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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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bey gesunden Tagen das Baden geliebt hat, und sich
desselben zu bedienen, gewohnt gewesen ist. Der-
gleichen Leute erheischen es mehr, denn es bekömmt
ihnen, wenn sie sich baden, und sie leiden Schaden
davon, wenn sie es unterlassen." --

Diesen Grundsätzen zu Folge wollte Aristoteles
kein kaltes Wasser trinken, weil er an die warmen
Getränke gewohnt war, und an einem andern, des-
sen Leibesbeschaffenheit der seinigen gleichte, heftige
Krämpfe entstehen sah, obschon es sonst seiner Krank-
heit angemessen gewesen wäre. Er gab aber endlich
den zudringlichen Aerzten nach, und starb. Als die
Aerzte den Galenus darüber befragten, so verwarf
dieser ihr Verfahren, obschon er in ähnlichen Fällen das
kalte Wasser mit bestem Erfolge anrieth, wenn nur
kein Eingeweide entzündet, und die Leute übrigens
stark waren, theils weil Aristoteles einen schmächtigen
Körper hatte, und theils, weil es wider seine Gewohn-
heit war. -- Was Galenus aus dem Erasistratus
anführt, kömmt vollkommen mit den Hyppokratischen
Lehrsätzen überein, und betrifft noch den Nutzen oder
Schaden, wenn die gewöhnten Ausleerungen, obschon
sie an sich unbequem sind, z. B. ein Goldaderfluß,
periodische Ausschläge, gallichtes Erbrechen unterdrückt
oder wieder hergestellt werden. Ferner beweiset es,
daß die Gewohnheit in der sittlichen Welt den nämli-
chen Einfluß habe, wie in der physischen, und gleich-
wie Schwächlinge und Greise, wenn sie nur an Ar-
beit gewöhnt sind, dieselbe besser aushalten können,
als ungewöhnte starke und junge Leute, eben so wer-

de

bey geſunden Tagen das Baden geliebt hat, und ſich
deſſelben zu bedienen, gewohnt geweſen iſt. Der-
gleichen Leute erheiſchen es mehr, denn es bekoͤmmt
ihnen, wenn ſie ſich baden, und ſie leiden Schaden
davon, wenn ſie es unterlaſſen.„ —

Dieſen Grundſaͤtzen zu Folge wollte Ariſtoteles
kein kaltes Waſſer trinken, weil er an die warmen
Getraͤnke gewohnt war, und an einem andern, deſ-
ſen Leibesbeſchaffenheit der ſeinigen gleichte, heftige
Kraͤmpfe entſtehen ſah, obſchon es ſonſt ſeiner Krank-
heit angemeſſen geweſen waͤre. Er gab aber endlich
den zudringlichen Aerzten nach, und ſtarb. Als die
Aerzte den Galenus daruͤber befragten, ſo verwarf
dieſer ihr Verfahren, obſchon er in aͤhnlichen Faͤllen das
kalte Waſſer mit beſtem Erfolge anrieth, wenn nur
kein Eingeweide entzuͤndet, und die Leute uͤbrigens
ſtark waren, theils weil Ariſtoteles einen ſchmaͤchtigen
Koͤrper hatte, und theils, weil es wider ſeine Gewohn-
heit war. — Was Galenus aus dem Eraſiſtratus
anfuͤhrt, koͤmmt vollkommen mit den Hyppokratiſchen
Lehrſaͤtzen uͤberein, und betrifft noch den Nutzen oder
Schaden, wenn die gewoͤhnten Ausleerungen, obſchon
ſie an ſich unbequem ſind, z. B. ein Goldaderfluß,
periodiſche Ausſchlaͤge, gallichtes Erbrechen unterdruͤckt
oder wieder hergeſtellt werden. Ferner beweiſet es,
daß die Gewohnheit in der ſittlichen Welt den naͤmli-
chen Einfluß habe, wie in der phyſiſchen, und gleich-
wie Schwaͤchlinge und Greiſe, wenn ſie nur an Ar-
beit gewoͤhnt ſind, dieſelbe beſſer aushalten koͤnnen,
als ungewoͤhnte ſtarke und junge Leute, eben ſo wer-

de
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[644/0663] bey geſunden Tagen das Baden geliebt hat, und ſich deſſelben zu bedienen, gewohnt geweſen iſt. Der- gleichen Leute erheiſchen es mehr, denn es bekoͤmmt ihnen, wenn ſie ſich baden, und ſie leiden Schaden davon, wenn ſie es unterlaſſen.„ — Dieſen Grundſaͤtzen zu Folge wollte Ariſtoteles kein kaltes Waſſer trinken, weil er an die warmen Getraͤnke gewohnt war, und an einem andern, deſ- ſen Leibesbeſchaffenheit der ſeinigen gleichte, heftige Kraͤmpfe entſtehen ſah, obſchon es ſonſt ſeiner Krank- heit angemeſſen geweſen waͤre. Er gab aber endlich den zudringlichen Aerzten nach, und ſtarb. Als die Aerzte den Galenus daruͤber befragten, ſo verwarf dieſer ihr Verfahren, obſchon er in aͤhnlichen Faͤllen das kalte Waſſer mit beſtem Erfolge anrieth, wenn nur kein Eingeweide entzuͤndet, und die Leute uͤbrigens ſtark waren, theils weil Ariſtoteles einen ſchmaͤchtigen Koͤrper hatte, und theils, weil es wider ſeine Gewohn- heit war. — Was Galenus aus dem Eraſiſtratus anfuͤhrt, koͤmmt vollkommen mit den Hyppokratiſchen Lehrſaͤtzen uͤberein, und betrifft noch den Nutzen oder Schaden, wenn die gewoͤhnten Ausleerungen, obſchon ſie an ſich unbequem ſind, z. B. ein Goldaderfluß, periodiſche Ausſchlaͤge, gallichtes Erbrechen unterdruͤckt oder wieder hergeſtellt werden. Ferner beweiſet es, daß die Gewohnheit in der ſittlichen Welt den naͤmli- chen Einfluß habe, wie in der phyſiſchen, und gleich- wie Schwaͤchlinge und Greiſe, wenn ſie nur an Ar- beit gewoͤhnt ſind, dieſelbe beſſer aushalten koͤnnen, als ungewoͤhnte ſtarke und junge Leute, eben ſo wer- de

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/663>, abgerufen am 22.11.2024.