber auch niemals in die Lage kommen wird, Seidenzüchter zu werden, ſo möchte doch der verhältnismäßig kurze Lebenslauf des Tieres bis zur Produktion der Cocons in kurzen Umriſſen geſchildert werden. Der Seidenſpinner (Seidenfalter, Seidenſchmetterling, Maulbeer- ſpinner) legt zuvörderſt Eier und zwar legt jedes Weibchen 3 bis 400 Stück. Dieſe müſſen ausgebrütet werden. Das geſchieht im Brutzimmer, einem auf circa 30° C. erwärmten Zimmer, oder im Brutofen, welcher beſonders in Frankreich gern angewendet wird. In beiden Fällen verteilt man die Eier auf mit weißem Papier beſpannte Holzreifen, und bedeckt dieſelben mit einem Blatt durchlöcherten weißen Papiers, worauf vom achten Tage an einige Maulbeerblätter gelegt werden. Die Eier haben annähernd die Größe des Mohnſamens (30 g enthalten durchſchnittlich 50000 Stück) und ſind gelblich. Im Brutzimmer oder Brutofen werden ſie zunächſt weißlich und vom achten bis zehnten Tage an kriechen die Raupen aus (und zwar durchſchnittlich 75 bis 80 Prozent der Eier), und durch die Löcher im Papier auf die Maulbeerblätter. Damit beginnt der eigentliche Seidenbau, d. h. die Zucht der Seidenraupe. Dieſe geſchieht in beſonderen Fütterungs- räumen, Raupereien oder Magnanerien. Die Raupe nährt ſich ledig- lich von Maulbeerblättern (den Blättern von Morus alba), wovon ſie im

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/55>, abgerufen am 27.11.2024.