bleibsel fortgeschaft werden. Sobald aber z. B. ein fauler Stoff im Magen liegt, so entsteht schon beym Anblick der sonst angenehmsten Speise ein Widerwil- len dagegen, und ihr Genuß erregt Erbrechen oder andere Unordnungen. Brech- und Abführungsmittel, die im gesunden Zustande den Körper abgemattet hät- te, verschaffen jezt wieder das vorige Wohlbefinden. Bey starken Dauwerkzeugen bleibt von der Milch ein derber Unrath zurück; sie gerinnt hingegen in einem schlappen Magen, verursacht Kneipen, gelieferte, flüßige, zwanghafte Stühle; den Gallichten macht sie Verstopfungen und erzeugt in ihnen die schärfste Gal- le. -- Je weniger überhaupt ein Heilmittel mit dem gesunden Zustande in Verwandtschaft steht, desto grö- ßere Veränderungen ist es fähig, in demselben hervor- zubringen; und eben deßwegen kann ein Ding vor- trefflich auf diesen oder jenen kranken Zustand passen, welches den gesunden oder einen andern kranken zer- rüttet hätte. Macht man also in der Wahl und den Gaben seiner Arzneyen, wie gewöhnlich zu geschehen pflegt, von ihrer Wirkung in dem gesunden Körper einen Schluß auf ihre Wirkung in dem Kranken; so wird man das ächte Verhältniß in eben dem Maaße verfehlen, als die Leibesbeschaffenheit, das Verhält- niß der Kräfte und der Reizbarkeit verschieden sind.
Ich kenne kein Heilmittel, und überhaupt kein Heilverfahren, welches eine bestimmte, immer diesel- be Wirkung hätte. Der Mohnsaft soll, den Schweiß ausgenommen, alle übrigen Ausleerungen unterdrü- cken; er soll eine beruhigende Kraft haben; die Schmer-
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bleibſel fortgeſchaft werden. Sobald aber z. B. ein fauler Stoff im Magen liegt, ſo entſteht ſchon beym Anblick der ſonſt angenehmſten Speiſe ein Widerwil- len dagegen, und ihr Genuß erregt Erbrechen oder andere Unordnungen. Brech- und Abfuͤhrungsmittel, die im geſunden Zuſtande den Koͤrper abgemattet haͤt- te, verſchaffen jezt wieder das vorige Wohlbefinden. Bey ſtarken Dauwerkzeugen bleibt von der Milch ein derber Unrath zuruͤck; ſie gerinnt hingegen in einem ſchlappen Magen, verurſacht Kneipen, gelieferte, fluͤßige, zwanghafte Stuͤhle; den Gallichten macht ſie Verſtopfungen und erzeugt in ihnen die ſchaͤrfſte Gal- le. — Je weniger uͤberhaupt ein Heilmittel mit dem geſunden Zuſtande in Verwandtſchaft ſteht, deſto groͤ- ßere Veraͤnderungen iſt es faͤhig, in demſelben hervor- zubringen; und eben deßwegen kann ein Ding vor- trefflich auf dieſen oder jenen kranken Zuſtand paſſen, welches den geſunden oder einen andern kranken zer- ruͤttet haͤtte. Macht man alſo in der Wahl und den Gaben ſeiner Arzneyen, wie gewoͤhnlich zu geſchehen pflegt, von ihrer Wirkung in dem geſunden Koͤrper einen Schluß auf ihre Wirkung in dem Kranken; ſo wird man das aͤchte Verhaͤltniß in eben dem Maaße verfehlen, als die Leibesbeſchaffenheit, das Verhaͤlt- niß der Kraͤfte und der Reizbarkeit verſchieden ſind.
Ich kenne kein Heilmittel, und uͤberhaupt kein Heilverfahren, welches eine beſtimmte, immer dieſel- be Wirkung haͤtte. Der Mohnſaft ſoll, den Schweiß ausgenommen, alle uͤbrigen Ausleerungen unterdruͤ- cken; er ſoll eine beruhigende Kraft haben; die Schmer-
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bleibſel fortgeſchaft werden. Sobald aber z. B. ein
fauler Stoff im Magen liegt, ſo entſteht ſchon beym
Anblick der ſonſt angenehmſten Speiſe ein Widerwil-
len dagegen, und ihr Genuß erregt Erbrechen oder
andere Unordnungen. Brech- und Abfuͤhrungsmittel,
die im geſunden Zuſtande den Koͤrper abgemattet haͤt-
te, verſchaffen jezt wieder das vorige Wohlbefinden.
Bey ſtarken Dauwerkzeugen bleibt von der Milch ein
derber Unrath zuruͤck; ſie gerinnt hingegen in einem
ſchlappen Magen, verurſacht Kneipen, gelieferte,
fluͤßige, zwanghafte Stuͤhle; den Gallichten macht ſie
Verſtopfungen und erzeugt in ihnen die ſchaͤrfſte Gal-
le. — Je weniger uͤberhaupt ein Heilmittel mit dem
geſunden Zuſtande in Verwandtſchaft ſteht, deſto groͤ-
ßere Veraͤnderungen iſt es faͤhig, in demſelben hervor-
zubringen; und eben deßwegen kann ein Ding vor-
trefflich auf dieſen oder jenen kranken Zuſtand paſſen,
welches den geſunden oder einen andern kranken zer-
ruͤttet haͤtte. Macht man alſo in der Wahl und den
Gaben ſeiner Arzneyen, wie gewoͤhnlich zu geſchehen
pflegt, von ihrer Wirkung in dem geſunden Koͤrper
einen Schluß auf ihre Wirkung in dem Kranken; ſo
wird man das aͤchte Verhaͤltniß in eben dem Maaße
verfehlen, als die Leibesbeſchaffenheit, das Verhaͤlt-
niß der Kraͤfte und der Reizbarkeit verſchieden ſind.
Ich kenne kein Heilmittel, und uͤberhaupt kein
Heilverfahren, welches eine beſtimmte, immer dieſel-
be Wirkung haͤtte. Der Mohnſaft ſoll, den Schweiß
ausgenommen, alle uͤbrigen Ausleerungen unterdruͤ-
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/623>, abgerufen am 24.11.2024.
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