am heftigsten wurden, und Hoffmann hat lange vor mir die nämlichen Zufälle beobachtet:
"Ein Mann von dreyßig Jahren hatte sich hef- tig entrüstet, und darauf berauschenden Wein getrun- ken. Am folgenden Tag klagte er über heftige Schmer- zen in dem obern Theil des Unterleibs, über eine an- haltende Neigung zum Erbrechen, und über eine Em- pfindung, als wenn ein Körper aus dem Magen in die Höhe steigen und aus dem Munde herausgehen wollte. Man gab ihm güldischen Spießglasschwefel, worauf Er sich stark erbrach. Am zweyten Tag be- fand er sich noch schlimmer. Außer den ersten Zu- fällen hatte er eine brennende Hitze im Magen, ein Zittern, eine Kälte der äußern Theile; er verfiel in Irrereden, bekam Zuckungen und starb." Alles die- ses hatte meine Kranke, obschon sie kein Brechmittel bekommen hatte. "Bey der Oeffnung des Leichnams fand man, daß der Magen und der zwölffingerdarm durch die Reitzung zerstört waren." Hätte sich die Schärfe, welche den eilften Tag die Schamtheile an- gefressen hat, auf den Magen geworfen, wie sie wahrscheinlich zuvor diese Gegend einnahm, so würde man ihn zuverläßig auch zerstört gefunden haben. Wie schwer es ist, und wie genau man mit der Na- tur einer Krankheit bekannt seyn muß, ehe man von der Wirkung eines Heilmittels richtig urtheilen kann!
Die Leser werden nun bald selbst vermuthen daß diese Gattung von Krankheit ihre eignen Zu- fälle habe, was ich beweisen wollte, und noch vollstän- diger darthun werde:
Die
am heftigſten wurden, und Hoffmann hat lange vor mir die naͤmlichen Zufaͤlle beobachtet:
“Ein Mann von dreyßig Jahren hatte ſich hef- tig entruͤſtet, und darauf berauſchenden Wein getrun- ken. Am folgenden Tag klagte er uͤber heftige Schmer- zen in dem obern Theil des Unterleibs, uͤber eine an- haltende Neigung zum Erbrechen, und uͤber eine Em- pfindung, als wenn ein Koͤrper aus dem Magen in die Hoͤhe ſteigen und aus dem Munde herausgehen wollte. Man gab ihm guͤldiſchen Spießglasſchwefel, worauf Er ſich ſtark erbrach. Am zweyten Tag be- fand er ſich noch ſchlimmer. Außer den erſten Zu- faͤllen hatte er eine brennende Hitze im Magen, ein Zittern, eine Kaͤlte der aͤußern Theile; er verfiel in Irrereden, bekam Zuckungen und ſtarb.„ Alles die- ſes hatte meine Kranke, obſchon ſie kein Brechmittel bekommen hatte. “Bey der Oeffnung des Leichnams fand man, daß der Magen und der zwoͤlffingerdarm durch die Reitzung zerſtoͤrt waren.„ Haͤtte ſich die Schaͤrfe, welche den eilften Tag die Schamtheile an- gefreſſen hat, auf den Magen geworfen, wie ſie wahrſcheinlich zuvor dieſe Gegend einnahm, ſo wuͤrde man ihn zuverlaͤßig auch zerſtoͤrt gefunden haben. Wie ſchwer es iſt, und wie genau man mit der Na- tur einer Krankheit bekannt ſeyn muß, ehe man von der Wirkung eines Heilmittels richtig urtheilen kann!
Die Leſer werden nun bald ſelbſt vermuthen daß dieſe Gattung von Krankheit ihre eignen Zu- faͤlle habe, was ich beweiſen wollte, und noch vollſtaͤn- diger darthun werde:
Die
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am heftigſten wurden, und Hoffmann hat lange vor
mir die naͤmlichen Zufaͤlle beobachtet:
“Ein Mann von dreyßig Jahren hatte ſich hef-
tig entruͤſtet, und darauf berauſchenden Wein getrun-
ken. Am folgenden Tag klagte er uͤber heftige Schmer-
zen in dem obern Theil des Unterleibs, uͤber eine an-
haltende Neigung zum Erbrechen, und uͤber eine Em-
pfindung, als wenn ein Koͤrper aus dem Magen in
die Hoͤhe ſteigen und aus dem Munde herausgehen
wollte. Man gab ihm guͤldiſchen Spießglasſchwefel,
worauf Er ſich ſtark erbrach. Am zweyten Tag be-
fand er ſich noch ſchlimmer. Außer den erſten Zu-
faͤllen hatte er eine brennende Hitze im Magen, ein
Zittern, eine Kaͤlte der aͤußern Theile; er verfiel in
Irrereden, bekam Zuckungen und ſtarb.„ Alles die-
ſes hatte meine Kranke, obſchon ſie kein Brechmittel
bekommen hatte. “Bey der Oeffnung des Leichnams
fand man, daß der Magen und der zwoͤlffingerdarm
durch die Reitzung zerſtoͤrt waren.„ Haͤtte ſich die
Schaͤrfe, welche den eilften Tag die Schamtheile an-
gefreſſen hat, auf den Magen geworfen, wie ſie
wahrſcheinlich zuvor dieſe Gegend einnahm, ſo wuͤrde
man ihn zuverlaͤßig auch zerſtoͤrt gefunden haben.
Wie ſchwer es iſt, und wie genau man mit der Na-
tur einer Krankheit bekannt ſeyn muß, ehe man von
der Wirkung eines Heilmittels richtig urtheilen kann!
Die Leſer werden nun bald ſelbſt vermuthen
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/611>, abgerufen am 24.11.2024.
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