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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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müthserschütterungen; sie war schon lange ihrem Man-
ne äußerst abgeneigt, und entdeckte in jedem unsanften
Betragen die höchsten Beleidigungen. Indessen war
sie bey einer ausgezeichneten Empfindsamkeit auf ro-
mantische Weise einem andern zugethan: Bey der
geringsten Bewegung, die sie um ihr Bette bemerkte,
obschon der verhaßte Mann nicht einmal im Hause
war, schrie sie mit voller Wuth auf: Bist schon wie-
der da, du Teufel du! und fluchte ihm unter gewalt-
samen Ausdrücken. Kaum hatte dieses einige Au-
genblicke gedauert, so wandt sie sich gegen das Ge-
mählde ihres Günstlings, lachte hell auf, sprach äu-
ßerst freundlich und zuthätig, murmelte endlich stille
und geheimnißvoll etwas daher. -- Da geschah bey
dem so gedrängten Ideengang in einer Minute, was
sonst etwan in einigen Stunden oder Tagen zu gesche-
hen pflegte; aber doch genau nach dem vorigen See-
lenzustande.

Eine andere Frau, welche in sehr unzufriede-
ner Ehe lebte, wurde wahnsinnig. Sie hatte öftere
Anfälle von Raserey, zerriß alle Kleidungsstücke, und
suchte alles, was ihr unter die Hände kam, zu zer-
stören. Nachdem sie wiedergenesen war, konnte sie
sich deutlich erinnern, daß sie immer glaubte, sie übe
ihre Wuth an ihrem Manne aus. Auch machte der
Anfall jedesmal mit der lebhaften Erscheinung dessel-
ben den Anfang. Ein hieher sehr merkwürdiges, aber
für eine andere Absicht noch merkwürdigeres Beyspiel
werde ich zu Ende des zweyten Theils Herrn Dopfer
selbst erzählen lassen. Offenbar that hier die Seele

jedes-

muͤthserſchuͤtterungen; ſie war ſchon lange ihrem Man-
ne aͤußerſt abgeneigt, und entdeckte in jedem unſanften
Betragen die hoͤchſten Beleidigungen. Indeſſen war
ſie bey einer ausgezeichneten Empfindſamkeit auf ro-
mantiſche Weiſe einem andern zugethan: Bey der
geringſten Bewegung, die ſie um ihr Bette bemerkte,
obſchon der verhaßte Mann nicht einmal im Hauſe
war, ſchrie ſie mit voller Wuth auf: Biſt ſchon wie-
der da, du Teufel du! und fluchte ihm unter gewalt-
ſamen Ausdruͤcken. Kaum hatte dieſes einige Au-
genblicke gedauert, ſo wandt ſie ſich gegen das Ge-
maͤhlde ihres Guͤnſtlings, lachte hell auf, ſprach aͤu-
ßerſt freundlich und zuthaͤtig, murmelte endlich ſtille
und geheimnißvoll etwas daher. — Da geſchah bey
dem ſo gedraͤngten Ideengang in einer Minute, was
ſonſt etwan in einigen Stunden oder Tagen zu geſche-
hen pflegte; aber doch genau nach dem vorigen See-
lenzuſtande.

Eine andere Frau, welche in ſehr unzufriede-
ner Ehe lebte, wurde wahnſinnig. Sie hatte oͤftere
Anfaͤlle von Raſerey, zerriß alle Kleidungsſtuͤcke, und
ſuchte alles, was ihr unter die Haͤnde kam, zu zer-
ſtoͤren. Nachdem ſie wiedergeneſen war, konnte ſie
ſich deutlich erinnern, daß ſie immer glaubte, ſie uͤbe
ihre Wuth an ihrem Manne aus. Auch machte der
Anfall jedesmal mit der lebhaften Erſcheinung deſſel-
ben den Anfang. Ein hieher ſehr merkwuͤrdiges, aber
fuͤr eine andere Abſicht noch merkwuͤrdigeres Beyſpiel
werde ich zu Ende des zweyten Theils Herrn Dopfer
ſelbſt erzaͤhlen laſſen. Offenbar that hier die Seele

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[194/0213] muͤthserſchuͤtterungen; ſie war ſchon lange ihrem Man- ne aͤußerſt abgeneigt, und entdeckte in jedem unſanften Betragen die hoͤchſten Beleidigungen. Indeſſen war ſie bey einer ausgezeichneten Empfindſamkeit auf ro- mantiſche Weiſe einem andern zugethan: Bey der geringſten Bewegung, die ſie um ihr Bette bemerkte, obſchon der verhaßte Mann nicht einmal im Hauſe war, ſchrie ſie mit voller Wuth auf: Biſt ſchon wie- der da, du Teufel du! und fluchte ihm unter gewalt- ſamen Ausdruͤcken. Kaum hatte dieſes einige Au- genblicke gedauert, ſo wandt ſie ſich gegen das Ge- maͤhlde ihres Guͤnſtlings, lachte hell auf, ſprach aͤu- ßerſt freundlich und zuthaͤtig, murmelte endlich ſtille und geheimnißvoll etwas daher. — Da geſchah bey dem ſo gedraͤngten Ideengang in einer Minute, was ſonſt etwan in einigen Stunden oder Tagen zu geſche- hen pflegte; aber doch genau nach dem vorigen See- lenzuſtande. Eine andere Frau, welche in ſehr unzufriede- ner Ehe lebte, wurde wahnſinnig. Sie hatte oͤftere Anfaͤlle von Raſerey, zerriß alle Kleidungsſtuͤcke, und ſuchte alles, was ihr unter die Haͤnde kam, zu zer- ſtoͤren. Nachdem ſie wiedergeneſen war, konnte ſie ſich deutlich erinnern, daß ſie immer glaubte, ſie uͤbe ihre Wuth an ihrem Manne aus. Auch machte der Anfall jedesmal mit der lebhaften Erſcheinung deſſel- ben den Anfang. Ein hieher ſehr merkwuͤrdiges, aber fuͤr eine andere Abſicht noch merkwuͤrdigeres Beyſpiel werde ich zu Ende des zweyten Theils Herrn Dopfer ſelbſt erzaͤhlen laſſen. Offenbar that hier die Seele jedes-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/213>, abgerufen am 25.11.2024.