tergraben, und eine unheilbare Auszehrung verursa- chen. -- Man vermuthet mit Recht, daß sich das Podagra in wenig Jahren in die Hippochondrie, Mut- terbeschwerden und Gallenkrankheiten, welche ohnehin alle Tage überall allgemeiner werden, verlieren wird, da auch schon in Deutschland die regelmäßigen An- fälle desselben seltner werden. -- Wo Frank von der Unempfindlichkeit unserer Voreltern gegen verschiedene auf uns heftiger wirkende Ursachen der Krankheiten redet, sagt Er: "Unter Voraussetzung einer besondern Lebensart unserer Väter, die sich durch beständigen Wechsel ihrer Wohnungen wider den Einfluß jeder veränderten Atmosphäre auf ihre weniger empfindlichen Leiber härteten, war eine feuchte sumpfichte Gegend das nicht, was sie ihren verzärtelten Enkeln ist.*) Die Hippochondrie, die Unverdaulichkeiten, Blähun- gen, vermehrte Reitzbarkeit, Krämpfe, Blutspeyen, Schlagflüße, Auszehren schreibt er der grossen Ver- zärtlung zu. Es sterben jezt jährlich mehr Kinder, sagt er, als ehemals an den Pocken; da, wo vor- malen von fünfzehn eines starb, jezt sich selbst über- lassen das zwölfte stirbt. Die Zuckungen und das Zah- nen entziehen nach Londner Listen jezt dreimal mehr Kinder, als vor hundert Jahren; und auch in we- niger grossen Städten als die englische Hauptstadt. In Berlin, Breßlau hat man ein gleiches beobachtet, weil nämlich die Schwäche erschöpfter Eltern mehr und mehr auf ihre Nachkommenschaft fortgepflanzt wird.
Aus
*) Medizinische P[o]lizey Thl. 1. S. 36.
tergraben, und eine unheilbare Auszehrung verurſa- chen. — Man vermuthet mit Recht, daß ſich das Podagra in wenig Jahren in die Hippochondrie, Mut- terbeſchwerden und Gallenkrankheiten, welche ohnehin alle Tage uͤberall allgemeiner werden, verlieren wird, da auch ſchon in Deutſchland die regelmaͤßigen An- faͤlle deſſelben ſeltner werden. — Wo Frank von der Unempfindlichkeit unſerer Voreltern gegen verſchiedene auf uns heftiger wirkende Urſachen der Krankheiten redet, ſagt Er: „Unter Vorausſetzung einer beſondern Lebensart unſerer Vaͤter, die ſich durch beſtaͤndigen Wechſel ihrer Wohnungen wider den Einfluß jeder veraͤnderten Atmoſphaͤre auf ihre weniger empfindlichen Leiber haͤrteten, war eine feuchte ſumpfichte Gegend das nicht, was ſie ihren verzaͤrtelten Enkeln iſt.*) Die Hippochondrie, die Unverdaulichkeiten, Blaͤhun- gen, vermehrte Reitzbarkeit, Kraͤmpfe, Blutſpeyen, Schlagfluͤße, Auszehren ſchreibt er der groſſen Ver- zaͤrtlung zu. Es ſterben jezt jaͤhrlich mehr Kinder, ſagt er, als ehemals an den Pocken; da, wo vor- malen von fuͤnfzehn eines ſtarb, jezt ſich ſelbſt uͤber- laſſen das zwoͤlfte ſtirbt. Die Zuckungen und das Zah- nen entziehen nach Londner Liſten jezt dreimal mehr Kinder, als vor hundert Jahren; und auch in we- niger groſſen Staͤdten als die engliſche Hauptſtadt. In Berlin, Breßlau hat man ein gleiches beobachtet, weil naͤmlich die Schwaͤche erſchoͤpfter Eltern mehr und mehr auf ihre Nachkommenſchaft fortgepflanzt wird.
Aus
*) Mediziniſche P[o]lizey Thl. 1. S. 36.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0319"n="300"/>
tergraben, und eine unheilbare Auszehrung verurſa-<lb/>
chen. — Man vermuthet mit Recht, daß ſich das<lb/>
Podagra in wenig Jahren in die Hippochondrie, Mut-<lb/>
terbeſchwerden und Gallenkrankheiten, welche ohnehin<lb/>
alle Tage uͤberall allgemeiner werden, verlieren wird,<lb/>
da auch ſchon in Deutſchland die regelmaͤßigen An-<lb/>
faͤlle deſſelben ſeltner werden. — Wo <hirendition="#fr">Frank</hi> von der<lb/>
Unempfindlichkeit unſerer Voreltern gegen verſchiedene<lb/>
auf uns heftiger wirkende Urſachen der Krankheiten<lb/>
redet, ſagt Er: „Unter Vorausſetzung einer beſondern<lb/>
Lebensart unſerer Vaͤter, die ſich durch beſtaͤndigen<lb/>
Wechſel ihrer Wohnungen wider den Einfluß jeder<lb/>
veraͤnderten Atmoſphaͤre auf ihre weniger empfindlichen<lb/>
Leiber haͤrteten, war eine feuchte ſumpfichte Gegend<lb/>
das nicht, was ſie ihren verzaͤrtelten Enkeln iſt.<noteplace="foot"n="*)">Mediziniſche P<supplied>o</supplied>lizey Thl. 1. S. 36.</note><lb/>
Die Hippochondrie, die Unverdaulichkeiten, Blaͤhun-<lb/>
gen, vermehrte Reitzbarkeit, Kraͤmpfe, Blutſpeyen,<lb/>
Schlagfluͤße, Auszehren ſchreibt er der groſſen Ver-<lb/>
zaͤrtlung zu. Es ſterben jezt jaͤhrlich mehr Kinder,<lb/>ſagt er, als ehemals an den Pocken; da, wo vor-<lb/>
malen von fuͤnfzehn eines ſtarb, jezt ſich ſelbſt uͤber-<lb/>
laſſen das zwoͤlfte ſtirbt. Die Zuckungen und das Zah-<lb/>
nen entziehen nach Londner Liſten jezt dreimal mehr<lb/>
Kinder, als vor hundert Jahren; und auch in we-<lb/>
niger groſſen Staͤdten als die engliſche Hauptſtadt.<lb/>
In Berlin, Breßlau hat man ein gleiches beobachtet,<lb/>
weil naͤmlich die Schwaͤche erſchoͤpfter Eltern mehr und<lb/>
mehr auf ihre Nachkommenſchaft fortgepflanzt wird.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Aus</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[300/0319]
tergraben, und eine unheilbare Auszehrung verurſa-
chen. — Man vermuthet mit Recht, daß ſich das
Podagra in wenig Jahren in die Hippochondrie, Mut-
terbeſchwerden und Gallenkrankheiten, welche ohnehin
alle Tage uͤberall allgemeiner werden, verlieren wird,
da auch ſchon in Deutſchland die regelmaͤßigen An-
faͤlle deſſelben ſeltner werden. — Wo Frank von der
Unempfindlichkeit unſerer Voreltern gegen verſchiedene
auf uns heftiger wirkende Urſachen der Krankheiten
redet, ſagt Er: „Unter Vorausſetzung einer beſondern
Lebensart unſerer Vaͤter, die ſich durch beſtaͤndigen
Wechſel ihrer Wohnungen wider den Einfluß jeder
veraͤnderten Atmoſphaͤre auf ihre weniger empfindlichen
Leiber haͤrteten, war eine feuchte ſumpfichte Gegend
das nicht, was ſie ihren verzaͤrtelten Enkeln iſt. *)
Die Hippochondrie, die Unverdaulichkeiten, Blaͤhun-
gen, vermehrte Reitzbarkeit, Kraͤmpfe, Blutſpeyen,
Schlagfluͤße, Auszehren ſchreibt er der groſſen Ver-
zaͤrtlung zu. Es ſterben jezt jaͤhrlich mehr Kinder,
ſagt er, als ehemals an den Pocken; da, wo vor-
malen von fuͤnfzehn eines ſtarb, jezt ſich ſelbſt uͤber-
laſſen das zwoͤlfte ſtirbt. Die Zuckungen und das Zah-
nen entziehen nach Londner Liſten jezt dreimal mehr
Kinder, als vor hundert Jahren; und auch in we-
niger groſſen Staͤdten als die engliſche Hauptſtadt.
In Berlin, Breßlau hat man ein gleiches beobachtet,
weil naͤmlich die Schwaͤche erſchoͤpfter Eltern mehr und
mehr auf ihre Nachkommenſchaft fortgepflanzt wird.
Aus
*) Mediziniſche Polizey Thl. 1. S. 36.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/319>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.