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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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sich die bewegenden Muskeln dieser Kinnlade wieder
angeschlossen hatten, das Kauen ohne große Schwie-
rigkeit verrichten. Chopart führt sogar einen Fall
an, wo sich ein Schulterblatt wieder erzeugt hat.*)
Raspar Trendelenburg erzählt den Fall eines wie-
dererzeugten Schulterknochens, der aber ungestaltet
blieb, weil der andere durch den Krebs angefressene
Knochen zu lange nicht losgieng, und den Knochen-
saft verhinderte eine gerade Richtung anzunehmen.**)
Van Swieten erzählt einen ähnlichen Fall aus den
actis Edemburgensibus.***) Ueberhaupt sind derglei-
chen Beyspiele bey weitem nicht so selten, wie sie
seyn müßten, wenn dieses Vermögen mit den höhern
Fähigkeiten geradezu in umgekehrtem Verhältniß stün-
de. -- Man hat diesen Erstattungstrieb durch Kunst-
griffe verstärken, und wo er zu thätig ist, unterdrücken
gelernt.

Alles dieses leistet die Natur auch an den Ge-
wächsen. Wird eine Stelle des Stammes von der
Rinde entblößet, so bildet sich am Rande der übrigen
Rinde ein Wulst, der mit regelmäßigen Gefäßen
durchwachsen ist, so wie die alte Rinde Nahrung zu-
führte, und genährt wird. Dieser Wulst breitet sich
von allen Seiten immer mehr nach dem Mittelpunkt

*) Franz Chopart von dem trocknen Brande (Necrosis) der
Knochen, in Sammlung auserlesener Abhandlungen für
praktische Aerzte. 6ter B. S. 199. Man sehe auch Troja
de novorum ossium regeneratione experimenta. Paris 1771
.
und andere Neuere, die über die Wiedererzeugung verlor-
ner Theile geschrieben haben.
**) Abhandlungen der schwedischen Aerzte. 1 Thl. S. 155.
***) Comment, in Hermanni Boerhaave Apho. T. I. §. 530.
543.

ſich die bewegenden Muskeln dieſer Kinnlade wieder
angeſchloſſen hatten, das Kauen ohne große Schwie-
rigkeit verrichten. Chopart fuͤhrt ſogar einen Fall
an, wo ſich ein Schulterblatt wieder erzeugt hat.*)
Raſpar Trendelenburg erzaͤhlt den Fall eines wie-
dererzeugten Schulterknochens, der aber ungeſtaltet
blieb, weil der andere durch den Krebs angefreſſene
Knochen zu lange nicht losgieng, und den Knochen-
ſaft verhinderte eine gerade Richtung anzunehmen.**)
Van Swieten erzaͤhlt einen aͤhnlichen Fall aus den
actis Edemburgenſibus.***) Ueberhaupt ſind derglei-
chen Beyſpiele bey weitem nicht ſo ſelten, wie ſie
ſeyn muͤßten, wenn dieſes Vermoͤgen mit den hoͤhern
Faͤhigkeiten geradezu in umgekehrtem Verhaͤltniß ſtuͤn-
de. — Man hat dieſen Erſtattungstrieb durch Kunſt-
griffe verſtaͤrken, und wo er zu thaͤtig iſt, unterdruͤcken
gelernt.

Alles dieſes leiſtet die Natur auch an den Ge-
waͤchſen. Wird eine Stelle des Stammes von der
Rinde entbloͤßet, ſo bildet ſich am Rande der uͤbrigen
Rinde ein Wulſt, der mit regelmaͤßigen Gefaͤßen
durchwachſen iſt, ſo wie die alte Rinde Nahrung zu-
fuͤhrte, und genaͤhrt wird. Dieſer Wulſt breitet ſich
von allen Seiten immer mehr nach dem Mittelpunkt

*) Franz Chopart von dem trocknen Brande (Necroſis) der
Knochen, in Sammlung auserleſener Abhandlungen fuͤr
praktiſche Aerzte. 6ter B. S. 199. Man ſehe auch Troja
de novorum oſſium regeneratione experimenta. Paris 1771
.
und andere Neuere, die uͤber die Wiedererzeugung verlor-
ner Theile geſchrieben haben.
**) Abhandlungen der ſchwediſchen Aerzte. 1 Thl. S. 155.
***) Comment, in Hermanni Boerhaave Apho. T. I. §. 530.
543.
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[152/0171] ſich die bewegenden Muskeln dieſer Kinnlade wieder angeſchloſſen hatten, das Kauen ohne große Schwie- rigkeit verrichten. Chopart fuͤhrt ſogar einen Fall an, wo ſich ein Schulterblatt wieder erzeugt hat. *) Raſpar Trendelenburg erzaͤhlt den Fall eines wie- dererzeugten Schulterknochens, der aber ungeſtaltet blieb, weil der andere durch den Krebs angefreſſene Knochen zu lange nicht losgieng, und den Knochen- ſaft verhinderte eine gerade Richtung anzunehmen. **) Van Swieten erzaͤhlt einen aͤhnlichen Fall aus den actis Edemburgenſibus. ***) Ueberhaupt ſind derglei- chen Beyſpiele bey weitem nicht ſo ſelten, wie ſie ſeyn muͤßten, wenn dieſes Vermoͤgen mit den hoͤhern Faͤhigkeiten geradezu in umgekehrtem Verhaͤltniß ſtuͤn- de. — Man hat dieſen Erſtattungstrieb durch Kunſt- griffe verſtaͤrken, und wo er zu thaͤtig iſt, unterdruͤcken gelernt. Alles dieſes leiſtet die Natur auch an den Ge- waͤchſen. Wird eine Stelle des Stammes von der Rinde entbloͤßet, ſo bildet ſich am Rande der uͤbrigen Rinde ein Wulſt, der mit regelmaͤßigen Gefaͤßen durchwachſen iſt, ſo wie die alte Rinde Nahrung zu- fuͤhrte, und genaͤhrt wird. Dieſer Wulſt breitet ſich von allen Seiten immer mehr nach dem Mittelpunkt *) Franz Chopart von dem trocknen Brande (Necroſis) der Knochen, in Sammlung auserleſener Abhandlungen fuͤr praktiſche Aerzte. 6ter B. S. 199. Man ſehe auch Troja de novorum oſſium regeneratione experimenta. Paris 1771. und andere Neuere, die uͤber die Wiedererzeugung verlor- ner Theile geſchrieben haben. **) Abhandlungen der ſchwediſchen Aerzte. 1 Thl. S. 155. ***) Comment, in Hermanni Boerhaave Apho. T. I. §. 530. 543.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/171>, abgerufen am 22.11.2024.