Als die Verlagsbuchhandlung B. F. Voigt in Weimar im Juli 1887 mir den ehrenvollen Auftrag erteilte, von dem vormals hochangesehenen Werke "Vitalis, Lehrbuch der gesamten Färberei" eine Neubearbeitung nach dem heutigen Stande der Theorie und Praxis zu schaffen, habe ich mir die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens nicht verhehlt. Wenn ich nichtsdestoweniger den Antrag annahm, so war für mich dabei der Um- stand maßgebend, daß die Literatur über Färbereitechnik ohnehin spärlich gesäet ist und daß vor allem in der letzten Sturm- und Drangperiode seit Entdeckung der Anilinfarben mit Ausnahme von Hummels"The Dyeing of textile fabrics" kein einziges größeres, vor allem kein deutsches Werk über diesen Wissenszweig erschienen war, welches als Lehr- oder Handbuch für das Gesamtgebiet hätte gelten können. Die Literatur der letzten 30 Jahre bewegte sich vorwiegend auf Sondergebieten und auch hier mit einer gewissen Einseitigkeit, denn die fraglichen literarischen Erscheinungen sind nichts anderes als Rezeptbücher, Sammlungen von Färbevorschriften. So anerkennenswert und nützlich das für einzelne, eng begrenzte Zweige der Färberei auch sein mag, so sind solche Bücher doch als Hand- oder Lehrbücher, welche ein übersichtliches Bild des Gesamtgebiets geben sollen, nicht brauchbar. Es bestand somit ein thatsächlicher Mangel an einem Leitfaden oder einem Handbuche der Färberei, so daß Herr Professor Dr.Lunge noch im Oktober 1887 schreiben konnte: "Bei meinen Vorlesungen über Textilfasern, Bleicherei, Färberei, Zeugdruck und
Vorrede.
Als die Verlagsbuchhandlung B. F. Voigt in Weimar im Juli 1887 mir den ehrenvollen Auftrag erteilte, von dem vormals hochangeſehenen Werke „Vitalis, Lehrbuch der geſamten Färberei“ eine Neubearbeitung nach dem heutigen Stande der Theorie und Praxis zu ſchaffen, habe ich mir die Schwierigkeiten eines ſolchen Unternehmens nicht verhehlt. Wenn ich nichtsdeſtoweniger den Antrag annahm, ſo war für mich dabei der Um- ſtand maßgebend, daß die Literatur über Färbereitechnik ohnehin ſpärlich geſäet iſt und daß vor allem in der letzten Sturm- und Drangperiode ſeit Entdeckung der Anilinfarben mit Ausnahme von Hummels„The Dyeing of textile fabrics” kein einziges größeres, vor allem kein deutſches Werk über dieſen Wiſſenszweig erſchienen war, welches als Lehr- oder Handbuch für das Geſamtgebiet hätte gelten können. Die Literatur der letzten 30 Jahre bewegte ſich vorwiegend auf Sondergebieten und auch hier mit einer gewiſſen Einſeitigkeit, denn die fraglichen literariſchen Erſcheinungen ſind nichts anderes als Rezeptbücher, Sammlungen von Färbevorſchriften. So anerkennenswert und nützlich das für einzelne, eng begrenzte Zweige der Färberei auch ſein mag, ſo ſind ſolche Bücher doch als Hand- oder Lehrbücher, welche ein überſichtliches Bild des Geſamtgebiets geben ſollen, nicht brauchbar. Es beſtand ſomit ein thatſächlicher Mangel an einem Leitfaden oder einem Handbuche der Färberei, ſo daß Herr Profeſſor Dr.Lunge noch im Oktober 1887 ſchreiben konnte: „Bei meinen Vorleſungen über Textilfaſern, Bleicherei, Färberei, Zeugdruck und
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[[V]/0015]
Vorrede.
Als die Verlagsbuchhandlung B. F. Voigt in Weimar im Juli 1887
mir den ehrenvollen Auftrag erteilte, von dem vormals hochangeſehenen
Werke „Vitalis, Lehrbuch der geſamten Färberei“ eine Neubearbeitung
nach dem heutigen Stande der Theorie und Praxis zu ſchaffen, habe ich
mir die Schwierigkeiten eines ſolchen Unternehmens nicht verhehlt. Wenn
ich nichtsdeſtoweniger den Antrag annahm, ſo war für mich dabei der Um-
ſtand maßgebend, daß die Literatur über Färbereitechnik ohnehin ſpärlich
geſäet iſt und daß vor allem in der letzten Sturm- und Drangperiode ſeit
Entdeckung der Anilinfarben mit Ausnahme von Hummels „The Dyeing
of textile fabrics” kein einziges größeres, vor allem kein deutſches
Werk über dieſen Wiſſenszweig erſchienen war, welches als Lehr- oder
Handbuch für das Geſamtgebiet hätte gelten können. Die Literatur der
letzten 30 Jahre bewegte ſich vorwiegend auf Sondergebieten und auch hier
mit einer gewiſſen Einſeitigkeit, denn die fraglichen literariſchen Erſcheinungen
ſind nichts anderes als Rezeptbücher, Sammlungen von Färbevorſchriften.
So anerkennenswert und nützlich das für einzelne, eng begrenzte Zweige
der Färberei auch ſein mag, ſo ſind ſolche Bücher doch als Hand- oder
Lehrbücher, welche ein überſichtliches Bild des Geſamtgebiets geben ſollen,
nicht brauchbar. Es beſtand ſomit ein thatſächlicher Mangel an
einem Leitfaden oder einem Handbuche der Färberei, ſo daß
Herr Profeſſor Dr. Lunge noch im Oktober 1887 ſchreiben konnte: „Bei
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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/15>, abgerufen am 23.11.2024.
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