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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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starken Kaffee mit gewöhnlicher Kühmilch u. s. w.
Sobald sich die ersten Zähne zeigten, gab ich ihm
geräucherte Würste und Schinken, die er mit unbe-
greiflicher Begierde und in grosser Menge aß. Er
kroch mit blossem Hintern ohne Schuhe und Strümpfe,
ohne Kappe in dem rauhen Winter 1787 auf einem
mit Steinen belegten Boden herum, spielte sich mit
Schneeballen und Eißzapfen. Nun ist er zwar nicht
sehr groß; aber untersetzt; seine Glieder sind dick,
sein Fleisch derb, seine Haare kraus, seine Augen
lebhaft, die Gesichtsfarbe roth und der ganze Bube
ist Kraft und Munterkeit. Hie und da gehen Spul-
würmer von ihm, aber ohne die geringste Unpäßlich-
keit zu verursachen. Er hält die schnellsten, heftigsten
Bewegungen ganze halbe Tage ohne andere Ermü-
dung aus, als daß er die Nacht darauf desto tiefer
schläft. Dieses Beyspiel halte ich deßwegen für merk-
würdig, weil von den zehn vorhergegangenen Ge-
schwistern, wo doch die Schwächlichkeit der Mutter
noch nicht so groß war, neun vor dem 3ten Jahre am
Krampfhusten gestorben sind, und selbst die Mutter
alle Tage unabläßlich eine große Menge Schleim aus-
wirft.

Da dieser Gegenstand gar zu reichhaltig ist,
und schwerlich ein Leser die Wahrheit meine Behaup-
tung bezweiflen wird; so mag dieses im Allgemeinen
genug seyn. Wir wollen jetzt sehen, wie sich die hi-
tzigen Krankheiten verhalten, wenn sie schwächliche
oder geschwächte Körper befallen.


§. 37.

ſtarken Kaffee mit gewoͤhnlicher Kuͤhmilch u. ſ. w.
Sobald ſich die erſten Zaͤhne zeigten, gab ich ihm
geraͤucherte Wuͤrſte und Schinken, die er mit unbe-
greiflicher Begierde und in groſſer Menge aß. Er
kroch mit bloſſem Hintern ohne Schuhe und Struͤmpfe,
ohne Kappe in dem rauhen Winter 1787 auf einem
mit Steinen belegten Boden herum, ſpielte ſich mit
Schneeballen und Eißzapfen. Nun iſt er zwar nicht
ſehr groß; aber unterſetzt; ſeine Glieder ſind dick,
ſein Fleiſch derb, ſeine Haare kraus, ſeine Augen
lebhaft, die Geſichtsfarbe roth und der ganze Bube
iſt Kraft und Munterkeit. Hie und da gehen Spul-
wuͤrmer von ihm, aber ohne die geringſte Unpaͤßlich-
keit zu verurſachen. Er haͤlt die ſchnellſten, heftigſten
Bewegungen ganze halbe Tage ohne andere Ermuͤ-
dung aus, als daß er die Nacht darauf deſto tiefer
ſchlaͤft. Dieſes Beyſpiel halte ich deßwegen fuͤr merk-
wuͤrdig, weil von den zehn vorhergegangenen Ge-
ſchwiſtern, wo doch die Schwaͤchlichkeit der Mutter
noch nicht ſo groß war, neun vor dem 3ten Jahre am
Krampfhuſten geſtorben ſind, und ſelbſt die Mutter
alle Tage unablaͤßlich eine große Menge Schleim aus-
wirft.

Da dieſer Gegenſtand gar zu reichhaltig iſt,
und ſchwerlich ein Leſer die Wahrheit meine Behaup-
tung bezweiflen wird; ſo mag dieſes im Allgemeinen
genug ſeyn. Wir wollen jetzt ſehen, wie ſich die hi-
tzigen Krankheiten verhalten, wenn ſie ſchwaͤchliche
oder geſchwaͤchte Koͤrper befallen.


§. 37.
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[350/0369] ſtarken Kaffee mit gewoͤhnlicher Kuͤhmilch u. ſ. w. Sobald ſich die erſten Zaͤhne zeigten, gab ich ihm geraͤucherte Wuͤrſte und Schinken, die er mit unbe- greiflicher Begierde und in groſſer Menge aß. Er kroch mit bloſſem Hintern ohne Schuhe und Struͤmpfe, ohne Kappe in dem rauhen Winter 1787 auf einem mit Steinen belegten Boden herum, ſpielte ſich mit Schneeballen und Eißzapfen. Nun iſt er zwar nicht ſehr groß; aber unterſetzt; ſeine Glieder ſind dick, ſein Fleiſch derb, ſeine Haare kraus, ſeine Augen lebhaft, die Geſichtsfarbe roth und der ganze Bube iſt Kraft und Munterkeit. Hie und da gehen Spul- wuͤrmer von ihm, aber ohne die geringſte Unpaͤßlich- keit zu verurſachen. Er haͤlt die ſchnellſten, heftigſten Bewegungen ganze halbe Tage ohne andere Ermuͤ- dung aus, als daß er die Nacht darauf deſto tiefer ſchlaͤft. Dieſes Beyſpiel halte ich deßwegen fuͤr merk- wuͤrdig, weil von den zehn vorhergegangenen Ge- ſchwiſtern, wo doch die Schwaͤchlichkeit der Mutter noch nicht ſo groß war, neun vor dem 3ten Jahre am Krampfhuſten geſtorben ſind, und ſelbſt die Mutter alle Tage unablaͤßlich eine große Menge Schleim aus- wirft. Da dieſer Gegenſtand gar zu reichhaltig iſt, und ſchwerlich ein Leſer die Wahrheit meine Behaup- tung bezweiflen wird; ſo mag dieſes im Allgemeinen genug ſeyn. Wir wollen jetzt ſehen, wie ſich die hi- tzigen Krankheiten verhalten, wenn ſie ſchwaͤchliche oder geſchwaͤchte Koͤrper befallen. §. 37.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/369>, abgerufen am 28.11.2024.