Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 46.

Eben diejenigen, vielleicht nicht einmal allzeit
schwächern Veränderungen des Körpers, welche aus
den wirklichen Eindrücken der Gegenstände auf die
Sinne entstehen, werden auch durch die bloße Ein-
bildung dieser Gegenstände erregt. Ein Mann ver-
langte von seinem Arzte gewisse Pillen, um sich von
seinen Magenschmerzen zu befreyen. Andere und zu
dieser Absicht bequemere Mittel wollte er durchaus
nicht nehmen. Der Arzt stellte sich also, als ob er
ihm willfahren wollte. Er machte aus frischem Bro-
de Pillen, übergüldete sie, und gab sie ihm. Den
andern Tag kam der Kranke gesund wieder, und rühm-
te die Pillen außerordentlich, sie hätten ihm Oeff-
nung und auch Erbrechen verursacht. -- Swieten
erzählt von einem, welcher einigemal eine eckelhafte
Laxanz eingenommen hatte. Dieser bekam bey Er-
blickung des Geschirres, woraus er sie getrunken hat-
te, einen Schauder mit Eckel und wirklichem Abwei-
chen. In meinen zehnten Jahre muste ich einmal eine
mir höchst widrige Arzney nehmen; alle Jahre kam
ich auf 14 Tage an diesen Ort, und noch nach dem
8ten Jahre konnte ich nie auf den dritten Ort gehen,
ohne Maul und Nase von der verwünschten Arzney
voll zu haben. Der Geruch eines bloßen Holzdekokts
macht mir augenblicklich Kneipen im Leibe -- denke
ich mir aber dabey: es ist nichts als Holz, so kann
ich den Dampf ohne alle Folge lange Zeit einziehen.
-- Eine Frau, welche lange am viertägigen Fieber

gele-
§. 46.

Eben diejenigen, vielleicht nicht einmal allzeit
ſchwaͤchern Veraͤnderungen des Koͤrpers, welche aus
den wirklichen Eindruͤcken der Gegenſtaͤnde auf die
Sinne entſtehen, werden auch durch die bloße Ein-
bildung dieſer Gegenſtaͤnde erregt. Ein Mann ver-
langte von ſeinem Arzte gewiſſe Pillen, um ſich von
ſeinen Magenſchmerzen zu befreyen. Andere und zu
dieſer Abſicht bequemere Mittel wollte er durchaus
nicht nehmen. Der Arzt ſtellte ſich alſo, als ob er
ihm willfahren wollte. Er machte aus friſchem Bro-
de Pillen, uͤberguͤldete ſie, und gab ſie ihm. Den
andern Tag kam der Kranke geſund wieder, und ruͤhm-
te die Pillen außerordentlich, ſie haͤtten ihm Oeff-
nung und auch Erbrechen verurſacht. — Swieten
erzaͤhlt von einem, welcher einigemal eine eckelhafte
Laxanz eingenommen hatte. Dieſer bekam bey Er-
blickung des Geſchirres, woraus er ſie getrunken hat-
te, einen Schauder mit Eckel und wirklichem Abwei-
chen. In meinen zehnten Jahre muſte ich einmal eine
mir hoͤchſt widrige Arzney nehmen; alle Jahre kam
ich auf 14 Tage an dieſen Ort, und noch nach dem
8ten Jahre konnte ich nie auf den dritten Ort gehen,
ohne Maul und Naſe von der verwuͤnſchten Arzney
voll zu haben. Der Geruch eines bloßen Holzdekokts
macht mir augenblicklich Kneipen im Leibe — denke
ich mir aber dabey: es iſt nichts als Holz, ſo kann
ich den Dampf ohne alle Folge lange Zeit einziehen.
— Eine Frau, welche lange am viertaͤgigen Fieber

gele-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0219" n="200"/>
            <div n="4">
              <head>§. 46.</head><lb/>
              <p>Eben diejenigen, vielleicht nicht einmal allzeit<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;chern Vera&#x0364;nderungen des Ko&#x0364;rpers, welche aus<lb/>
den wirklichen Eindru&#x0364;cken der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde auf die<lb/>
Sinne ent&#x017F;tehen, werden auch durch die bloße Ein-<lb/>
bildung die&#x017F;er Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde erregt. Ein Mann ver-<lb/>
langte von &#x017F;einem Arzte gewi&#x017F;&#x017F;e Pillen, um &#x017F;ich von<lb/>
&#x017F;einen Magen&#x017F;chmerzen zu befreyen. Andere und zu<lb/>
die&#x017F;er Ab&#x017F;icht bequemere Mittel wollte er durchaus<lb/>
nicht nehmen. Der Arzt &#x017F;tellte &#x017F;ich al&#x017F;o, als ob er<lb/>
ihm willfahren wollte. Er machte aus fri&#x017F;chem Bro-<lb/>
de Pillen, u&#x0364;bergu&#x0364;ldete &#x017F;ie, und gab &#x017F;ie ihm. Den<lb/>
andern Tag kam der Kranke ge&#x017F;und wieder, und ru&#x0364;hm-<lb/>
te die Pillen außerordentlich, &#x017F;ie ha&#x0364;tten ihm Oeff-<lb/>
nung und auch Erbrechen verur&#x017F;acht. &#x2014; <hi rendition="#fr">Swieten</hi><lb/>
erza&#x0364;hlt von einem, welcher einigemal eine eckelhafte<lb/>
Laxanz eingenommen hatte. Die&#x017F;er bekam bey Er-<lb/>
blickung des Ge&#x017F;chirres, woraus er &#x017F;ie getrunken hat-<lb/>
te, einen Schauder mit Eckel und wirklichem Abwei-<lb/>
chen. In meinen zehnten Jahre mu&#x017F;te ich einmal eine<lb/>
mir ho&#x0364;ch&#x017F;t widrige Arzney nehmen; alle Jahre kam<lb/>
ich auf 14 Tage an die&#x017F;en Ort, und noch nach dem<lb/>
8ten Jahre konnte ich nie auf den dritten Ort gehen,<lb/>
ohne Maul und Na&#x017F;e von der verwu&#x0364;n&#x017F;chten Arzney<lb/>
voll zu haben. Der Geruch eines bloßen Holzdekokts<lb/>
macht mir augenblicklich Kneipen im Leibe &#x2014; denke<lb/>
ich mir aber dabey: es i&#x017F;t nichts als Holz, &#x017F;o kann<lb/>
ich den Dampf ohne alle Folge lange Zeit einziehen.<lb/>
&#x2014; Eine Frau, welche lange am vierta&#x0364;gigen Fieber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gele-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0219] §. 46. Eben diejenigen, vielleicht nicht einmal allzeit ſchwaͤchern Veraͤnderungen des Koͤrpers, welche aus den wirklichen Eindruͤcken der Gegenſtaͤnde auf die Sinne entſtehen, werden auch durch die bloße Ein- bildung dieſer Gegenſtaͤnde erregt. Ein Mann ver- langte von ſeinem Arzte gewiſſe Pillen, um ſich von ſeinen Magenſchmerzen zu befreyen. Andere und zu dieſer Abſicht bequemere Mittel wollte er durchaus nicht nehmen. Der Arzt ſtellte ſich alſo, als ob er ihm willfahren wollte. Er machte aus friſchem Bro- de Pillen, uͤberguͤldete ſie, und gab ſie ihm. Den andern Tag kam der Kranke geſund wieder, und ruͤhm- te die Pillen außerordentlich, ſie haͤtten ihm Oeff- nung und auch Erbrechen verurſacht. — Swieten erzaͤhlt von einem, welcher einigemal eine eckelhafte Laxanz eingenommen hatte. Dieſer bekam bey Er- blickung des Geſchirres, woraus er ſie getrunken hat- te, einen Schauder mit Eckel und wirklichem Abwei- chen. In meinen zehnten Jahre muſte ich einmal eine mir hoͤchſt widrige Arzney nehmen; alle Jahre kam ich auf 14 Tage an dieſen Ort, und noch nach dem 8ten Jahre konnte ich nie auf den dritten Ort gehen, ohne Maul und Naſe von der verwuͤnſchten Arzney voll zu haben. Der Geruch eines bloßen Holzdekokts macht mir augenblicklich Kneipen im Leibe — denke ich mir aber dabey: es iſt nichts als Holz, ſo kann ich den Dampf ohne alle Folge lange Zeit einziehen. — Eine Frau, welche lange am viertaͤgigen Fieber gele-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/219
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/219>, abgerufen am 22.12.2024.