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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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von den Säften abgeschieden, und in den Darmkanal
abgesezt hatte, auszuführen. Sobald der Magen und
die Gedärme eine stärkere Nahrung verarbeiten konn-
ten, so verlängerte sie nach und nach die Zähne; weil sie
aber bey diesem Unternehmen nicht jeden gefährlichen
Umstand vermeiden konnte, so reinigte sie den Kör-
per theils durch einen Bauchfluß, theils schützte sie
ihn dadurch und durch das reichliche Geifern eines
scharfen Speichels gegen die von Schmerz und Krampf
zu besorgenden wässerichten Ergiessungen in die Hirn-
höhlen; wenn das jezt noch unvermeidliche Misverhält-
niß der Theile und derselben Schwäche den verwege-
nen Gängler zu Boden wirft, so hatte sie ihm den Hin-
tern mit derbem Fleische gefüttert, oder streckte ihm eil-
fertigst die Hände aus, und bewahrte so die edleren
Theile; sie schloß das Auge, dem sich etwas näherte,
und schlemmte den eingefallenen Splitter mit Thrä-
nen aus; dem zu lebhaften Lichte setzte sie Schranken,
indem sie den Augenstern verengerte; reizte ein
fremder Körper die Luftröhre oder die innere Nasen-
haut, so erregte sie ein heftiges Niessen oder einen
Husten, und warf ihn durch den Luftstoß heraus; dem
Schwelger kehrte sie den Magen um, und befreiete
ihn dadurch von der unausstehlichen Bangigkeit und
den Folgen der Unverdaulichkeit; die unterdrückte
schädliche Ausdünstungsmaterie führte sie durch häufi-
gen Harn oder wässerichte Stühle weg; die Wirkung
des Feuers, der Aezmittel und anderer Schärfen ent-
kräftete sie, indem sie dieselben augenblicklich mit
Lymphe verdünnte, das Oberhäutel aufhob, und so

den

von den Saͤften abgeſchieden, und in den Darmkanal
abgeſezt hatte, auszufuͤhren. Sobald der Magen und
die Gedaͤrme eine ſtaͤrkere Nahrung verarbeiten konn-
ten, ſo verlaͤngerte ſie nach und nach die Zaͤhne; weil ſie
aber bey dieſem Unternehmen nicht jeden gefaͤhrlichen
Umſtand vermeiden konnte, ſo reinigte ſie den Koͤr-
per theils durch einen Bauchfluß, theils ſchuͤtzte ſie
ihn dadurch und durch das reichliche Geifern eines
ſcharfen Speichels gegen die von Schmerz und Krampf
zu beſorgenden waͤſſerichten Ergieſſungen in die Hirn-
hoͤhlen; wenn das jezt noch unvermeidliche Misverhaͤlt-
niß der Theile und derſelben Schwaͤche den verwege-
nen Gaͤngler zu Boden wirft, ſo hatte ſie ihm den Hin-
tern mit derbem Fleiſche gefuͤttert, oder ſtreckte ihm eil-
fertigſt die Haͤnde aus, und bewahrte ſo die edleren
Theile; ſie ſchloß das Auge, dem ſich etwas naͤherte,
und ſchlemmte den eingefallenen Splitter mit Thraͤ-
nen aus; dem zu lebhaften Lichte ſetzte ſie Schranken,
indem ſie den Augenſtern verengerte; reizte ein
fremder Koͤrper die Luftroͤhre oder die innere Naſen-
haut, ſo erregte ſie ein heftiges Nieſſen oder einen
Huſten, und warf ihn durch den Luftſtoß heraus; dem
Schwelger kehrte ſie den Magen um, und befreiete
ihn dadurch von der unausſtehlichen Bangigkeit und
den Folgen der Unverdaulichkeit; die unterdruͤckte
ſchaͤdliche Ausduͤnſtungsmaterie fuͤhrte ſie durch haͤufi-
gen Harn oder waͤſſerichte Stuͤhle weg; die Wirkung
des Feuers, der Aezmittel und anderer Schaͤrfen ent-
kraͤftete ſie, indem ſie dieſelben augenblicklich mit
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[7/0026] von den Saͤften abgeſchieden, und in den Darmkanal abgeſezt hatte, auszufuͤhren. Sobald der Magen und die Gedaͤrme eine ſtaͤrkere Nahrung verarbeiten konn- ten, ſo verlaͤngerte ſie nach und nach die Zaͤhne; weil ſie aber bey dieſem Unternehmen nicht jeden gefaͤhrlichen Umſtand vermeiden konnte, ſo reinigte ſie den Koͤr- per theils durch einen Bauchfluß, theils ſchuͤtzte ſie ihn dadurch und durch das reichliche Geifern eines ſcharfen Speichels gegen die von Schmerz und Krampf zu beſorgenden waͤſſerichten Ergieſſungen in die Hirn- hoͤhlen; wenn das jezt noch unvermeidliche Misverhaͤlt- niß der Theile und derſelben Schwaͤche den verwege- nen Gaͤngler zu Boden wirft, ſo hatte ſie ihm den Hin- tern mit derbem Fleiſche gefuͤttert, oder ſtreckte ihm eil- fertigſt die Haͤnde aus, und bewahrte ſo die edleren Theile; ſie ſchloß das Auge, dem ſich etwas naͤherte, und ſchlemmte den eingefallenen Splitter mit Thraͤ- nen aus; dem zu lebhaften Lichte ſetzte ſie Schranken, indem ſie den Augenſtern verengerte; reizte ein fremder Koͤrper die Luftroͤhre oder die innere Naſen- haut, ſo erregte ſie ein heftiges Nieſſen oder einen Huſten, und warf ihn durch den Luftſtoß heraus; dem Schwelger kehrte ſie den Magen um, und befreiete ihn dadurch von der unausſtehlichen Bangigkeit und den Folgen der Unverdaulichkeit; die unterdruͤckte ſchaͤdliche Ausduͤnſtungsmaterie fuͤhrte ſie durch haͤufi- gen Harn oder waͤſſerichte Stuͤhle weg; die Wirkung des Feuers, der Aezmittel und anderer Schaͤrfen ent- kraͤftete ſie, indem ſie dieſelben augenblicklich mit Lymphe verduͤnnte, das Oberhaͤutel aufhob, und ſo den

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/26>, abgerufen am 24.11.2024.