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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Wenn z. B. der Goldaderfluß seinen Ausgang
durch die Harnwege nimmt, die schmerzhaftesten Kräm-
pfe, Harnverhaltung etc. erregt, so wirken kalte, zu-
sammenziehende Umschläge auf die Schaamtheile, und
warme, erschlappende auf den Hintern vortrefflich auf
den Endzweck, dem Blute seinen natürlichen Ausgang
zu verschaffen.

Man bestimmt die Fälle aufs genaueste, wo
die Rinde, die spanischen Fliegen, der Kampfer, Bal-
drian, Bisam, die Wohlverley, der Wein und Mohnsaft,
die mineralischen Säuren angezeigt sind. Dieses ist vor-
trefflich; -- aber ich habe die grösten Meister der Kunst
nicht selten in Verlegenheit gesehen -- und sie ent-
schlossen sich endlich, lieber alle diese Dinge zu ver-
einigen, als eine bloß ungewiße, obschon einfache An-
zeige zu befolgen. Es kommen so oft die dem Scheine
nach widersprechendsten Zufälle zusammen; alle er-
denklichen Abänderungen des Pulses, außerordentli-
che Schwäche, höchster Grad der Fäulniß, heimli-
che Entzündung u. s. w., daß es, wenn es einmal
darauf ankömmt, seine Anzeigen von den sinnlichen
Erscheinungen herzunehmen, schlechterdings unmög-
lich ist, zu entscheiden, welche die dringendste und
wesentlichste seye.

Dem ungeachtet bleibt es gewiß, daß die we-
sentlichen Anzeigen nur wenige sind, und daß der
Arzt, dem die Hauptbedürfniße der Natur bekannt
sind; der sich nur in seltenen Nothfällen von den Zu-
fällen
zu diesem oder einem andern Heilvecfahren be-
stimmen läßt; sondern das Wesentliche der Krank-

heiten

Wenn z. B. der Goldaderfluß ſeinen Ausgang
durch die Harnwege nimmt, die ſchmerzhafteſten Kraͤm-
pfe, Harnverhaltung ꝛc. erregt, ſo wirken kalte, zu-
ſammenziehende Umſchlaͤge auf die Schaamtheile, und
warme, erſchlappende auf den Hintern vortrefflich auf
den Endzweck, dem Blute ſeinen natuͤrlichen Ausgang
zu verſchaffen.

Man beſtimmt die Faͤlle aufs genaueſte, wo
die Rinde, die ſpaniſchen Fliegen, der Kampfer, Bal-
drian, Biſam, die Wohlverley, der Wein und Mohnſaft,
die mineraliſchen Saͤuren angezeigt ſind. Dieſes iſt vor-
trefflich; — aber ich habe die groͤſten Meiſter der Kunſt
nicht ſelten in Verlegenheit geſehen — und ſie ent-
ſchloſſen ſich endlich, lieber alle dieſe Dinge zu ver-
einigen, als eine bloß ungewiße, obſchon einfache An-
zeige zu befolgen. Es kommen ſo oft die dem Scheine
nach widerſprechendſten Zufaͤlle zuſammen; alle er-
denklichen Abaͤnderungen des Pulſes, außerordentli-
che Schwaͤche, hoͤchſter Grad der Faͤulniß, heimli-
che Entzuͤndung u. ſ. w., daß es, wenn es einmal
darauf ankoͤmmt, ſeine Anzeigen von den ſinnlichen
Erſcheinungen herzunehmen, ſchlechterdings unmoͤg-
lich iſt, zu entſcheiden, welche die dringendſte und
weſentlichſte ſeye.

Dem ungeachtet bleibt es gewiß, daß die we-
ſentlichen Anzeigen nur wenige ſind, und daß der
Arzt, dem die Hauptbeduͤrfniße der Natur bekannt
ſind; der ſich nur in ſeltenen Nothfaͤllen von den Zu-
fällen
zu dieſem oder einem andern Heilvecfahren be-
ſtimmen laͤßt; ſondern das Weſentliche der Krank-

heiten
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[700/0719] Wenn z. B. der Goldaderfluß ſeinen Ausgang durch die Harnwege nimmt, die ſchmerzhafteſten Kraͤm- pfe, Harnverhaltung ꝛc. erregt, ſo wirken kalte, zu- ſammenziehende Umſchlaͤge auf die Schaamtheile, und warme, erſchlappende auf den Hintern vortrefflich auf den Endzweck, dem Blute ſeinen natuͤrlichen Ausgang zu verſchaffen. Man beſtimmt die Faͤlle aufs genaueſte, wo die Rinde, die ſpaniſchen Fliegen, der Kampfer, Bal- drian, Biſam, die Wohlverley, der Wein und Mohnſaft, die mineraliſchen Saͤuren angezeigt ſind. Dieſes iſt vor- trefflich; — aber ich habe die groͤſten Meiſter der Kunſt nicht ſelten in Verlegenheit geſehen — und ſie ent- ſchloſſen ſich endlich, lieber alle dieſe Dinge zu ver- einigen, als eine bloß ungewiße, obſchon einfache An- zeige zu befolgen. Es kommen ſo oft die dem Scheine nach widerſprechendſten Zufaͤlle zuſammen; alle er- denklichen Abaͤnderungen des Pulſes, außerordentli- che Schwaͤche, hoͤchſter Grad der Faͤulniß, heimli- che Entzuͤndung u. ſ. w., daß es, wenn es einmal darauf ankoͤmmt, ſeine Anzeigen von den ſinnlichen Erſcheinungen herzunehmen, ſchlechterdings unmoͤg- lich iſt, zu entſcheiden, welche die dringendſte und weſentlichſte ſeye. Dem ungeachtet bleibt es gewiß, daß die we- ſentlichen Anzeigen nur wenige ſind, und daß der Arzt, dem die Hauptbeduͤrfniße der Natur bekannt ſind; der ſich nur in ſeltenen Nothfaͤllen von den Zu- fällen zu dieſem oder einem andern Heilvecfahren be- ſtimmen laͤßt; ſondern das Weſentliche der Krank- heiten

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/719>, abgerufen am 22.11.2024.