len etc. Nach dem zweyten Löffelvoll der Mixtur konn- te sie besser schlücken; das Schnüren der Kehle, das Schluchzen, und die Stöße zum Erbrechen ließen nach, und sie wurde ruhiger; es giengen viele Winde ab, der Bauch wurde weicher; sie schlief gar nicht, und klagte immerwährend über Tröckne und hölzerne Sprö- digkeit des Mundes und des Halses, verlangte To- ckaier, den sie nicht erhielt.
Den fünften Tag in der Frühe lag sie ruhiger, aber noch eben so kraftlos da; der Kopf weniger heiß, und das Gesicht nimmer so todenblaß; aber die Augen stunden allermeist steif, das rechte einwärts ver- dreht, wenn das linke in der Mitte oder auswärts stund; dennoch, wenn man lebhaft auf sie rufte, schauete sie einen mit geradem Blicke an; sie konnte aber nichts erklären, und sagte blos, sie wisse nicht, wie ihr seye; das Athmen ängstig; der Bauch noch sehr schmerzhaft; keine Stühle; aber viel gallichter Harn mit schmutzig weißem, flockichtem ober dem Grunde des Gefäßes schwebendem Bodensatze; die Zun- ge feucht; der Puls schlug achtzigmal, weich, voll; etwas mehr Wärme, als sonst. Gegen eilf Uhr schlief sie eine Stunde lang unruhig; als man sie zurecht legen wollte, erbrach sie eine zähe, kleisterartige, lei- michte Materie mit grüner, scharfer Galle; der Kopf freyer, wie sie sich selbst erklärte; die Augen starre- ten nicht mehr, und sie erkannte Jedermann, erin- nerte sich aber an nichts, was Heute und Gestern vor- gegangen war; obschon die Zunge feucht war, klagte sie dennoch über die Sprödigkeit und den unauslösch-
lichen
len ꝛc. Nach dem zweyten Loͤffelvoll der Mixtur konn- te ſie beſſer ſchluͤcken; das Schnuͤren der Kehle, das Schluchzen, und die Stoͤße zum Erbrechen ließen nach, und ſie wurde ruhiger; es giengen viele Winde ab, der Bauch wurde weicher; ſie ſchlief gar nicht, und klagte immerwaͤhrend uͤber Troͤckne und hoͤlzerne Sproͤ- digkeit des Mundes und des Halſes, verlangte To- ckaier, den ſie nicht erhielt.
Den fuͤnften Tag in der Fruͤhe lag ſie ruhiger, aber noch eben ſo kraftlos da; der Kopf weniger heiß, und das Geſicht nimmer ſo todenblaß; aber die Augen ſtunden allermeiſt ſteif, das rechte einwaͤrts ver- dreht, wenn das linke in der Mitte oder auswaͤrts ſtund; dennoch, wenn man lebhaft auf ſie rufte, ſchauete ſie einen mit geradem Blicke an; ſie konnte aber nichts erklaͤren, und ſagte blos, ſie wiſſe nicht, wie ihr ſeye; das Athmen aͤngſtig; der Bauch noch ſehr ſchmerzhaft; keine Stuͤhle; aber viel gallichter Harn mit ſchmutzig weißem, flockichtem ober dem Grunde des Gefaͤßes ſchwebendem Bodenſatze; die Zun- ge feucht; der Puls ſchlug achtzigmal, weich, voll; etwas mehr Waͤrme, als ſonſt. Gegen eilf Uhr ſchlief ſie eine Stunde lang unruhig; als man ſie zurecht legen wollte, erbrach ſie eine zaͤhe, kleiſterartige, lei- michte Materie mit gruͤner, ſcharfer Galle; der Kopf freyer, wie ſie ſich ſelbſt erklaͤrte; die Augen ſtarre- ten nicht mehr, und ſie erkannte Jedermann, erin- nerte ſich aber an nichts, was Heute und Geſtern vor- gegangen war; obſchon die Zunge feucht war, klagte ſie dennoch uͤber die Sproͤdigkeit und den unausloͤſch-
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len ꝛc. Nach dem zweyten Loͤffelvoll der Mixtur konn-
te ſie beſſer ſchluͤcken; das Schnuͤren der Kehle, das
Schluchzen, und die Stoͤße zum Erbrechen ließen nach,
und ſie wurde ruhiger; es giengen viele Winde ab,
der Bauch wurde weicher; ſie ſchlief gar nicht, und
klagte immerwaͤhrend uͤber Troͤckne und hoͤlzerne Sproͤ-
digkeit des Mundes und des Halſes, verlangte To-
ckaier, den ſie nicht erhielt.
Den fuͤnften Tag in der Fruͤhe lag ſie ruhiger,
aber noch eben ſo kraftlos da; der Kopf weniger
heiß, und das Geſicht nimmer ſo todenblaß; aber die
Augen ſtunden allermeiſt ſteif, das rechte einwaͤrts ver-
dreht, wenn das linke in der Mitte oder auswaͤrts
ſtund; dennoch, wenn man lebhaft auf ſie rufte,
ſchauete ſie einen mit geradem Blicke an; ſie konnte
aber nichts erklaͤren, und ſagte blos, ſie wiſſe nicht,
wie ihr ſeye; das Athmen aͤngſtig; der Bauch noch
ſehr ſchmerzhaft; keine Stuͤhle; aber viel gallichter
Harn mit ſchmutzig weißem, flockichtem ober dem
Grunde des Gefaͤßes ſchwebendem Bodenſatze; die Zun-
ge feucht; der Puls ſchlug achtzigmal, weich, voll;
etwas mehr Waͤrme, als ſonſt. Gegen eilf Uhr ſchlief
ſie eine Stunde lang unruhig; als man ſie zurecht
legen wollte, erbrach ſie eine zaͤhe, kleiſterartige, lei-
michte Materie mit gruͤner, ſcharfer Galle; der Kopf
freyer, wie ſie ſich ſelbſt erklaͤrte; die Augen ſtarre-
ten nicht mehr, und ſie erkannte Jedermann, erin-
nerte ſich aber an nichts, was Heute und Geſtern vor-
gegangen war; obſchon die Zunge feucht war, klagte
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/604>, abgerufen am 24.11.2024.
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