het sind, ehe ihre körperlichen Gliedmaßen die gehöri- ge Vollkommenheit haben. Sehr oft habe ich ein Stierkalb gesehen, das mit seinen Hörnern stoffen wollte, ehe sie ihm noch gewachsen waren, und ein Füllen, das schon mit schwachem Hufe ausschlagen woll- te, einen jungen Frischling, der sich mit den Backen wehren wollte, ungeachtet er noch keine Hauer hatte, imgleichen einen neugebohrnen Hund, der mit Zäh- nen beißen wollte, die erst im Schuße waren. Denn ein jedes Thier merkt seiner Seele Fähigkeiten, und wozu ihm seine körperlichen Gliedmaßen nützlich sind, ohne Lehrmeister, zum voraus. Warum würde sonst ein Frischling, mit seinen kleinen Zähnen, die er schon hat, nicht beißen, um sich zu wehren, hingegen die Hauer brauchen wollen, die er noch nicht hat? Wie läst sich also sagen, daß die Thiere den Gebrauch ih- rer Gliedmassen selbst lernen, da sie denselben schon vor dem Daseyn dieser Gliedmassen zu kennen schei- nen? Wenn man drey Eyer, eines vom Adler, das zweyte von einer Ente, das dritte von einer Schlange nimmt, und mit mäßiger Wärme ausbrü- tet, so wird man sehen, daß die beyden ersten zu fliegen suchen werden, ehe sie noch können; die Schlan- ge aber sich in einen Kreis zu wickeln, und so schwach sie auch noch ist, zu kriechen bemüht seyn wird. Wollte man sie bis zu ihrer Vollkommenheit in einem Hause auferziehen, und hernach unter den freyen Him- mel führen, so wird der Adler in die Höhe fliegen, die Ente zu einer Pfüze flattern, die Schlange unter die Erde kriechen. Nachmals wird der Adler, wie
ich
het ſind, ehe ihre koͤrperlichen Gliedmaßen die gehoͤri- ge Vollkommenheit haben. Sehr oft habe ich ein Stierkalb geſehen, das mit ſeinen Hoͤrnern ſtoffen wollte, ehe ſie ihm noch gewachſen waren, und ein Fuͤllen, das ſchon mit ſchwachem Hufe ausſchlagen woll- te, einen jungen Friſchling, der ſich mit den Backen wehren wollte, ungeachtet er noch keine Hauer hatte, imgleichen einen neugebohrnen Hund, der mit Zaͤh- nen beißen wollte, die erſt im Schuße waren. Denn ein jedes Thier merkt ſeiner Seele Faͤhigkeiten, und wozu ihm ſeine koͤrperlichen Gliedmaßen nuͤtzlich ſind, ohne Lehrmeiſter, zum voraus. Warum wuͤrde ſonſt ein Friſchling, mit ſeinen kleinen Zaͤhnen, die er ſchon hat, nicht beißen, um ſich zu wehren, hingegen die Hauer brauchen wollen, die er noch nicht hat? Wie laͤſt ſich alſo ſagen, daß die Thiere den Gebrauch ih- rer Gliedmaſſen ſelbſt lernen, da ſie denſelben ſchon vor dem Daſeyn dieſer Gliedmaſſen zu kennen ſchei- nen? Wenn man drey Eyer, eines vom Adler, das zweyte von einer Ente, das dritte von einer Schlange nimmt, und mit maͤßiger Waͤrme ausbruͤ- tet, ſo wird man ſehen, daß die beyden erſten zu fliegen ſuchen werden, ehe ſie noch koͤnnen; die Schlan- ge aber ſich in einen Kreis zu wickeln, und ſo ſchwach ſie auch noch iſt, zu kriechen bemuͤht ſeyn wird. Wollte man ſie bis zu ihrer Vollkommenheit in einem Hauſe auferziehen, und hernach unter den freyen Him- mel fuͤhren, ſo wird der Adler in die Hoͤhe fliegen, die Ente zu einer Pfuͤze flattern, die Schlange unter die Erde kriechen. Nachmals wird der Adler, wie
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het ſind, ehe ihre koͤrperlichen Gliedmaßen die gehoͤri-
ge Vollkommenheit haben. Sehr oft habe ich ein
Stierkalb geſehen, das mit ſeinen Hoͤrnern ſtoffen
wollte, ehe ſie ihm noch gewachſen waren, und ein
Fuͤllen, das ſchon mit ſchwachem Hufe ausſchlagen woll-
te, einen jungen Friſchling, der ſich mit den Backen
wehren wollte, ungeachtet er noch keine Hauer hatte,
imgleichen einen neugebohrnen Hund, der mit Zaͤh-
nen beißen wollte, die erſt im Schuße waren. Denn
ein jedes Thier merkt ſeiner Seele Faͤhigkeiten, und
wozu ihm ſeine koͤrperlichen Gliedmaßen nuͤtzlich ſind,
ohne Lehrmeiſter, zum voraus. Warum wuͤrde ſonſt
ein Friſchling, mit ſeinen kleinen Zaͤhnen, die er ſchon
hat, nicht beißen, um ſich zu wehren, hingegen die
Hauer brauchen wollen, die er noch nicht hat? Wie
laͤſt ſich alſo ſagen, daß die Thiere den Gebrauch ih-
rer Gliedmaſſen ſelbſt lernen, da ſie denſelben ſchon
vor dem Daſeyn dieſer Gliedmaſſen zu kennen ſchei-
nen? Wenn man drey Eyer, eines vom Adler,
das zweyte von einer Ente, das dritte von einer
Schlange nimmt, und mit maͤßiger Waͤrme ausbruͤ-
tet, ſo wird man ſehen, daß die beyden erſten zu
fliegen ſuchen werden, ehe ſie noch koͤnnen; die Schlan-
ge aber ſich in einen Kreis zu wickeln, und ſo ſchwach
ſie auch noch iſt, zu kriechen bemuͤht ſeyn wird.
Wollte man ſie bis zu ihrer Vollkommenheit in einem
Hauſe auferziehen, und hernach unter den freyen Him-
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die Ente zu einer Pfuͤze flattern, die Schlange unter
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/151>, abgerufen am 22.11.2024.
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