Kleider weben, Netze stricken, und auf solche Art nicht allein über die Landthiere, sondern auch über die, so im Wasser und in der Luft sind, Herr wer- den. Mit diesen schreibt er im Frieden und in der Gesellschaft Gesetze, richtet den Göttern Altäre und Bildsäulen auf, verfertigt Schiffe, Flöten, Leyern, Messer, Zangen und andere Werkzeuge der Künste, hinterläst seine Betrachtungen schriftlich, so wie er sich noch auf diese Weise mit dem Plato, Ariftoteles und Hippokrates unterreden kann. So schicken sich denn die Hände für den Menschen, als ein weises Thier am besten. Denn er ist darum nicht das weise- ste Thier, weil er Hände hat, wie Anaxagoras sag- te; sondern er hat deßwegen die Hände, weil er der weiseste ist, wie Aristoteles mit völligem Recht be- hauptet. Denn die Hände haben den Menschen die Künste nicht gelehret: sondern die Vernunft; die Hände sind nur das Werkzeug der Künste. Wie al- so weder die Leyer den Tonkünstler, noch die Zange den Schmidt belehret, sondern beyde, vermög ihrer Vernunft Künstler sind, ob sie dieselben gleich ohne Werkzeuge nicht ausüben können; so hat auch eine jede Seele vermög ihres eigenen Wesens, gewisse Fä- higkeiten, wiewohl sie dasjenige, wozu sie bestimmt ist, ohne Werkzeuge nicht zur Wirklichkeit bringen kann. Daß aber die körperlichen Theile nicht dasje- nige sind, was der Seele einen Trieb giebt zur Furcht, Tapferkeit oder Weisheit, das kann man offenbar se- hen, wenn man die jungen Thiere betrachtet, als welche ihre Handlungen schon ehe zu verrichten bemü-
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Kleider weben, Netze ſtricken, und auf ſolche Art nicht allein uͤber die Landthiere, ſondern auch uͤber die, ſo im Waſſer und in der Luft ſind, Herr wer- den. Mit dieſen ſchreibt er im Frieden und in der Geſellſchaft Geſetze, richtet den Goͤttern Altaͤre und Bildſaͤulen auf, verfertigt Schiffe, Floͤten, Leyern, Meſſer, Zangen und andere Werkzeuge der Kuͤnſte, hinterlaͤſt ſeine Betrachtungen ſchriftlich, ſo wie er ſich noch auf dieſe Weiſe mit dem Plato, Ariftoteles und Hippokrates unterreden kann. So ſchicken ſich denn die Haͤnde fuͤr den Menſchen, als ein weiſes Thier am beſten. Denn er iſt darum nicht das weiſe- ſte Thier, weil er Haͤnde hat, wie Anaxagoras ſag- te; ſondern er hat deßwegen die Haͤnde, weil er der weiſeſte iſt, wie Ariſtoteles mit voͤlligem Recht be- hauptet. Denn die Haͤnde haben den Menſchen die Kuͤnſte nicht gelehret: ſondern die Vernunft; die Haͤnde ſind nur das Werkzeug der Kuͤnſte. Wie al- ſo weder die Leyer den Tonkuͤnſtler, noch die Zange den Schmidt belehret, ſondern beyde, vermoͤg ihrer Vernunft Kuͤnſtler ſind, ob ſie dieſelben gleich ohne Werkzeuge nicht ausuͤben koͤnnen; ſo hat auch eine jede Seele vermoͤg ihres eigenen Weſens, gewiſſe Faͤ- higkeiten, wiewohl ſie dasjenige, wozu ſie beſtimmt iſt, ohne Werkzeuge nicht zur Wirklichkeit bringen kann. Daß aber die koͤrperlichen Theile nicht dasje- nige ſind, was der Seele einen Trieb giebt zur Furcht, Tapferkeit oder Weisheit, das kann man offenbar ſe- hen, wenn man die jungen Thiere betrachtet, als welche ihre Handlungen ſchon ehe zu verrichten bemuͤ-
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Kleider weben, Netze ſtricken, und auf ſolche Art
nicht allein uͤber die Landthiere, ſondern auch uͤber
die, ſo im Waſſer und in der Luft ſind, Herr wer-
den. Mit dieſen ſchreibt er im Frieden und in der
Geſellſchaft Geſetze, richtet den Goͤttern Altaͤre und
Bildſaͤulen auf, verfertigt Schiffe, Floͤten, Leyern,
Meſſer, Zangen und andere Werkzeuge der Kuͤnſte,
hinterlaͤſt ſeine Betrachtungen ſchriftlich, ſo wie er
ſich noch auf dieſe Weiſe mit dem Plato, Ariftoteles
und Hippokrates unterreden kann. So ſchicken ſich
denn die Haͤnde fuͤr den Menſchen, als ein weiſes
Thier am beſten. Denn er iſt darum nicht das weiſe-
ſte Thier, weil er Haͤnde hat, wie Anaxagoras ſag-
te; ſondern er hat deßwegen die Haͤnde, weil er der
weiſeſte iſt, wie Ariſtoteles mit voͤlligem Recht be-
hauptet. Denn die Haͤnde haben den Menſchen die
Kuͤnſte nicht gelehret: ſondern die Vernunft; die
Haͤnde ſind nur das Werkzeug der Kuͤnſte. Wie al-
ſo weder die Leyer den Tonkuͤnſtler, noch die Zange
den Schmidt belehret, ſondern beyde, vermoͤg ihrer
Vernunft Kuͤnſtler ſind, ob ſie dieſelben gleich ohne
Werkzeuge nicht ausuͤben koͤnnen; ſo hat auch eine
jede Seele vermoͤg ihres eigenen Weſens, gewiſſe Faͤ-
higkeiten, wiewohl ſie dasjenige, wozu ſie beſtimmt
iſt, ohne Werkzeuge nicht zur Wirklichkeit bringen
kann. Daß aber die koͤrperlichen Theile nicht dasje-
nige ſind, was der Seele einen Trieb giebt zur Furcht,
Tapferkeit oder Weisheit, das kann man offenbar ſe-
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/150>, abgerufen am 22.11.2024.
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