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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Und glücklich das Weib, der die Natur, oder an ih-
rer Stelle der Arzt beyzeit diesen Dienst leistet! -- Die
ersten Wochen liegt der junge Hund keine Minute, oh-
ne daß irgend ein Glied oder Muskel zucke; man weis,
wie sehr Kinder die ersten Monate den Zuckungen
ergeben sind, und wie oft sie im Schlafe auffahren.
So wie das Auge des Hundes nach und nach den Reiz
des Lichtes erträgt, und sich auch von Tage zu Tage
der Gehörgang öffnet; eben so fängt auch das Kind
erst nach etlichen Wochen die Gegenstände zu beachten
an, und es äussert erst nach ungefähr einem Jahre Wi-
derwillen gegen bittere, eckelhafte Arzneyen. -- Nach
einigen Monaten wird der kleine Hund gefräßig; es
häufet sich Unrath in den Gedärmen, wozu sich bald
Würmer gesellen. Jezt schüttelt er öfters den Kopf,
niesset, trieft aus den Augen, Ohren und der Nase
eine stinkende, klebrichte Feuchtigkeit; die Gegend
um die Ohrenknorpel, innerhalb und außerhalb ums
Ohr schwellen an, vorzüglich aber die Enden der Ohrlap-
pen, welche schmerzhaft werden, und sehr häufig bil-
den sich an allen diesen Theilen breite, graue, harte,
bald trockne, bald feuchte Schörfe; die Halsdrüsen
sind geschwollen; der Bauch aufgetrieben, gespannt,
die Ribben und Lenden mager, die Haare straubicht
und unrein; die Freßgierde ist sehr unordentlich; die
Ausleerungen bald zwanghaft, bald schleimicht, schmie-
rig, glänzend, gebrochen, zäh, braun, weiß, mit
Blut untermischt; das arme Thier wird geplagt von
gählingen Bauchschmerzen, wird traurig, sucht Win-
kel, krümmt endlich den ausgezeerten, knotigen Rü-

Gall I. Band. C

Und gluͤcklich das Weib, der die Natur, oder an ih-
rer Stelle der Arzt beyzeit dieſen Dienſt leiſtet! — Die
erſten Wochen liegt der junge Hund keine Minute, oh-
ne daß irgend ein Glied oder Muſkel zucke; man weis,
wie ſehr Kinder die erſten Monate den Zuckungen
ergeben ſind, und wie oft ſie im Schlafe auffahren.
So wie das Auge des Hundes nach und nach den Reiz
des Lichtes ertraͤgt, und ſich auch von Tage zu Tage
der Gehoͤrgang oͤffnet; eben ſo faͤngt auch das Kind
erſt nach etlichen Wochen die Gegenſtaͤnde zu beachten
an, und es aͤuſſert erſt nach ungefaͤhr einem Jahre Wi-
derwillen gegen bittere, eckelhafte Arzneyen. — Nach
einigen Monaten wird der kleine Hund gefraͤßig; es
haͤufet ſich Unrath in den Gedaͤrmen, wozu ſich bald
Wuͤrmer geſellen. Jezt ſchuͤttelt er oͤfters den Kopf,
nieſſet, trieft aus den Augen, Ohren und der Naſe
eine ſtinkende, klebrichte Feuchtigkeit; die Gegend
um die Ohrenknorpel, innerhalb und außerhalb ums
Ohr ſchwellen an, vorzuͤglich aber die Enden der Ohrlap-
pen, welche ſchmerzhaft werden, und ſehr haͤufig bil-
den ſich an allen dieſen Theilen breite, graue, harte,
bald trockne, bald feuchte Schoͤrfe; die Halsdruͤſen
ſind geſchwollen; der Bauch aufgetrieben, geſpannt,
die Ribben und Lenden mager, die Haare ſtraubicht
und unrein; die Freßgierde iſt ſehr unordentlich; die
Ausleerungen bald zwanghaft, bald ſchleimicht, ſchmie-
rig, glaͤnzend, gebrochen, zaͤh, braun, weiß, mit
Blut untermiſcht; das arme Thier wird geplagt von
gaͤhlingen Bauchſchmerzen, wird traurig, ſucht Win-
kel, kruͤmmt endlich den ausgezeerten, knotigen Ruͤ-

Gall I. Band. C
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[33/0052] Und gluͤcklich das Weib, der die Natur, oder an ih- rer Stelle der Arzt beyzeit dieſen Dienſt leiſtet! — Die erſten Wochen liegt der junge Hund keine Minute, oh- ne daß irgend ein Glied oder Muſkel zucke; man weis, wie ſehr Kinder die erſten Monate den Zuckungen ergeben ſind, und wie oft ſie im Schlafe auffahren. So wie das Auge des Hundes nach und nach den Reiz des Lichtes ertraͤgt, und ſich auch von Tage zu Tage der Gehoͤrgang oͤffnet; eben ſo faͤngt auch das Kind erſt nach etlichen Wochen die Gegenſtaͤnde zu beachten an, und es aͤuſſert erſt nach ungefaͤhr einem Jahre Wi- derwillen gegen bittere, eckelhafte Arzneyen. — Nach einigen Monaten wird der kleine Hund gefraͤßig; es haͤufet ſich Unrath in den Gedaͤrmen, wozu ſich bald Wuͤrmer geſellen. Jezt ſchuͤttelt er oͤfters den Kopf, nieſſet, trieft aus den Augen, Ohren und der Naſe eine ſtinkende, klebrichte Feuchtigkeit; die Gegend um die Ohrenknorpel, innerhalb und außerhalb ums Ohr ſchwellen an, vorzuͤglich aber die Enden der Ohrlap- pen, welche ſchmerzhaft werden, und ſehr haͤufig bil- den ſich an allen dieſen Theilen breite, graue, harte, bald trockne, bald feuchte Schoͤrfe; die Halsdruͤſen ſind geſchwollen; der Bauch aufgetrieben, geſpannt, die Ribben und Lenden mager, die Haare ſtraubicht und unrein; die Freßgierde iſt ſehr unordentlich; die Ausleerungen bald zwanghaft, bald ſchleimicht, ſchmie- rig, glaͤnzend, gebrochen, zaͤh, braun, weiß, mit Blut untermiſcht; das arme Thier wird geplagt von gaͤhlingen Bauchſchmerzen, wird traurig, ſucht Win- kel, kruͤmmt endlich den ausgezeerten, knotigen Ruͤ- Gall I. Band. C

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/52>, abgerufen am 22.11.2024.