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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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schlechtern für ein wichtiges Mittel zur Erhaltung ei-
ner kernhaften Generation angesehen.

Die Gewächse werden durch Mangel an Nah-
rung entkräftet und sterben ab; nur dann, wenn ih-
nen noch zur rechten Zeit Nachrung gereichet wird,
sind sie noch im Stande, dieselbe aufzunehmen; und
dieses thun sie so gierig, daß eine solche erschöpfte Pflan-
ze in einer Stunde mehr einsaugt, als sie bey voller
Nahrung nicht in sechs Stunden thun kann. Ist sie
aber auf einen zu hohen Grad entkräftet, so haben
die Gefäße, wie es in ähnlichen Fällen bey Thieren
geschieht, alle Reizbarkeit und Wirksamkeit verloren,
und jemehr man sie mit Nahrung überhäuft, desto
sicherer geht sie zu Grunde. Eben dieses Geschieht,
wenn man sie, ehe ihre Säfte und Röhren gehörig
in Bewegung sind, ehe sie angewachsen ist, häufig be-
gießet. Die Wurzel ist nicht im Stande durch im-
merwährendes Anziehen der Feuchtigkeiten eine Art
von Leben um sich herum zu erhalten; was sie auf-
nimmt, wird nicht verdauet, nicht ausgedünstet u. s.
w. Und so geht Stamm und Wurzel in Faulniß,
gerade wie dieses bey überfütterten zuvor allzusehr ge-
schwächten Thieren geschieht.

Sie sind aus Gliedern und Gelenken, welche
von den allgemeinen Bedeckungen überzogen werden
zusammengesetzt. Die Gelenke werden erst bey der
Reife oder dem Absterben der Pflanzen recht sichtbar.
Bey sehr vielen Gattungen besteht der ganze Stamm,
die Aeste, das Laub etc. aus Gliedern, welche auf einan-
der aufgesetzt sind. Bey allen durchgängig ist das

Laub
K 2

ſchlechtern fuͤr ein wichtiges Mittel zur Erhaltung ei-
ner kernhaften Generation angeſehen.

Die Gewaͤchſe werden durch Mangel an Nah-
rung entkraͤftet und ſterben ab; nur dann, wenn ih-
nen noch zur rechten Zeit Nachrung gereichet wird,
ſind ſie noch im Stande, dieſelbe aufzunehmen; und
dieſes thun ſie ſo gierig, daß eine ſolche erſchoͤpfte Pflan-
ze in einer Stunde mehr einſaugt, als ſie bey voller
Nahrung nicht in ſechs Stunden thun kann. Iſt ſie
aber auf einen zu hohen Grad entkraͤftet, ſo haben
die Gefaͤße, wie es in aͤhnlichen Faͤllen bey Thieren
geſchieht, alle Reizbarkeit und Wirkſamkeit verloren,
und jemehr man ſie mit Nahrung uͤberhaͤuft, deſto
ſicherer geht ſie zu Grunde. Eben dieſes Geſchieht,
wenn man ſie, ehe ihre Saͤfte und Roͤhren gehoͤrig
in Bewegung ſind, ehe ſie angewachſen iſt, haͤufig be-
gießet. Die Wurzel iſt nicht im Stande durch im-
merwaͤhrendes Anziehen der Feuchtigkeiten eine Art
von Leben um ſich herum zu erhalten; was ſie auf-
nimmt, wird nicht verdauet, nicht ausgeduͤnſtet u. ſ.
w. Und ſo geht Stamm und Wurzel in Faulniß,
gerade wie dieſes bey uͤberfuͤtterten zuvor allzuſehr ge-
ſchwaͤchten Thieren geſchieht.

Sie ſind aus Gliedern und Gelenken, welche
von den allgemeinen Bedeckungen uͤberzogen werden
zuſammengeſetzt. Die Gelenke werden erſt bey der
Reife oder dem Abſterben der Pflanzen recht ſichtbar.
Bey ſehr vielen Gattungen beſteht der ganze Stamm,
die Aeſte, das Laub ꝛc. aus Gliedern, welche auf einan-
der aufgeſetzt ſind. Bey allen durchgaͤngig iſt das

Laub
K 2
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[147/0166] ſchlechtern fuͤr ein wichtiges Mittel zur Erhaltung ei- ner kernhaften Generation angeſehen. Die Gewaͤchſe werden durch Mangel an Nah- rung entkraͤftet und ſterben ab; nur dann, wenn ih- nen noch zur rechten Zeit Nachrung gereichet wird, ſind ſie noch im Stande, dieſelbe aufzunehmen; und dieſes thun ſie ſo gierig, daß eine ſolche erſchoͤpfte Pflan- ze in einer Stunde mehr einſaugt, als ſie bey voller Nahrung nicht in ſechs Stunden thun kann. Iſt ſie aber auf einen zu hohen Grad entkraͤftet, ſo haben die Gefaͤße, wie es in aͤhnlichen Faͤllen bey Thieren geſchieht, alle Reizbarkeit und Wirkſamkeit verloren, und jemehr man ſie mit Nahrung uͤberhaͤuft, deſto ſicherer geht ſie zu Grunde. Eben dieſes Geſchieht, wenn man ſie, ehe ihre Saͤfte und Roͤhren gehoͤrig in Bewegung ſind, ehe ſie angewachſen iſt, haͤufig be- gießet. Die Wurzel iſt nicht im Stande durch im- merwaͤhrendes Anziehen der Feuchtigkeiten eine Art von Leben um ſich herum zu erhalten; was ſie auf- nimmt, wird nicht verdauet, nicht ausgeduͤnſtet u. ſ. w. Und ſo geht Stamm und Wurzel in Faulniß, gerade wie dieſes bey uͤberfuͤtterten zuvor allzuſehr ge- ſchwaͤchten Thieren geſchieht. Sie ſind aus Gliedern und Gelenken, welche von den allgemeinen Bedeckungen uͤberzogen werden zuſammengeſetzt. Die Gelenke werden erſt bey der Reife oder dem Abſterben der Pflanzen recht ſichtbar. Bey ſehr vielen Gattungen beſteht der ganze Stamm, die Aeſte, das Laub ꝛc. aus Gliedern, welche auf einan- der aufgeſetzt ſind. Bey allen durchgaͤngig iſt das Laub K 2

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/166>, abgerufen am 24.11.2024.