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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Gran Brechweinstein kaum ein einziges Erbrechen.
Je mehr die Reitzbarkeit abnimmt, desto leidender
wird die Natur, und sie kann auf der höchsten Stu-
fe der Reitzlosigkeit die Bemühungen der Kunst auf
keine Weise mehr begünstigen, bis die Ursachen, wel-
che die Reitzbarkeit unterdrückt oder zerstöhrt haben,
gehoben sind, und jene wieder hergestellt ist. Die
sechzigjährige Frau bey Lanzysi lag zwey Tage ohne
alles Bestreben der Natur und ohne allen Nutzen der
Kunst, bis man durch Oeffnung der Goldaderknoten
die Ursache der Reitzlosigkeit wegschaffte, worauf ein
entstandenes Fieber die Frau herstellte. Einige Aerz-
te eifern darum auch so sehr gegen den häufigen Ge-
brauch der mineralischen Säuren in faulichten Krank-
heiten, weil diese die Reitzbarkeit der Schlagadern
und des Herzens schwächen. Hat die Fäulung der
Säfte, oder vielmehr, haben die faulartigen Zufälle
solcher Krankheiten ihren vornehmsten Grund in einer
zu geringen Reitzbarkeit der Nerven oder der Blutge-
fäse, wie in den Nervenfiebern, so haben Boissieu
und Bursery unstreitig recht, besonders, wenn diese
Reitzlosigkeit noch von grosser Entkräftung begleitet
ist. Aber, wenn die faulichte Auflösung eine Folge
des bösartigen, unreinen, gährenden Zunders ist,
wie in den gewöhnlichen gallichten Faulfiebern, und
die Entkräftung hat noch nicht einen sehr hohen Grad
erreichet, so werden diese Säuren vermög der theils
schon angeführten, theils noch anzuführenden Grund-
sätze die Lebenskräfte und die Reitzbarkeit vielmehr
erwecken als unterdrücken.


Außer

Gran Brechweinſtein kaum ein einziges Erbrechen.
Je mehr die Reitzbarkeit abnimmt, deſto leidender
wird die Natur, und ſie kann auf der hoͤchſten Stu-
fe der Reitzloſigkeit die Bemuͤhungen der Kunſt auf
keine Weiſe mehr beguͤnſtigen, bis die Urſachen, wel-
che die Reitzbarkeit unterdruͤckt oder zerſtoͤhrt haben,
gehoben ſind, und jene wieder hergeſtellt iſt. Die
ſechzigjaͤhrige Frau bey Lanzyſi lag zwey Tage ohne
alles Beſtreben der Natur und ohne allen Nutzen der
Kunſt, bis man durch Oeffnung der Goldaderknoten
die Urſache der Reitzloſigkeit wegſchaffte, worauf ein
entſtandenes Fieber die Frau herſtellte. Einige Aerz-
te eifern darum auch ſo ſehr gegen den haͤufigen Ge-
brauch der mineraliſchen Saͤuren in faulichten Krank-
heiten, weil dieſe die Reitzbarkeit der Schlagadern
und des Herzens ſchwaͤchen. Hat die Faͤulung der
Saͤfte, oder vielmehr, haben die faulartigen Zufaͤlle
ſolcher Krankheiten ihren vornehmſten Grund in einer
zu geringen Reitzbarkeit der Nerven oder der Blutge-
faͤſe, wie in den Nervenfiebern, ſo haben Boiſſieu
und Burſery unſtreitig recht, beſonders, wenn dieſe
Reitzloſigkeit noch von groſſer Entkraͤftung begleitet
iſt. Aber, wenn die faulichte Aufloͤſung eine Folge
des boͤsartigen, unreinen, gaͤhrenden Zunders iſt,
wie in den gewoͤhnlichen gallichten Faulfiebern, und
die Entkraͤftung hat noch nicht einen ſehr hohen Grad
erreichet, ſo werden dieſe Saͤuren vermoͤg der theils
ſchon angefuͤhrten, theils noch anzufuͤhrenden Grund-
ſaͤtze die Lebenskraͤfte und die Reitzbarkeit vielmehr
erwecken als unterdruͤcken.


Außer
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[549/0568] Gran Brechweinſtein kaum ein einziges Erbrechen. Je mehr die Reitzbarkeit abnimmt, deſto leidender wird die Natur, und ſie kann auf der hoͤchſten Stu- fe der Reitzloſigkeit die Bemuͤhungen der Kunſt auf keine Weiſe mehr beguͤnſtigen, bis die Urſachen, wel- che die Reitzbarkeit unterdruͤckt oder zerſtoͤhrt haben, gehoben ſind, und jene wieder hergeſtellt iſt. Die ſechzigjaͤhrige Frau bey Lanzyſi lag zwey Tage ohne alles Beſtreben der Natur und ohne allen Nutzen der Kunſt, bis man durch Oeffnung der Goldaderknoten die Urſache der Reitzloſigkeit wegſchaffte, worauf ein entſtandenes Fieber die Frau herſtellte. Einige Aerz- te eifern darum auch ſo ſehr gegen den haͤufigen Ge- brauch der mineraliſchen Saͤuren in faulichten Krank- heiten, weil dieſe die Reitzbarkeit der Schlagadern und des Herzens ſchwaͤchen. Hat die Faͤulung der Saͤfte, oder vielmehr, haben die faulartigen Zufaͤlle ſolcher Krankheiten ihren vornehmſten Grund in einer zu geringen Reitzbarkeit der Nerven oder der Blutge- faͤſe, wie in den Nervenfiebern, ſo haben Boiſſieu und Burſery unſtreitig recht, beſonders, wenn dieſe Reitzloſigkeit noch von groſſer Entkraͤftung begleitet iſt. Aber, wenn die faulichte Aufloͤſung eine Folge des boͤsartigen, unreinen, gaͤhrenden Zunders iſt, wie in den gewoͤhnlichen gallichten Faulfiebern, und die Entkraͤftung hat noch nicht einen ſehr hohen Grad erreichet, ſo werden dieſe Saͤuren vermoͤg der theils ſchon angefuͤhrten, theils noch anzufuͤhrenden Grund- ſaͤtze die Lebenskraͤfte und die Reitzbarkeit vielmehr erwecken als unterdruͤcken. Außer

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/568>, abgerufen am 24.11.2024.