Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

alle, und fieng bald zu reden an. Später erzählte
sie uns, daß sie auf den elysäischen Feldern in tiefem,
schwerem Sande, bis über den Nabel herumgewaden
seye. -- Nach einigen Tagen bekam sie eine vollstän-
dige und dauerhafte Erleichterung, nachdem nicht
nur die Reihendrüsen angeschwollen, sondern auf der
ganzen Oberfläche des Bauches harte, fingerdicke, er-
habene, zahlreiche Knoten zum Vorschein gekommen
waren. Diese zertheilten sich nach und nach durch
den anhaltenden Gebrauch der Rinde und des Schier-
lings, wobey der Harn öfters einen Bodensatz hatte.
Hier bestättigte sich der Hippokratische Ausspruch, daß
die auffahrenden Geschwüre und Beulen die Fieber
entscheiden.*)

§. 123.

Vielleicht waren alle diese Zufälle nichts anders
als die eigentliche, kritische Stöhrung, zu deren Be-
obachtung ich aber dazumal noch nicht reif war. Wie
sehr da das Leben sinken kann, haben wir oben viel-
fältig gesehen. Dieses ist der Fall, wo der Arzt Heute
den sterbenden Kranken verläßt, den er Morgen ausser
Gefahr findet. Nicht nur, weil die Hilfsquellen der
Natur unerschöpflich sind; sondern auch, weil hier die
Kunst oft zu ihrer Unterstützung unentbehrlich ist, muß

der
*) Epid. VI.

alle, und fieng bald zu reden an. Spaͤter erzaͤhlte
ſie uns, daß ſie auf den elyſaͤiſchen Feldern in tiefem,
ſchwerem Sande, bis uͤber den Nabel herumgewaden
ſeye. — Nach einigen Tagen bekam ſie eine vollſtaͤn-
dige und dauerhafte Erleichterung, nachdem nicht
nur die Reihendruͤſen angeſchwollen, ſondern auf der
ganzen Oberflaͤche des Bauches harte, fingerdicke, er-
habene, zahlreiche Knoten zum Vorſchein gekommen
waren. Dieſe zertheilten ſich nach und nach durch
den anhaltenden Gebrauch der Rinde und des Schier-
lings, wobey der Harn oͤfters einen Bodenſatz hatte.
Hier beſtaͤttigte ſich der Hippokratiſche Ausſpruch, daß
die auffahrenden Geſchwuͤre und Beulen die Fieber
entſcheiden.*)

§. 123.

Vielleicht waren alle dieſe Zufaͤlle nichts anders
als die eigentliche, kritiſche Stoͤhrung, zu deren Be-
obachtung ich aber dazumal noch nicht reif war. Wie
ſehr da das Leben ſinken kann, haben wir oben viel-
faͤltig geſehen. Dieſes iſt der Fall, wo der Arzt Heute
den ſterbenden Kranken verlaͤßt, den er Morgen auſſer
Gefahr findet. Nicht nur, weil die Hilfsquellen der
Natur unerſchoͤpflich ſind; ſondern auch, weil hier die
Kunſt oft zu ihrer Unterſtuͤtzung unentbehrlich iſt, muß

der
*) Epid. VI.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0728" n="709"/>
alle, und fieng bald zu reden an. Spa&#x0364;ter erza&#x0364;hlte<lb/>
&#x017F;ie uns, daß &#x017F;ie auf den ely&#x017F;a&#x0364;i&#x017F;chen Feldern in tiefem,<lb/>
&#x017F;chwerem Sande, bis u&#x0364;ber den Nabel herumgewaden<lb/>
&#x017F;eye. &#x2014; Nach einigen Tagen bekam &#x017F;ie eine voll&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dige und dauerhafte Erleichterung, nachdem nicht<lb/>
nur die Reihendru&#x0364;&#x017F;en ange&#x017F;chwollen, &#x017F;ondern auf der<lb/>
ganzen Oberfla&#x0364;che des Bauches harte, fingerdicke, er-<lb/>
habene, zahlreiche Knoten zum Vor&#x017F;chein gekommen<lb/>
waren. Die&#x017F;e zertheilten &#x017F;ich nach und nach durch<lb/>
den anhaltenden Gebrauch der Rinde und des Schier-<lb/>
lings, wobey der Harn o&#x0364;fters einen Boden&#x017F;atz hatte.<lb/>
Hier be&#x017F;ta&#x0364;ttigte &#x017F;ich der Hippokrati&#x017F;che Aus&#x017F;pruch, daß<lb/>
die auffahrenden Ge&#x017F;chwu&#x0364;re und Beulen die Fieber<lb/>
ent&#x017F;cheiden.<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Epid. VI.</hi></note></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 123.</head><lb/>
              <p>Vielleicht waren alle die&#x017F;e Zufa&#x0364;lle nichts anders<lb/>
als die eigentliche, kriti&#x017F;che Sto&#x0364;hrung, zu deren Be-<lb/>
obachtung ich aber dazumal noch nicht reif war. Wie<lb/>
&#x017F;ehr da das Leben &#x017F;inken kann, haben wir oben viel-<lb/>
fa&#x0364;ltig ge&#x017F;ehen. Die&#x017F;es i&#x017F;t der Fall, wo der Arzt Heute<lb/>
den &#x017F;terbenden Kranken verla&#x0364;ßt, den er Morgen au&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Gefahr findet. Nicht nur, weil die Hilfsquellen der<lb/>
Natur uner&#x017F;cho&#x0364;pflich &#x017F;ind; &#x017F;ondern auch, weil hier die<lb/>
Kun&#x017F;t oft zu ihrer Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung unentbehrlich i&#x017F;t, muß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[709/0728] alle, und fieng bald zu reden an. Spaͤter erzaͤhlte ſie uns, daß ſie auf den elyſaͤiſchen Feldern in tiefem, ſchwerem Sande, bis uͤber den Nabel herumgewaden ſeye. — Nach einigen Tagen bekam ſie eine vollſtaͤn- dige und dauerhafte Erleichterung, nachdem nicht nur die Reihendruͤſen angeſchwollen, ſondern auf der ganzen Oberflaͤche des Bauches harte, fingerdicke, er- habene, zahlreiche Knoten zum Vorſchein gekommen waren. Dieſe zertheilten ſich nach und nach durch den anhaltenden Gebrauch der Rinde und des Schier- lings, wobey der Harn oͤfters einen Bodenſatz hatte. Hier beſtaͤttigte ſich der Hippokratiſche Ausſpruch, daß die auffahrenden Geſchwuͤre und Beulen die Fieber entſcheiden. *) §. 123. Vielleicht waren alle dieſe Zufaͤlle nichts anders als die eigentliche, kritiſche Stoͤhrung, zu deren Be- obachtung ich aber dazumal noch nicht reif war. Wie ſehr da das Leben ſinken kann, haben wir oben viel- faͤltig geſehen. Dieſes iſt der Fall, wo der Arzt Heute den ſterbenden Kranken verlaͤßt, den er Morgen auſſer Gefahr findet. Nicht nur, weil die Hilfsquellen der Natur unerſchoͤpflich ſind; ſondern auch, weil hier die Kunſt oft zu ihrer Unterſtuͤtzung unentbehrlich iſt, muß der *) Epid. VI.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/728
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/728>, abgerufen am 22.12.2024.