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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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dem lebendigen Körper die Wirksamkeit dieser Mus-
kelfiebern ohne Theilnehmung der Seele bestehe, wel-
ches überdem unmöglich ist, nach den obigen Grund-
sätzen §. 277.

§. 283. Wer mit Hallern behaupten will, daß
der Grund der in den Muskelfiebern sich durch Zu-
sammenziehen offenbarenden Reizbarkeit, nicht in dem
Nervengeiste sey; dem liegt ob, dieses Zusammenzie-
hen darzustellen in Muskelfiebern, welche keine Ner-
ven erhalten. Für sich bestehende, von allem Ner-
venwesen unterschiedene Muskelfiebern sind vielleicht
gar nicht in dem menschlichen Körper vorhanden.
Bis diese Foderung befriedigt ist, bleibt es einleuch-
tend
, daß die in den Erscheinungen der Reizbarkeit
sich äußernde zusammenziehende Kraft, zunächst von
dem Nervengeist herrühre; in dem lebendigen Körper
abhängig, in dem todten aber unabhängig von dem
Antriebe der Seele.

§. 284. Wer in unterbundenen, oder sonst von
der Gemeinschaft des Gehirns abgesonderten Theilen
Wirksamkeit des Nervengeistes für unmöglich hält,
der wird getäuscht durch die oben widerlegte Hypothe-
se von dem Abfluß des Nervengeistes aus dem Ge-
hirn.

§. 285. Wenn Haller dem Gehirn und den
Nerven die Reizbarkeit abspricht, so schränkt er den
Begriff dieser Kraft etwas allzuwillkührlich ein, auf
sichtbare Zusammenziehlichkeit; beweißt aber keines-
wegs, daß der Grund dieser sichtbaren Zusammen-
ziehlichkeit, welche allerdings nicht möglich ist ohne

eine
Gall[ ]I. Band. B

dem lebendigen Koͤrper die Wirkſamkeit dieſer Mus-
kelfiebern ohne Theilnehmung der Seele beſtehe, wel-
ches uͤberdem unmoͤglich iſt, nach den obigen Grund-
ſaͤtzen §. 277.

§. 283. Wer mit Hallern behaupten will, daß
der Grund der in den Muskelfiebern ſich durch Zu-
ſammenziehen offenbarenden Reizbarkeit, nicht in dem
Nervengeiſte ſey; dem liegt ob, dieſes Zuſammenzie-
hen darzuſtellen in Muskelfiebern, welche keine Ner-
ven erhalten. Fuͤr ſich beſtehende, von allem Ner-
venweſen unterſchiedene Muskelfiebern ſind vielleicht
gar nicht in dem menſchlichen Koͤrper vorhanden.
Bis dieſe Foderung befriedigt iſt, bleibt es einleuch-
tend
, daß die in den Erſcheinungen der Reizbarkeit
ſich aͤußernde zuſammenziehende Kraft, zunaͤchſt von
dem Nervengeiſt herruͤhre; in dem lebendigen Koͤrper
abhaͤngig, in dem todten aber unabhaͤngig von dem
Antriebe der Seele.

§. 284. Wer in unterbundenen, oder ſonſt von
der Gemeinſchaft des Gehirns abgeſonderten Theilen
Wirkſamkeit des Nervengeiſtes fuͤr unmoͤglich haͤlt,
der wird getaͤuſcht durch die oben widerlegte Hypothe-
ſe von dem Abfluß des Nervengeiſtes aus dem Ge-
hirn.

§. 285. Wenn Haller dem Gehirn und den
Nerven die Reizbarkeit abſpricht, ſo ſchraͤnkt er den
Begriff dieſer Kraft etwas allzuwillkuͤhrlich ein, auf
ſichtbare Zuſammenziehlichkeit; beweißt aber keines-
wegs, daß der Grund dieſer ſichtbaren Zuſammen-
ziehlichkeit, welche allerdings nicht moͤglich iſt ohne

eine
Gall[ ]I. Band. B
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[17/0036] dem lebendigen Koͤrper die Wirkſamkeit dieſer Mus- kelfiebern ohne Theilnehmung der Seele beſtehe, wel- ches uͤberdem unmoͤglich iſt, nach den obigen Grund- ſaͤtzen §. 277. §. 283. Wer mit Hallern behaupten will, daß der Grund der in den Muskelfiebern ſich durch Zu- ſammenziehen offenbarenden Reizbarkeit, nicht in dem Nervengeiſte ſey; dem liegt ob, dieſes Zuſammenzie- hen darzuſtellen in Muskelfiebern, welche keine Ner- ven erhalten. Fuͤr ſich beſtehende, von allem Ner- venweſen unterſchiedene Muskelfiebern ſind vielleicht gar nicht in dem menſchlichen Koͤrper vorhanden. Bis dieſe Foderung befriedigt iſt, bleibt es einleuch- tend, daß die in den Erſcheinungen der Reizbarkeit ſich aͤußernde zuſammenziehende Kraft, zunaͤchſt von dem Nervengeiſt herruͤhre; in dem lebendigen Koͤrper abhaͤngig, in dem todten aber unabhaͤngig von dem Antriebe der Seele. §. 284. Wer in unterbundenen, oder ſonſt von der Gemeinſchaft des Gehirns abgeſonderten Theilen Wirkſamkeit des Nervengeiſtes fuͤr unmoͤglich haͤlt, der wird getaͤuſcht durch die oben widerlegte Hypothe- ſe von dem Abfluß des Nervengeiſtes aus dem Ge- hirn. §. 285. Wenn Haller dem Gehirn und den Nerven die Reizbarkeit abſpricht, ſo ſchraͤnkt er den Begriff dieſer Kraft etwas allzuwillkuͤhrlich ein, auf ſichtbare Zuſammenziehlichkeit; beweißt aber keines- wegs, daß der Grund dieſer ſichtbaren Zuſammen- ziehlichkeit, welche allerdings nicht moͤglich iſt ohne eine Gall I. Band. B

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/36>, abgerufen am 21.11.2024.