ist freilich noch ein weiter Weg. Besonders drei Abschnitte sind es, die sich inzwischen unterscheiden lassen: die Teerdestillation, die Anilin- oder Halb- fabrikatproduktion und die Fabrikation der eigentlichen Farbstoffe.
Die Teerdestillation bezweckt die Gewinnung der Rohprodukte der Anilin- oder Teerfarben durch Destillation aus eisernen Retorten. Es gehen dabei verschiedene Destillationsprodukte über. Der Teer fängt bereits bei 70° C., also noch unter dem Siedepunkt des Wassers, an, Dämpfe abzu- geben, welche in geeigneten Vorlagen aufgefangen werden. Die Temperatur steigt allmählich bis auf 400° C., also noch höher als der Siedepunkt des Quecksilbers. Innerhalb der Temperatur von 70 bis 400° C. gehen drei verschiedene Körper über und zwar findet sich in dem Destillate von 70 bis 180° C. das Rohbenzol, " " " " 180 " 250° C. " Rohnaphtalin, " " " " 250 " 400° C. " Rohanthracen.
Halbfabrikatproduktion. Diese bildet eine eigene Industrie, welche die Reinigung und genauere Trennung vorstehender Rohprodukte aus- führt. Sie zerlegt das Rohbenzol weiter in die reineren Produkte: Benzol, Toluol, Xylol, Cumol, und stellt aus dem rohen Naphtalin und Anthracen die reinen Fabrikate her.
Diese genannten Produkte bilden dann wieder den Ausgangspunkt zur Darstellung weiterer Zwischenprodukte. So wird in eigenen Fabriken ge- wonnen durch Behandeln mit Salpetersäure (Nitrieren): aus Benzol Nitrobenzol " Toluol Nitrotoluol " Xylol Nitroxylol " Naphtalin Nitronaphtalin.
Behandelt man diese Abkömmlinge weiter mit Eisen und Salzsäure, so erhält man aus Nitrobenzol Anilin, " Nitrotoluol Toluidin, " Nitroxylol Xilidin, " Nitronaphtalin Naphtylamin.
Diese Körper sind noch keineswegs Farbstoffe, aber sie bilden den Hauptausgangspunkt zur Herstellung der Stoffe, aus welchen dann endlich die Farbstoffe selbst hergestellt werden. Die Zahl der daraus technisch dar- gestellten Fabrikate ist eine so große, daß sie hier gar nicht alle hergezählt werden können, sie ist so groß, daß man dieselbe einteilt in Klassen, je nach ihrer Herkunft, und zwar in: Benzol-Derivate (d. h. Abkömmlinge des Benzols, Fabrikate, welche sich vom Benzol ableiten, z. B. Nitrobenzol, Anilin, Dimethylanilin); Toluol-Derivate, z. B. Nitrotoluol, Toluidin; Xylol-Derivate; Naphtalin- und Anthracen-Derivate.
Die Farbenfabrikation bildet das letzte Glied in der langen Reihe jener chemischen Prozesse. Diese Fabrikation, welche in den letzten 15 Jahren infolge der Entdeckungen gelehrter Forscher eine ungeahnte Ausdehnung ge- wonnen hat, verlangt zu ihrem Verständnis eine so weitgehende Kenntnis der organischen Chemie, daß eine Beschreibung der einzelnen Operationen ganz zwecklos wäre. Denn nur wenige Leser werden im Besitz der dazu nötigen Vorkenntnisse sein, brauchen es auch gar nicht, denn die Verfahren
iſt freilich noch ein weiter Weg. Beſonders drei Abſchnitte ſind es, die ſich inzwiſchen unterſcheiden laſſen: die Teerdeſtillation, die Anilin- oder Halb- fabrikatproduktion und die Fabrikation der eigentlichen Farbſtoffe.
Die Teerdeſtillation bezweckt die Gewinnung der Rohprodukte der Anilin- oder Teerfarben durch Deſtillation aus eiſernen Retorten. Es gehen dabei verſchiedene Deſtillationsprodukte über. Der Teer fängt bereits bei 70° C., alſo noch unter dem Siedepunkt des Waſſers, an, Dämpfe abzu- geben, welche in geeigneten Vorlagen aufgefangen werden. Die Temperatur ſteigt allmählich bis auf 400° C., alſo noch höher als der Siedepunkt des Queckſilbers. Innerhalb der Temperatur von 70 bis 400° C. gehen drei verſchiedene Körper über und zwar findet ſich in dem Deſtillate von 70 bis 180° C. das Rohbenzol, „ „ „ „ 180 „ 250° C. „ Rohnaphtalin, „ „ „ „ 250 „ 400° C. „ Rohanthracen.
Halbfabrikatproduktion. Dieſe bildet eine eigene Induſtrie, welche die Reinigung und genauere Trennung vorſtehender Rohprodukte aus- führt. Sie zerlegt das Rohbenzol weiter in die reineren Produkte: Benzol, Toluol, Xylol, Cumol, und ſtellt aus dem rohen Naphtalin und Anthracen die reinen Fabrikate her.
Dieſe genannten Produkte bilden dann wieder den Ausgangspunkt zur Darſtellung weiterer Zwiſchenprodukte. So wird in eigenen Fabriken ge- wonnen durch Behandeln mit Salpeterſäure (Nitrieren): aus Benzol Nitrobenzol „ Toluol Nitrotoluol „ Xylol Nitroxylol „ Naphtalin Nitronaphtalin.
Behandelt man dieſe Abkömmlinge weiter mit Eiſen und Salzſäure, ſo erhält man aus Nitrobenzol Anilin, „ Nitrotoluol Toluidin, „ Nitroxylol Xilidin, „ Nitronaphtalin Naphtylamin.
Dieſe Körper ſind noch keineswegs Farbſtoffe, aber ſie bilden den Hauptausgangspunkt zur Herſtellung der Stoffe, aus welchen dann endlich die Farbſtoffe ſelbſt hergeſtellt werden. Die Zahl der daraus techniſch dar- geſtellten Fabrikate iſt eine ſo große, daß ſie hier gar nicht alle hergezählt werden können, ſie iſt ſo groß, daß man dieſelbe einteilt in Klaſſen, je nach ihrer Herkunft, und zwar in: Benzol-Derivate (d. h. Abkömmlinge des Benzols, Fabrikate, welche ſich vom Benzol ableiten, z. B. Nitrobenzol, Anilin, Dimethylanilin); Toluol-Derivate, z. B. Nitrotoluol, Toluidin; Xylol-Derivate; Naphtalin- und Anthracen-Derivate.
Die Farbenfabrikation bildet das letzte Glied in der langen Reihe jener chemiſchen Prozeſſe. Dieſe Fabrikation, welche in den letzten 15 Jahren infolge der Entdeckungen gelehrter Forſcher eine ungeahnte Ausdehnung ge- wonnen hat, verlangt zu ihrem Verſtändnis eine ſo weitgehende Kenntnis der organiſchen Chemie, daß eine Beſchreibung der einzelnen Operationen ganz zwecklos wäre. Denn nur wenige Leſer werden im Beſitz der dazu nötigen Vorkenntniſſe ſein, brauchen es auch gar nicht, denn die Verfahren
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iſt freilich noch ein weiter Weg. Beſonders drei Abſchnitte ſind es, die ſich
inzwiſchen unterſcheiden laſſen: die Teerdeſtillation, die Anilin- oder Halb-
fabrikatproduktion und die Fabrikation der eigentlichen Farbſtoffe.
Die Teerdeſtillation bezweckt die Gewinnung der Rohprodukte der
Anilin- oder Teerfarben durch Deſtillation aus eiſernen Retorten. Es gehen
dabei verſchiedene Deſtillationsprodukte über. Der Teer fängt bereits bei
70° C., alſo noch unter dem Siedepunkt des Waſſers, an, Dämpfe abzu-
geben, welche in geeigneten Vorlagen aufgefangen werden. Die Temperatur
ſteigt allmählich bis auf 400° C., alſo noch höher als der Siedepunkt des
Queckſilbers. Innerhalb der Temperatur von 70 bis 400° C. gehen drei
verſchiedene Körper über und zwar findet ſich
in dem Deſtillate von 70 bis 180° C. das Rohbenzol,
„ „ „ „ 180 „ 250° C. „ Rohnaphtalin,
„ „ „ „ 250 „ 400° C. „ Rohanthracen.
Halbfabrikatproduktion. Dieſe bildet eine eigene Induſtrie,
welche die Reinigung und genauere Trennung vorſtehender Rohprodukte aus-
führt. Sie zerlegt das Rohbenzol weiter in die reineren Produkte: Benzol,
Toluol, Xylol, Cumol, und ſtellt aus dem rohen Naphtalin und
Anthracen die reinen Fabrikate her.
Dieſe genannten Produkte bilden dann wieder den Ausgangspunkt zur
Darſtellung weiterer Zwiſchenprodukte. So wird in eigenen Fabriken ge-
wonnen durch Behandeln mit Salpeterſäure (Nitrieren):
aus Benzol Nitrobenzol
„ Toluol Nitrotoluol
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„ Naphtalin Nitronaphtalin.
Behandelt man dieſe Abkömmlinge weiter mit Eiſen und Salzſäure,
ſo erhält man
aus Nitrobenzol Anilin,
„ Nitrotoluol Toluidin,
„ Nitroxylol Xilidin,
„ Nitronaphtalin Naphtylamin.
Dieſe Körper ſind noch keineswegs Farbſtoffe, aber ſie bilden den
Hauptausgangspunkt zur Herſtellung der Stoffe, aus welchen dann endlich
die Farbſtoffe ſelbſt hergeſtellt werden. Die Zahl der daraus techniſch dar-
geſtellten Fabrikate iſt eine ſo große, daß ſie hier gar nicht alle hergezählt
werden können, ſie iſt ſo groß, daß man dieſelbe einteilt in Klaſſen, je nach
ihrer Herkunft, und zwar in: Benzol-Derivate (d. h. Abkömmlinge des
Benzols, Fabrikate, welche ſich vom Benzol ableiten, z. B. Nitrobenzol,
Anilin, Dimethylanilin); Toluol-Derivate, z. B. Nitrotoluol, Toluidin;
Xylol-Derivate; Naphtalin- und Anthracen-Derivate.
Die Farbenfabrikation bildet das letzte Glied in der langen Reihe
jener chemiſchen Prozeſſe. Dieſe Fabrikation, welche in den letzten 15 Jahren
infolge der Entdeckungen gelehrter Forſcher eine ungeahnte Ausdehnung ge-
wonnen hat, verlangt zu ihrem Verſtändnis eine ſo weitgehende Kenntnis
der organiſchen Chemie, daß eine Beſchreibung der einzelnen Operationen
ganz zwecklos wäre. Denn nur wenige Leſer werden im Beſitz der dazu
nötigen Vorkenntniſſe ſein, brauchen es auch gar nicht, denn die Verfahren
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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/183>, abgerufen am 23.11.2024.
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