den Wahnwitz verfallen, und dennoch sich wieder er- holen kann. Er hatte vier Jahre lang ein Weib un- ter den Augen, das zugleich mit der wütenden Geil- heit und der fallenden Sucht befallen war. -- Dem Hippokrates waren Bewegungen der Hand gegen die Stirne, vielfältiges Ausgreifen in die Luft, Su- chen und Zupfen an den Betttuchen und den Wänden noch tödlich: Wir heilen unsere Kranken bey allen diesen Zufällen. -- Im hiesigen Krankenhause sah ich den Hr. Doktor Beutel, obschon er in einem Faulfie- ber schon das gelähmte Schlingen hatte, wobey man die Arzneyen, wie in einen holen Sack, fallen hört, unter Stoll noch genesen. -- Die Zeichen der Verwer- fungen nach den Gehirnhölen oder dem Rückgrad und dem verlängerten Gehirnmark sind uns bey weitem nicht mehr so schrecklich, wie sie es noch vor wenigen Jah- ren waren. Durch zur rechten Zeit angebrachte äu- ßerliche Reize und kleine Blutläßen zu einer oder zwey Unzen wissen wir die Wiedereinsaugung der scharfen Lymphe zu bewirken. -- Kämpf hat uns gelehrt, den noch von Boerhave für unheilbar erklärten Glasschleim aufzulösen. -- Die Versuche mit dem Lorberkirschenwas- ser werden uns vielleicht noch die vom Durchschwitzen der gerinnbaren Lymphe entstandenen Verwachsungen, Engbrüstigkeiten und Unfruchtbarkeiten heilen lehren. -- Man hielt es immer für eine sehr schlimme Vorher- deutung, wenn im entzündlichen Seitenstiche vor dem Ende des vierten Tags keine Entscheidung durch ge- kochten Auswurf zu Stande kam; aber Strack hat
das
R 2
den Wahnwitz verfallen, und dennoch ſich wieder er- holen kann. Er hatte vier Jahre lang ein Weib un- ter den Augen, das zugleich mit der wuͤtenden Geil- heit und der fallenden Sucht befallen war. — Dem Hippokrates waren Bewegungen der Hand gegen die Stirne, vielfaͤltiges Ausgreifen in die Luft, Su- chen und Zupfen an den Betttuchen und den Waͤnden noch toͤdlich: Wir heilen unſere Kranken bey allen dieſen Zufaͤllen. — Im hieſigen Krankenhauſe ſah ich den Hr. Doktor Beutel, obſchon er in einem Faulfie- ber ſchon das gelaͤhmte Schlingen hatte, wobey man die Arzneyen, wie in einen holen Sack, fallen hoͤrt, unter Stoll noch geneſen. — Die Zeichen der Verwer- fungen nach den Gehirnhoͤlen oder dem Ruͤckgrad und dem verlaͤngerten Gehirnmark ſind uns bey weitem nicht mehr ſo ſchrecklich, wie ſie es noch vor wenigen Jah- ren waren. Durch zur rechten Zeit angebrachte aͤu- ßerliche Reize und kleine Blutlaͤßen zu einer oder zwey Unzen wiſſen wir die Wiedereinſaugung der ſcharfen Lymphe zu bewirken. — Kämpf hat uns gelehrt, den noch von Boerhave fuͤr unheilbar erklaͤrten Glasſchleim aufzuloͤſen. — Die Verſuche mit dem Lorberkirſchenwaſ- ſer werden uns vielleicht noch die vom Durchſchwitzen der gerinnbaren Lymphe entſtandenen Verwachſungen, Engbruͤſtigkeiten und Unfruchtbarkeiten heilen lehren. — Man hielt es immer fuͤr eine ſehr ſchlimme Vorher- deutung, wenn im entzuͤndlichen Seitenſtiche vor dem Ende des vierten Tags keine Entſcheidung durch ge- kochten Auswurf zu Stande kam; aber Strack hat
das
R 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0278"n="259"/>
den Wahnwitz verfallen, und dennoch ſich wieder er-<lb/>
holen kann. Er hatte vier Jahre lang ein Weib un-<lb/>
ter den Augen, das zugleich mit der wuͤtenden Geil-<lb/>
heit und der fallenden Sucht befallen war. — Dem<lb/><hirendition="#fr">Hippokrates</hi> waren Bewegungen der Hand gegen<lb/>
die Stirne, vielfaͤltiges Ausgreifen in die Luft, Su-<lb/>
chen und Zupfen an den Betttuchen und den Waͤnden<lb/>
noch toͤdlich: Wir heilen unſere Kranken bey allen<lb/>
dieſen Zufaͤllen. — Im hieſigen Krankenhauſe ſah ich<lb/>
den Hr. Doktor <hirendition="#fr">Beutel</hi>, obſchon er in einem Faulfie-<lb/>
ber ſchon das gelaͤhmte Schlingen hatte, wobey man<lb/>
die Arzneyen, wie in einen holen Sack, fallen hoͤrt,<lb/>
unter <hirendition="#fr">Stoll</hi> noch geneſen. — Die Zeichen der Verwer-<lb/>
fungen nach den Gehirnhoͤlen oder dem Ruͤckgrad und<lb/>
dem verlaͤngerten Gehirnmark ſind uns bey weitem nicht<lb/>
mehr ſo ſchrecklich, wie ſie es noch vor wenigen Jah-<lb/>
ren waren. Durch zur rechten Zeit angebrachte aͤu-<lb/>
ßerliche Reize und kleine Blutlaͤßen zu einer oder zwey<lb/>
Unzen wiſſen wir die Wiedereinſaugung der ſcharfen<lb/>
Lymphe zu bewirken. —<hirendition="#fr">Kämpf</hi> hat uns gelehrt, den<lb/>
noch von <hirendition="#fr">Boerhave</hi> fuͤr unheilbar erklaͤrten Glasſchleim<lb/>
aufzuloͤſen. — Die Verſuche mit dem Lorberkirſchenwaſ-<lb/>ſer werden uns vielleicht noch die vom Durchſchwitzen<lb/>
der gerinnbaren Lymphe entſtandenen Verwachſungen,<lb/>
Engbruͤſtigkeiten und Unfruchtbarkeiten heilen lehren. —<lb/>
Man hielt es immer fuͤr eine ſehr ſchlimme Vorher-<lb/>
deutung, wenn im entzuͤndlichen Seitenſtiche vor dem<lb/>
Ende des vierten Tags keine Entſcheidung durch ge-<lb/>
kochten Auswurf zu Stande kam; aber <hirendition="#fr">Strack</hi> hat<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">das</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[259/0278]
den Wahnwitz verfallen, und dennoch ſich wieder er-
holen kann. Er hatte vier Jahre lang ein Weib un-
ter den Augen, das zugleich mit der wuͤtenden Geil-
heit und der fallenden Sucht befallen war. — Dem
Hippokrates waren Bewegungen der Hand gegen
die Stirne, vielfaͤltiges Ausgreifen in die Luft, Su-
chen und Zupfen an den Betttuchen und den Waͤnden
noch toͤdlich: Wir heilen unſere Kranken bey allen
dieſen Zufaͤllen. — Im hieſigen Krankenhauſe ſah ich
den Hr. Doktor Beutel, obſchon er in einem Faulfie-
ber ſchon das gelaͤhmte Schlingen hatte, wobey man
die Arzneyen, wie in einen holen Sack, fallen hoͤrt,
unter Stoll noch geneſen. — Die Zeichen der Verwer-
fungen nach den Gehirnhoͤlen oder dem Ruͤckgrad und
dem verlaͤngerten Gehirnmark ſind uns bey weitem nicht
mehr ſo ſchrecklich, wie ſie es noch vor wenigen Jah-
ren waren. Durch zur rechten Zeit angebrachte aͤu-
ßerliche Reize und kleine Blutlaͤßen zu einer oder zwey
Unzen wiſſen wir die Wiedereinſaugung der ſcharfen
Lymphe zu bewirken. — Kämpf hat uns gelehrt, den
noch von Boerhave fuͤr unheilbar erklaͤrten Glasſchleim
aufzuloͤſen. — Die Verſuche mit dem Lorberkirſchenwaſ-
ſer werden uns vielleicht noch die vom Durchſchwitzen
der gerinnbaren Lymphe entſtandenen Verwachſungen,
Engbruͤſtigkeiten und Unfruchtbarkeiten heilen lehren. —
Man hielt es immer fuͤr eine ſehr ſchlimme Vorher-
deutung, wenn im entzuͤndlichen Seitenſtiche vor dem
Ende des vierten Tags keine Entſcheidung durch ge-
kochten Auswurf zu Stande kam; aber Strack hat
das
R 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/278>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.