Weil nun die Entscheidungen, besonders deut- lich aber bey den Entzündungsfiebern und hitzigen Ner- venfiebern mit diesem Zeitpunkte der allgemeinen Ruhe und Erschlappung zusammentreffen, so folgerten einige, daß jene nur eine Wirkung der letztern seyen, und daß man also, um Entscheidungen zu bewirken, alsobald durch häufige Aderläßen und erschlappende Dinge die- sen Zustand zu erhalten suchen müsse.*) Man grün- dete auf diese irrige Vorstellung den Gebrauch der häufigen Aderläßen; und da es gewisse Krankheiten giebt, die durch frühzeitige und starke Ausleerungen in ihrem Entstehen erstickt werden können, so, daß sie sich ohne alle Art von Krists glücklich endigen; und da man die üblen Folgen einer Heilart, welcher man mehr aus Gewohnheit als Ueberzeugung anhängt, nicht auf derselben Rechnung schreibt; da ferner star- ke, blutreiche Leute manchmal, besonders in rheumati- schen Entzündungsfiebern, einen ungeheuren Blutver- lust ohne sehr schädliche Folgen ertragen können; so haben die Vertheidiger dieser Meinung die Besorgnis- se der Gegner für eine eitle Furcht gehalten, indem es in Krankheiten genug wäre, wenn die Kräfte zum Leben, zum Umlauf der Säfte und zu den Absönde- rungen hinreichten, da sie hingegen im gesunden Zu- stande zur Verdauung, zur Bewegung u. s. w. noth- wendig einen weit größern Aufwand brauchten.
Es ist überflüssig, noch einmal diese Meynung zu widerlegen; und es bleibt gewiß, daß alles, was man von Verminderung oder Verstärkung der Kräfte
in
*)Pujati de Victu febricitantium p. 115.
Weil nun die Entſcheidungen, beſonders deut- lich aber bey den Entzuͤndungsfiebern und hitzigen Ner- venfiebern mit dieſem Zeitpunkte der allgemeinen Ruhe und Erſchlappung zuſammentreffen, ſo folgerten einige, daß jene nur eine Wirkung der letztern ſeyen, und daß man alſo, um Entſcheidungen zu bewirken, alſobald durch haͤufige Aderlaͤßen und erſchlappende Dinge die- ſen Zuſtand zu erhalten ſuchen muͤſſe.*) Man gruͤn- dete auf dieſe irrige Vorſtellung den Gebrauch der haͤufigen Aderlaͤßen; und da es gewiſſe Krankheiten giebt, die durch fruͤhzeitige und ſtarke Ausleerungen in ihrem Entſtehen erſtickt werden koͤnnen, ſo, daß ſie ſich ohne alle Art von Kriſts gluͤcklich endigen; und da man die uͤblen Folgen einer Heilart, welcher man mehr aus Gewohnheit als Ueberzeugung anhaͤngt, nicht auf derſelben Rechnung ſchreibt; da ferner ſtar- ke, blutreiche Leute manchmal, beſonders in rheumati- ſchen Entzuͤndungsfiebern, einen ungeheuren Blutver- luſt ohne ſehr ſchaͤdliche Folgen ertragen koͤnnen; ſo haben die Vertheidiger dieſer Meinung die Beſorgniſ- ſe der Gegner fuͤr eine eitle Furcht gehalten, indem es in Krankheiten genug waͤre, wenn die Kraͤfte zum Leben, zum Umlauf der Saͤfte und zu den Abſoͤnde- rungen hinreichten, da ſie hingegen im geſunden Zu- ſtande zur Verdauung, zur Bewegung u. ſ. w. noth- wendig einen weit groͤßern Aufwand brauchten.
Es iſt uͤberfluͤſſig, noch einmal dieſe Meynung zu widerlegen; und es bleibt gewiß, daß alles, was man von Verminderung oder Verſtaͤrkung der Kraͤfte
in
*)Pujati de Victu febricitantium p. 115.
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Weil nun die Entſcheidungen, beſonders deut-
lich aber bey den Entzuͤndungsfiebern und hitzigen Ner-
venfiebern mit dieſem Zeitpunkte der allgemeinen Ruhe
und Erſchlappung zuſammentreffen, ſo folgerten einige,
daß jene nur eine Wirkung der letztern ſeyen, und daß
man alſo, um Entſcheidungen zu bewirken, alſobald
durch haͤufige Aderlaͤßen und erſchlappende Dinge die-
ſen Zuſtand zu erhalten ſuchen muͤſſe. *) Man gruͤn-
dete auf dieſe irrige Vorſtellung den Gebrauch der
haͤufigen Aderlaͤßen; und da es gewiſſe Krankheiten
giebt, die durch fruͤhzeitige und ſtarke Ausleerungen
in ihrem Entſtehen erſtickt werden koͤnnen, ſo, daß
ſie ſich ohne alle Art von Kriſts gluͤcklich endigen;
und da man die uͤblen Folgen einer Heilart, welcher
man mehr aus Gewohnheit als Ueberzeugung anhaͤngt,
nicht auf derſelben Rechnung ſchreibt; da ferner ſtar-
ke, blutreiche Leute manchmal, beſonders in rheumati-
ſchen Entzuͤndungsfiebern, einen ungeheuren Blutver-
luſt ohne ſehr ſchaͤdliche Folgen ertragen koͤnnen; ſo
haben die Vertheidiger dieſer Meinung die Beſorgniſ-
ſe der Gegner fuͤr eine eitle Furcht gehalten, indem
es in Krankheiten genug waͤre, wenn die Kraͤfte zum
Leben, zum Umlauf der Saͤfte und zu den Abſoͤnde-
rungen hinreichten, da ſie hingegen im geſunden Zu-
ſtande zur Verdauung, zur Bewegung u. ſ. w. noth-
wendig einen weit groͤßern Aufwand brauchten.
Es iſt uͤberfluͤſſig, noch einmal dieſe Meynung
zu widerlegen; und es bleibt gewiß, daß alles, was
man von Verminderung oder Verſtaͤrkung der Kraͤfte
in
*) Pujati de Victu febricitantium p. 115.
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/459>, abgerufen am 25.11.2024.
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