Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Bestreben der Kunst und der Natur fruchtlos, und
dieses zwar auch dann, wenn in jedem andern Falle,
wo keine Angewöhnung statt gehabt hätte, die näm-
liche Sache höchst nachtheilig gewesen wäre.

So ungerne ich die Gewohnheitsaderläßen, z.
B. zulaße, so sehe ich mich doch oft genöthigt, diesel-
ben selbst anzuordnen. Will man sie, besonders auf
einmal unterdrücken, so entstehen um die bestimmte
Zeit nicht nur die sonst gewöhnlichen Zufälle einer
Vollblütigkeit z. B. beschwerliches Athmen, Span-
nen und Steifigkeit der Glieder, Heiserkeit, Schwin-
del, Kopfschmerzen, Brennen an einigen Stellen,
besonders an der Narbe, wo ehemals die Wunde ge-
macht war, Ubelkeiten, allerley Zeichen von Unreinig-
keit, Mangel an Eßlust u. s. w.; sondern es entstehen auch
fieberhafte Bewegungen, Blutspeyen, reichliche Blut-
flüsse aus der Nase, der Goldader, den Schamthei-
len, oder Stockungen der sonst gewöhnlichen Blut-
flüße, Schlagflüße etc. Ich habe vielmal eine dünne,
kühlende, sparsame, durch mehrere Tage fortgesetzte
Lebensordnung, freye Luft, mäßige Bewegung, ge-
linde Abführungen u. d. gl. so lange fruchtlos gefun-
den, bis ich mich entschloß, der Angewöhnung nach-
zugeben, worauf sich innerhalb 12--24 Stunden al-
le Zufälle legten.

Ein alter Mann bekam nach einer Unverdaulich-
keit den Schluchzen, den mehrere Aerzte nicht stillen
konnten. Man erfuhr endlich, daß er sonst alle Ta-
ge englische, bittere Magentropfen zu nehmen ge-
wohnt war. Obschon zuvor ähnliche Mittel im Ue-

ber-

Beſtreben der Kunſt und der Natur fruchtlos, und
dieſes zwar auch dann, wenn in jedem andern Falle,
wo keine Angewoͤhnung ſtatt gehabt haͤtte, die naͤm-
liche Sache hoͤchſt nachtheilig geweſen waͤre.

So ungerne ich die Gewohnheitsaderlaͤßen, z.
B. zulaße, ſo ſehe ich mich doch oft genoͤthigt, dieſel-
ben ſelbſt anzuordnen. Will man ſie, beſonders auf
einmal unterdruͤcken, ſo entſtehen um die beſtimmte
Zeit nicht nur die ſonſt gewoͤhnlichen Zufaͤlle einer
Vollbluͤtigkeit z. B. beſchwerliches Athmen, Span-
nen und Steifigkeit der Glieder, Heiſerkeit, Schwin-
del, Kopfſchmerzen, Brennen an einigen Stellen,
beſonders an der Narbe, wo ehemals die Wunde ge-
macht war, Ubelkeiten, allerley Zeichen von Unreinig-
keit, Mangel an Eßluſt u. ſ. w.; ſondern es entſtehen auch
fieberhafte Bewegungen, Blutſpeyen, reichliche Blut-
fluͤſſe aus der Naſe, der Goldader, den Schamthei-
len, oder Stockungen der ſonſt gewoͤhnlichen Blut-
fluͤße, Schlagfluͤße ꝛc. Ich habe vielmal eine duͤnne,
kuͤhlende, ſparſame, durch mehrere Tage fortgeſetzte
Lebensordnung, freye Luft, maͤßige Bewegung, ge-
linde Abfuͤhrungen u. d. gl. ſo lange fruchtlos gefun-
den, bis ich mich entſchloß, der Angewoͤhnung nach-
zugeben, worauf ſich innerhalb 12—24 Stunden al-
le Zufaͤlle legten.

Ein alter Mann bekam nach einer Unverdaulich-
keit den Schluchzen, den mehrere Aerzte nicht ſtillen
konnten. Man erfuhr endlich, daß er ſonſt alle Ta-
ge engliſche, bittere Magentropfen zu nehmen ge-
wohnt war. Obſchon zuvor aͤhnliche Mittel im Ue-

ber-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0654" n="635"/>
Be&#x017F;treben der Kun&#x017F;t und der Natur fruchtlos, und<lb/>
die&#x017F;es zwar auch dann, wenn in jedem andern Falle,<lb/>
wo keine Angewo&#x0364;hnung &#x017F;tatt gehabt ha&#x0364;tte, die na&#x0364;m-<lb/>
liche Sache ho&#x0364;ch&#x017F;t nachtheilig gewe&#x017F;en wa&#x0364;re.</p><lb/>
              <p>So ungerne ich die Gewohnheitsaderla&#x0364;ßen, z.<lb/>
B. zulaße, &#x017F;o &#x017F;ehe ich mich doch oft geno&#x0364;thigt, die&#x017F;el-<lb/>
ben &#x017F;elb&#x017F;t anzuordnen. Will man &#x017F;ie, be&#x017F;onders auf<lb/>
einmal unterdru&#x0364;cken, &#x017F;o ent&#x017F;tehen um die be&#x017F;timmte<lb/>
Zeit nicht nur die &#x017F;on&#x017F;t gewo&#x0364;hnlichen Zufa&#x0364;lle einer<lb/>
Vollblu&#x0364;tigkeit z. B. be&#x017F;chwerliches Athmen, Span-<lb/>
nen und Steifigkeit der Glieder, Hei&#x017F;erkeit, Schwin-<lb/>
del, Kopf&#x017F;chmerzen, Brennen an einigen Stellen,<lb/>
be&#x017F;onders an der Narbe, wo ehemals die Wunde ge-<lb/>
macht war, Ubelkeiten, allerley Zeichen von Unreinig-<lb/>
keit, Mangel an Eßlu&#x017F;t u. &#x017F;. w.; &#x017F;ondern es ent&#x017F;tehen auch<lb/>
fieberhafte Bewegungen, Blut&#x017F;peyen, reichliche Blut-<lb/>
flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e aus der Na&#x017F;e, der Goldader, den Schamthei-<lb/>
len, oder Stockungen der &#x017F;on&#x017F;t gewo&#x0364;hnlichen Blut-<lb/>
flu&#x0364;ße, Schlagflu&#x0364;ße &#xA75B;c. Ich habe vielmal eine du&#x0364;nne,<lb/>
ku&#x0364;hlende, &#x017F;par&#x017F;ame, durch mehrere Tage fortge&#x017F;etzte<lb/>
Lebensordnung, freye Luft, ma&#x0364;ßige Bewegung, ge-<lb/>
linde Abfu&#x0364;hrungen u. d. gl. &#x017F;o lange fruchtlos gefun-<lb/>
den, bis ich mich ent&#x017F;chloß, der Angewo&#x0364;hnung nach-<lb/>
zugeben, worauf &#x017F;ich innerhalb 12&#x2014;24 Stunden al-<lb/>
le Zufa&#x0364;lle legten.</p><lb/>
              <p>Ein alter Mann bekam nach einer Unverdaulich-<lb/>
keit den Schluchzen, den mehrere Aerzte nicht &#x017F;tillen<lb/>
konnten. Man erfuhr endlich, daß er &#x017F;on&#x017F;t alle Ta-<lb/>
ge engli&#x017F;che, bittere Magentropfen zu nehmen ge-<lb/>
wohnt war. Ob&#x017F;chon zuvor a&#x0364;hnliche Mittel im Ue-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ber-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[635/0654] Beſtreben der Kunſt und der Natur fruchtlos, und dieſes zwar auch dann, wenn in jedem andern Falle, wo keine Angewoͤhnung ſtatt gehabt haͤtte, die naͤm- liche Sache hoͤchſt nachtheilig geweſen waͤre. So ungerne ich die Gewohnheitsaderlaͤßen, z. B. zulaße, ſo ſehe ich mich doch oft genoͤthigt, dieſel- ben ſelbſt anzuordnen. Will man ſie, beſonders auf einmal unterdruͤcken, ſo entſtehen um die beſtimmte Zeit nicht nur die ſonſt gewoͤhnlichen Zufaͤlle einer Vollbluͤtigkeit z. B. beſchwerliches Athmen, Span- nen und Steifigkeit der Glieder, Heiſerkeit, Schwin- del, Kopfſchmerzen, Brennen an einigen Stellen, beſonders an der Narbe, wo ehemals die Wunde ge- macht war, Ubelkeiten, allerley Zeichen von Unreinig- keit, Mangel an Eßluſt u. ſ. w.; ſondern es entſtehen auch fieberhafte Bewegungen, Blutſpeyen, reichliche Blut- fluͤſſe aus der Naſe, der Goldader, den Schamthei- len, oder Stockungen der ſonſt gewoͤhnlichen Blut- fluͤße, Schlagfluͤße ꝛc. Ich habe vielmal eine duͤnne, kuͤhlende, ſparſame, durch mehrere Tage fortgeſetzte Lebensordnung, freye Luft, maͤßige Bewegung, ge- linde Abfuͤhrungen u. d. gl. ſo lange fruchtlos gefun- den, bis ich mich entſchloß, der Angewoͤhnung nach- zugeben, worauf ſich innerhalb 12—24 Stunden al- le Zufaͤlle legten. Ein alter Mann bekam nach einer Unverdaulich- keit den Schluchzen, den mehrere Aerzte nicht ſtillen konnten. Man erfuhr endlich, daß er ſonſt alle Ta- ge engliſche, bittere Magentropfen zu nehmen ge- wohnt war. Obſchon zuvor aͤhnliche Mittel im Ue- ber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/654
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/654>, abgerufen am 25.11.2024.