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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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Die mit Salzsäure gewonnene Faser zeichnet sich durch weiße Farbe
und seidenähnliches Aussehen vorteilhaft aus, hat aber nach Moeller soviel
an Festigkeit und Elastizität eingebüßt, daß sie gar nicht mehr hechelbar ist
und der Baumwolle gleichkommt; aber auch das Röste- und das mechanische
Verfahren zur Isolierung der Bastfasern bringt kein tadelloses Produkt zu-
wege, so daß die Behauptung nicht ungerechtfertigt sein mag, von der Nessel
könnte keine Faser erhalten werden, die mit Lein und Hanf an Länge und
Gleichmäßigkeit zu konkurrieren vermag.

Angesichts dieser bekannten Thatsache muß es recht sehr befremden,
wenn die Nessel bei uns, statt gebaut zu werden, überall als lästiges Un-
kraut angesehen und bekämpft oder ausgerottet wird. Es ist dies geradezu
ein nationalökonomisches Verbrechen und zwar in zweierlei Beziehung, weil
wir damit eine vorzügliche Textilfaser unbeachtet lassen, und weil die vielen
Quadratmeter öden unbebauten Bodens bei der großen Anspruchslosigkeit
der Nessel einen vorzüglichen Boden liefern würden. Möchte doch dieser
Appell von den deutschen Landwirten beherzigt werden; es würde dann eine
neue und wahrlich nicht zu unterschätzende vaterländische Industrie entstehen!

§ 17. Sonstige Gespinnstfasern.

Mit den in den vorstehenden Paragraphen ausführlich behandelten Ge-
spinnstfasern ist die Anzahl derselben noch keineswegs erschöpft. Vielmehr
existieren noch eine ganze Anzahl von Fasern, welche für die Textilindustrie
zum Teil von großer Wichtigkeit sind. Die daraus gefertigten Gespinnste
und Gewebe haben jedoch für den Färber gar kein oder nur ein sehr unterge-
ordnetes Interesse. Ich will dieselben daher hier nur kurz nach Namen,
Abstammung und Verwendung aufführen. Unter Umständen können nach-
folgende Fasern zum Färben kommen:

1. Manilahanf, die Bastfaser von Musa textilis, Musa paradisica.
Musa sapientium, Musa troglodytarum,
kommt aus Ostindien und den
Inseln des indischen Archipels, vornehmlich von den Philippinen in den Han-
del. Ein Stamm liefert 0,5 kg bräunlichgelbe bis gelblichweiße, etwas steife,
sehr zähe, glänzende, gleichmäßige und glatte, 1,2 bis 7 m lange Fasern.
Die hellen Fasern werden gehechelt und zu Garn versponnen, welches zu
Glockenzügen, Markttaschen u. dergl. Geflechten (in Frankreich auch Shawls
und Frauenhüten) verwendet wird. Die feinste Sorte Manilahanf wird
neuerdings aber auch als Schußfaden für gröbere Möbeldamaste, sog. Fantasie-
stoffe, verarbeitet, und könnte in dieser Form, zumal wenn mit Baumwolle
verwebt, dem Färber doch leicht einmal vorkommen. -- Der Manilahanf
des Welthandels gilt als das beste Material für Seilerarbeiten.

2. Ananashanf, die Bastfasern der Blätter von Ananassa sativa
Lind., Ananassa semiserrata, Ananassa lucida
und Bromelia Karatas L.,
in Central- und Südamerika, ist eine feine, weiße, glänzende, bis 11/2 m
lange Textilfaser, welche in ihrer Heimat zu feineren Geweben verarbeitet
wird.

3. Coir, die Bastfaser der Cocusnüsse, ist eine dicke, rotbraune, un-
gemein zähe, feste, elastische, dabei sehr leichte, bis 30 cm lange Faser.
Die auf Ceylon, Ostindien und dem indischen Archipel heimische Cocos-
palme (Cocos. nucifera L.) ist die Mutterpflanze. Die faserige Frucht-

Die mit Salzſäure gewonnene Faſer zeichnet ſich durch weiße Farbe
und ſeidenähnliches Ausſehen vorteilhaft aus, hat aber nach Moeller ſoviel
an Feſtigkeit und Elaſtizität eingebüßt, daß ſie gar nicht mehr hechelbar iſt
und der Baumwolle gleichkommt; aber auch das Röſte- und das mechaniſche
Verfahren zur Iſolierung der Baſtfaſern bringt kein tadelloſes Produkt zu-
wege, ſo daß die Behauptung nicht ungerechtfertigt ſein mag, von der Neſſel
könnte keine Faſer erhalten werden, die mit Lein und Hanf an Länge und
Gleichmäßigkeit zu konkurrieren vermag.

Angeſichts dieſer bekannten Thatſache muß es recht ſehr befremden,
wenn die Neſſel bei uns, ſtatt gebaut zu werden, überall als läſtiges Un-
kraut angeſehen und bekämpft oder ausgerottet wird. Es iſt dies geradezu
ein nationalökonomiſches Verbrechen und zwar in zweierlei Beziehung, weil
wir damit eine vorzügliche Textilfaſer unbeachtet laſſen, und weil die vielen
Quadratmeter öden unbebauten Bodens bei der großen Anſpruchsloſigkeit
der Neſſel einen vorzüglichen Boden liefern würden. Möchte doch dieſer
Appell von den deutſchen Landwirten beherzigt werden; es würde dann eine
neue und wahrlich nicht zu unterſchätzende vaterländiſche Induſtrie entſtehen!

§ 17. Sonſtige Geſpinnſtfaſern.

Mit den in den vorſtehenden Paragraphen ausführlich behandelten Ge-
ſpinnſtfaſern iſt die Anzahl derſelben noch keineswegs erſchöpft. Vielmehr
exiſtieren noch eine ganze Anzahl von Faſern, welche für die Textilinduſtrie
zum Teil von großer Wichtigkeit ſind. Die daraus gefertigten Geſpinnſte
und Gewebe haben jedoch für den Färber gar kein oder nur ein ſehr unterge-
ordnetes Intereſſe. Ich will dieſelben daher hier nur kurz nach Namen,
Abſtammung und Verwendung aufführen. Unter Umſtänden können nach-
folgende Faſern zum Färben kommen:

1. Manilahanf, die Baſtfaſer von Musa textilis, Musa paradisica.
Musa sapientium, Musa troglodytarum,
kommt aus Oſtindien und den
Inſeln des indiſchen Archipels, vornehmlich von den Philippinen in den Han-
del. Ein Stamm liefert 0,5 kg bräunlichgelbe bis gelblichweiße, etwas ſteife,
ſehr zähe, glänzende, gleichmäßige und glatte, 1,2 bis 7 m lange Faſern.
Die hellen Faſern werden gehechelt und zu Garn verſponnen, welches zu
Glockenzügen, Markttaſchen u. dergl. Geflechten (in Frankreich auch Shawls
und Frauenhüten) verwendet wird. Die feinſte Sorte Manilahanf wird
neuerdings aber auch als Schußfaden für gröbere Möbeldamaſte, ſog. Fantaſie-
ſtoffe, verarbeitet, und könnte in dieſer Form, zumal wenn mit Baumwolle
verwebt, dem Färber doch leicht einmal vorkommen. — Der Manilahanf
des Welthandels gilt als das beſte Material für Seilerarbeiten.

2. Ananashanf, die Baſtfaſern der Blätter von Ananassa sativa
Lind., Ananassa semiserrata, Ananassa lucida
und Bromelia Karatas L.,
in Central- und Südamerika, iſt eine feine, weiße, glänzende, bis 1½ m
lange Textilfaſer, welche in ihrer Heimat zu feineren Geweben verarbeitet
wird.

3. Coir, die Baſtfaſer der Cocusnüſſe, iſt eine dicke, rotbraune, un-
gemein zähe, feſte, elaſtiſche, dabei ſehr leichte, bis 30 cm lange Faſer.
Die auf Ceylon, Oſtindien und dem indiſchen Archipel heimiſche Cocos-
palme (Cocos. nucifera L.) iſt die Mutterpflanze. Die faſerige Frucht-

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[77/0103] Die mit Salzſäure gewonnene Faſer zeichnet ſich durch weiße Farbe und ſeidenähnliches Ausſehen vorteilhaft aus, hat aber nach Moeller ſoviel an Feſtigkeit und Elaſtizität eingebüßt, daß ſie gar nicht mehr hechelbar iſt und der Baumwolle gleichkommt; aber auch das Röſte- und das mechaniſche Verfahren zur Iſolierung der Baſtfaſern bringt kein tadelloſes Produkt zu- wege, ſo daß die Behauptung nicht ungerechtfertigt ſein mag, von der Neſſel könnte keine Faſer erhalten werden, die mit Lein und Hanf an Länge und Gleichmäßigkeit zu konkurrieren vermag. Angeſichts dieſer bekannten Thatſache muß es recht ſehr befremden, wenn die Neſſel bei uns, ſtatt gebaut zu werden, überall als läſtiges Un- kraut angeſehen und bekämpft oder ausgerottet wird. Es iſt dies geradezu ein nationalökonomiſches Verbrechen und zwar in zweierlei Beziehung, weil wir damit eine vorzügliche Textilfaſer unbeachtet laſſen, und weil die vielen Quadratmeter öden unbebauten Bodens bei der großen Anſpruchsloſigkeit der Neſſel einen vorzüglichen Boden liefern würden. Möchte doch dieſer Appell von den deutſchen Landwirten beherzigt werden; es würde dann eine neue und wahrlich nicht zu unterſchätzende vaterländiſche Induſtrie entſtehen! § 17. Sonſtige Geſpinnſtfaſern. Mit den in den vorſtehenden Paragraphen ausführlich behandelten Ge- ſpinnſtfaſern iſt die Anzahl derſelben noch keineswegs erſchöpft. Vielmehr exiſtieren noch eine ganze Anzahl von Faſern, welche für die Textilinduſtrie zum Teil von großer Wichtigkeit ſind. Die daraus gefertigten Geſpinnſte und Gewebe haben jedoch für den Färber gar kein oder nur ein ſehr unterge- ordnetes Intereſſe. Ich will dieſelben daher hier nur kurz nach Namen, Abſtammung und Verwendung aufführen. Unter Umſtänden können nach- folgende Faſern zum Färben kommen: 1. Manilahanf, die Baſtfaſer von Musa textilis, Musa paradisica. Musa sapientium, Musa troglodytarum, kommt aus Oſtindien und den Inſeln des indiſchen Archipels, vornehmlich von den Philippinen in den Han- del. Ein Stamm liefert 0,5 kg bräunlichgelbe bis gelblichweiße, etwas ſteife, ſehr zähe, glänzende, gleichmäßige und glatte, 1,2 bis 7 m lange Faſern. Die hellen Faſern werden gehechelt und zu Garn verſponnen, welches zu Glockenzügen, Markttaſchen u. dergl. Geflechten (in Frankreich auch Shawls und Frauenhüten) verwendet wird. Die feinſte Sorte Manilahanf wird neuerdings aber auch als Schußfaden für gröbere Möbeldamaſte, ſog. Fantaſie- ſtoffe, verarbeitet, und könnte in dieſer Form, zumal wenn mit Baumwolle verwebt, dem Färber doch leicht einmal vorkommen. — Der Manilahanf des Welthandels gilt als das beſte Material für Seilerarbeiten. 2. Ananashanf, die Baſtfaſern der Blätter von Ananassa sativa Lind., Ananassa semiserrata, Ananassa lucida und Bromelia Karatas L., in Central- und Südamerika, iſt eine feine, weiße, glänzende, bis 1½ m lange Textilfaſer, welche in ihrer Heimat zu feineren Geweben verarbeitet wird. 3. Coir, die Baſtfaſer der Cocusnüſſe, iſt eine dicke, rotbraune, un- gemein zähe, feſte, elaſtiſche, dabei ſehr leichte, bis 30 cm lange Faſer. Die auf Ceylon, Oſtindien und dem indiſchen Archipel heimiſche Cocos- palme (Cocos. nucifera L.) iſt die Mutterpflanze. Die faſerige Frucht-

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/103>, abgerufen am 23.11.2024.