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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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tergraben, und eine unheilbare Auszehrung verursa-
chen. -- Man vermuthet mit Recht, daß sich das
Podagra in wenig Jahren in die Hippochondrie, Mut-
terbeschwerden und Gallenkrankheiten, welche ohnehin
alle Tage überall allgemeiner werden, verlieren wird,
da auch schon in Deutschland die regelmäßigen An-
fälle desselben seltner werden. -- Wo Frank von der
Unempfindlichkeit unserer Voreltern gegen verschiedene
auf uns heftiger wirkende Ursachen der Krankheiten
redet, sagt Er: "Unter Voraussetzung einer besondern
Lebensart unserer Väter, die sich durch beständigen
Wechsel ihrer Wohnungen wider den Einfluß jeder
veränderten Atmosphäre auf ihre weniger empfindlichen
Leiber härteten, war eine feuchte sumpfichte Gegend
das nicht, was sie ihren verzärtelten Enkeln ist.*)
Die Hippochondrie, die Unverdaulichkeiten, Blähun-
gen, vermehrte Reitzbarkeit, Krämpfe, Blutspeyen,
Schlagflüße, Auszehren schreibt er der grossen Ver-
zärtlung zu. Es sterben jezt jährlich mehr Kinder,
sagt er, als ehemals an den Pocken; da, wo vor-
malen von fünfzehn eines starb, jezt sich selbst über-
lassen das zwölfte stirbt. Die Zuckungen und das Zah-
nen entziehen nach Londner Listen jezt dreimal mehr
Kinder, als vor hundert Jahren; und auch in we-
niger grossen Städten als die englische Hauptstadt.
In Berlin, Breßlau hat man ein gleiches beobachtet,
weil nämlich die Schwäche erschöpfter Eltern mehr und
mehr auf ihre Nachkommenschaft fortgepflanzt wird.

Aus
*) Medizinische P[o]lizey Thl. 1. S. 36.

tergraben, und eine unheilbare Auszehrung verurſa-
chen. — Man vermuthet mit Recht, daß ſich das
Podagra in wenig Jahren in die Hippochondrie, Mut-
terbeſchwerden und Gallenkrankheiten, welche ohnehin
alle Tage uͤberall allgemeiner werden, verlieren wird,
da auch ſchon in Deutſchland die regelmaͤßigen An-
faͤlle deſſelben ſeltner werden. — Wo Frank von der
Unempfindlichkeit unſerer Voreltern gegen verſchiedene
auf uns heftiger wirkende Urſachen der Krankheiten
redet, ſagt Er: „Unter Vorausſetzung einer beſondern
Lebensart unſerer Vaͤter, die ſich durch beſtaͤndigen
Wechſel ihrer Wohnungen wider den Einfluß jeder
veraͤnderten Atmoſphaͤre auf ihre weniger empfindlichen
Leiber haͤrteten, war eine feuchte ſumpfichte Gegend
das nicht, was ſie ihren verzaͤrtelten Enkeln iſt.*)
Die Hippochondrie, die Unverdaulichkeiten, Blaͤhun-
gen, vermehrte Reitzbarkeit, Kraͤmpfe, Blutſpeyen,
Schlagfluͤße, Auszehren ſchreibt er der groſſen Ver-
zaͤrtlung zu. Es ſterben jezt jaͤhrlich mehr Kinder,
ſagt er, als ehemals an den Pocken; da, wo vor-
malen von fuͤnfzehn eines ſtarb, jezt ſich ſelbſt uͤber-
laſſen das zwoͤlfte ſtirbt. Die Zuckungen und das Zah-
nen entziehen nach Londner Liſten jezt dreimal mehr
Kinder, als vor hundert Jahren; und auch in we-
niger groſſen Staͤdten als die engliſche Hauptſtadt.
In Berlin, Breßlau hat man ein gleiches beobachtet,
weil naͤmlich die Schwaͤche erſchoͤpfter Eltern mehr und
mehr auf ihre Nachkommenſchaft fortgepflanzt wird.

Aus
*) Mediziniſche P[o]lizey Thl. 1. S. 36.
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[300/0319] tergraben, und eine unheilbare Auszehrung verurſa- chen. — Man vermuthet mit Recht, daß ſich das Podagra in wenig Jahren in die Hippochondrie, Mut- terbeſchwerden und Gallenkrankheiten, welche ohnehin alle Tage uͤberall allgemeiner werden, verlieren wird, da auch ſchon in Deutſchland die regelmaͤßigen An- faͤlle deſſelben ſeltner werden. — Wo Frank von der Unempfindlichkeit unſerer Voreltern gegen verſchiedene auf uns heftiger wirkende Urſachen der Krankheiten redet, ſagt Er: „Unter Vorausſetzung einer beſondern Lebensart unſerer Vaͤter, die ſich durch beſtaͤndigen Wechſel ihrer Wohnungen wider den Einfluß jeder veraͤnderten Atmoſphaͤre auf ihre weniger empfindlichen Leiber haͤrteten, war eine feuchte ſumpfichte Gegend das nicht, was ſie ihren verzaͤrtelten Enkeln iſt. *) Die Hippochondrie, die Unverdaulichkeiten, Blaͤhun- gen, vermehrte Reitzbarkeit, Kraͤmpfe, Blutſpeyen, Schlagfluͤße, Auszehren ſchreibt er der groſſen Ver- zaͤrtlung zu. Es ſterben jezt jaͤhrlich mehr Kinder, ſagt er, als ehemals an den Pocken; da, wo vor- malen von fuͤnfzehn eines ſtarb, jezt ſich ſelbſt uͤber- laſſen das zwoͤlfte ſtirbt. Die Zuckungen und das Zah- nen entziehen nach Londner Liſten jezt dreimal mehr Kinder, als vor hundert Jahren; und auch in we- niger groſſen Staͤdten als die engliſche Hauptſtadt. In Berlin, Breßlau hat man ein gleiches beobachtet, weil naͤmlich die Schwaͤche erſchoͤpfter Eltern mehr und mehr auf ihre Nachkommenſchaft fortgepflanzt wird. Aus *) Mediziniſche Polizey Thl. 1. S. 36.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/319>, abgerufen am 25.11.2024.