behutsam seyn, weil sie durch den Reiz nicht selten nach den Gedärmen hingeleitet wird, wo sie oft ohne Rettung die häutigen Theile außerordentlich schnell durch den schlimmsten Brand zerstört. Hingegen sind in allen dergleichen Fällen äusserliche Reize angezeigt. Daher thun, vorzüglich in Fiebern von gallichtem, faulem Stoffe die scharfen Senfteige, welche man gleich Anfangs und lange fortbrauchen muß, so vortreffliche Dienste. Tissot bemerkte, daß gegen die Tage, wo die nun aufgelößte Materie beweglich zu werden an- fieng, eine ungeheure Menge eines sehr scharfen Blut- wassers nach den rothen und wunden Stellen zufloß, welche sonst vielleicht nach edlern Theilen hingeflossen wäre; ein Umstand, den wir alle Tage bemerken kön- nen, und in Faul-Spital-Kerker und Nervenfiebern nie unbestättigt finden würden, wenn wir unsere Heil- art auf diese Absicht einrichteten. Dieses sollten wir nie vernachläßigen, wo entweder der Kranke ein schwa- ches Eingeweid hat, oder wo es der Natur der Krank- heit gemäß ist, solche Geschwüre zu erregen. Denen so etwas widerfährt, die werden nach der Bemerkung des Hippokrates gesund, so sehr noch Heute unsere meisten Aerzte vor der Erscheinung eines brandigen Geschwüres erschrecken. Der Puls wird grösser, frey- er, lebhafter, gleicher; das Athmen leichter, ruhi- ger, und die Beklemmung läst nach; das Fieber wird geringer; die Haut weich und durchgängig von einem war- men Dunste befeuchtet. Burseri hat diesen Erfolg mit vielen Aerzten in bösartigen Krankheiten beobachtet. In den von Baraldo beschriebenen in Corregeo 1781
herr-
Gall I. Band R r
behutſam ſeyn, weil ſie durch den Reiz nicht ſelten nach den Gedaͤrmen hingeleitet wird, wo ſie oft ohne Rettung die haͤutigen Theile außerordentlich ſchnell durch den ſchlimmſten Brand zerſtoͤrt. Hingegen ſind in allen dergleichen Faͤllen aͤuſſerliche Reize angezeigt. Daher thun, vorzuͤglich in Fiebern von gallichtem, faulem Stoffe die ſcharfen Senfteige, welche man gleich Anfangs und lange fortbrauchen muß, ſo vortreffliche Dienſte. Tiſſot bemerkte, daß gegen die Tage, wo die nun aufgeloͤßte Materie beweglich zu werden an- fieng, eine ungeheure Menge eines ſehr ſcharfen Blut- waſſers nach den rothen und wunden Stellen zufloß, welche ſonſt vielleicht nach edlern Theilen hingefloſſen waͤre; ein Umſtand, den wir alle Tage bemerken koͤn- nen, und in Faul-Spital-Kerker und Nervenfiebern nie unbeſtaͤttigt finden wuͤrden, wenn wir unſere Heil- art auf dieſe Abſicht einrichteten. Dieſes ſollten wir nie vernachlaͤßigen, wo entweder der Kranke ein ſchwa- ches Eingeweid hat, oder wo es der Natur der Krank- heit gemaͤß iſt, ſolche Geſchwuͤre zu erregen. Denen ſo etwas widerfaͤhrt, die werden nach der Bemerkung des Hippokrates geſund, ſo ſehr noch Heute unſere meiſten Aerzte vor der Erſcheinung eines brandigen Geſchwuͤres erſchrecken. Der Puls wird groͤſſer, frey- er, lebhafter, gleicher; das Athmen leichter, ruhi- ger, und die Beklemmung laͤſt nach; das Fieber wird geringer; die Haut weich und durchgaͤngig von einem war- men Dunſte befeuchtet. Burſeri hat dieſen Erfolg mit vielen Aerzten in boͤsartigen Krankheiten beobachtet. In den von Baraldo beſchriebenen in Corregeo 1781
herr-
Gall I. Band R r
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0644"n="625"/>
behutſam ſeyn, weil ſie durch den Reiz nicht ſelten<lb/>
nach den Gedaͤrmen hingeleitet wird, wo ſie oft ohne<lb/>
Rettung die haͤutigen Theile außerordentlich ſchnell<lb/>
durch den ſchlimmſten Brand zerſtoͤrt. Hingegen ſind<lb/>
in allen dergleichen Faͤllen aͤuſſerliche Reize angezeigt.<lb/>
Daher thun, vorzuͤglich in Fiebern von gallichtem,<lb/>
faulem Stoffe die ſcharfen Senfteige, welche man gleich<lb/>
Anfangs und lange fortbrauchen muß, ſo vortreffliche<lb/>
Dienſte. <hirendition="#fr">Tiſſot</hi> bemerkte, daß gegen die Tage, wo<lb/>
die nun aufgeloͤßte Materie beweglich zu werden an-<lb/>
fieng, eine ungeheure Menge eines ſehr ſcharfen Blut-<lb/>
waſſers nach den rothen und wunden Stellen zufloß,<lb/>
welche ſonſt vielleicht nach edlern Theilen hingefloſſen<lb/>
waͤre; ein Umſtand, den wir alle Tage bemerken koͤn-<lb/>
nen, und in Faul-Spital-Kerker und Nervenfiebern<lb/>
nie unbeſtaͤttigt finden wuͤrden, wenn wir unſere Heil-<lb/>
art auf dieſe Abſicht einrichteten. Dieſes ſollten wir<lb/>
nie vernachlaͤßigen, wo entweder der Kranke ein ſchwa-<lb/>
ches Eingeweid hat, oder wo es der Natur der Krank-<lb/>
heit gemaͤß iſt, ſolche Geſchwuͤre zu erregen. Denen<lb/>ſo etwas widerfaͤhrt, die werden nach der Bemerkung<lb/>
des <hirendition="#fr">Hippokrates</hi> geſund, ſo ſehr noch Heute unſere<lb/>
meiſten Aerzte vor der Erſcheinung eines brandigen<lb/>
Geſchwuͤres erſchrecken. Der Puls wird groͤſſer, frey-<lb/>
er, lebhafter, gleicher; das Athmen leichter, ruhi-<lb/>
ger, und die Beklemmung laͤſt nach; das Fieber wird<lb/>
geringer; die Haut weich und durchgaͤngig von einem war-<lb/>
men Dunſte befeuchtet. <hirendition="#fr">Burſeri</hi> hat dieſen Erfolg mit<lb/>
vielen Aerzten in boͤsartigen Krankheiten beobachtet.<lb/>
In den von <hirendition="#fr">Baraldo</hi> beſchriebenen in <hirendition="#fr">Corregeo</hi> 1781<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Gall <hirendition="#aq">I.</hi> Band R r</fw><fwplace="bottom"type="catch">herr-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[625/0644]
behutſam ſeyn, weil ſie durch den Reiz nicht ſelten
nach den Gedaͤrmen hingeleitet wird, wo ſie oft ohne
Rettung die haͤutigen Theile außerordentlich ſchnell
durch den ſchlimmſten Brand zerſtoͤrt. Hingegen ſind
in allen dergleichen Faͤllen aͤuſſerliche Reize angezeigt.
Daher thun, vorzuͤglich in Fiebern von gallichtem,
faulem Stoffe die ſcharfen Senfteige, welche man gleich
Anfangs und lange fortbrauchen muß, ſo vortreffliche
Dienſte. Tiſſot bemerkte, daß gegen die Tage, wo
die nun aufgeloͤßte Materie beweglich zu werden an-
fieng, eine ungeheure Menge eines ſehr ſcharfen Blut-
waſſers nach den rothen und wunden Stellen zufloß,
welche ſonſt vielleicht nach edlern Theilen hingefloſſen
waͤre; ein Umſtand, den wir alle Tage bemerken koͤn-
nen, und in Faul-Spital-Kerker und Nervenfiebern
nie unbeſtaͤttigt finden wuͤrden, wenn wir unſere Heil-
art auf dieſe Abſicht einrichteten. Dieſes ſollten wir
nie vernachlaͤßigen, wo entweder der Kranke ein ſchwa-
ches Eingeweid hat, oder wo es der Natur der Krank-
heit gemaͤß iſt, ſolche Geſchwuͤre zu erregen. Denen
ſo etwas widerfaͤhrt, die werden nach der Bemerkung
des Hippokrates geſund, ſo ſehr noch Heute unſere
meiſten Aerzte vor der Erſcheinung eines brandigen
Geſchwuͤres erſchrecken. Der Puls wird groͤſſer, frey-
er, lebhafter, gleicher; das Athmen leichter, ruhi-
ger, und die Beklemmung laͤſt nach; das Fieber wird
geringer; die Haut weich und durchgaͤngig von einem war-
men Dunſte befeuchtet. Burſeri hat dieſen Erfolg mit
vielen Aerzten in boͤsartigen Krankheiten beobachtet.
In den von Baraldo beſchriebenen in Corregeo 1781
herr-
Gall I. Band R r
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/644>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.