Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

ner Werkzeuge, welche zu mehreren Verrichtungen
bestimmt sind. -- Das männliche Glied, da seine
wichtigste Bestimmung das Zeugungsgeschäft seyn soll-
te, ist eben deswegen, wie schon Hunter*) anmerkt
weit schlimmern und zahlreichern Zufällen sowohl bey
der venerischen Ansteckung als bey andern Uebeln der
Harnwege unterworfen, als die zur Fortschaffung des
Harns allein bestimmte weibliche Harnröhre. Die
vortrefflichen Ruder der Ganse sind nur schlechte Werk-
zeuge zum gehen; so wie überhaupt die Landthiere
sehr mühsame Schwimmer, und die Wasserthiere eben
so mühsame Fußgänger sind. -- Die Natur blieb sich
also durchgängig selbst gleich, und sie hat sich, da
sie den Menschen bildete, keine andern Gesetze vorge-
schrieben, als da sie die Käsmade machte.

Das Küzel, so Galen aus der Mutter Leibe
schnitt, stellte sich auf die Füsse, nießete, und stieß
dadurch einen Theil des angesammelten Rozes aus
der Nase; da aber dieses noch nicht hinreichte, so
kratzte es sich die Seiten mit den hintern Füßen, wo-
durch es sich wieder zum Niessen reitzte, und noch ei-
ne Menge Roz ausstieß. -- Der Hund, dem ein Bein
im Rachen stecken bleibt, strekt zuerst den Hals ge-
rade nach unten zu aus, so, daß die Halswirbel auf-
wärts einen Bogen bilden, öffnet die Kehle sehr weit,
und macht die schicklichste Bewegung mit den Muskeln
des Halses und des Schlundes, daß das Bein theils
herausgedrückt, theils vermög seiner Schwere heraus-

fallen
*) Abhandlung über die venerischen Krankheiten.

ner Werkzeuge, welche zu mehreren Verrichtungen
beſtimmt ſind. — Das maͤnnliche Glied, da ſeine
wichtigſte Beſtimmung das Zeugungsgeſchaͤft ſeyn ſoll-
te, iſt eben deswegen, wie ſchon Hunter*) anmerkt
weit ſchlimmern und zahlreichern Zufaͤllen ſowohl bey
der veneriſchen Anſteckung als bey andern Uebeln der
Harnwege unterworfen, als die zur Fortſchaffung des
Harns allein beſtimmte weibliche Harnroͤhre. Die
vortrefflichen Ruder der Ganſe ſind nur ſchlechte Werk-
zeuge zum gehen; ſo wie uͤberhaupt die Landthiere
ſehr muͤhſame Schwimmer, und die Waſſerthiere eben
ſo muͤhſame Fußgaͤnger ſind. — Die Natur blieb ſich
alſo durchgaͤngig ſelbſt gleich, und ſie hat ſich, da
ſie den Menſchen bildete, keine andern Geſetze vorge-
ſchrieben, als da ſie die Kaͤsmade machte.

Das Kuͤzel, ſo Galen aus der Mutter Leibe
ſchnitt, ſtellte ſich auf die Fuͤſſe, nießete, und ſtieß
dadurch einen Theil des angeſammelten Rozes aus
der Naſe; da aber dieſes noch nicht hinreichte, ſo
kratzte es ſich die Seiten mit den hintern Fuͤßen, wo-
durch es ſich wieder zum Nieſſen reitzte, und noch ei-
ne Menge Roz ausſtieß. — Der Hund, dem ein Bein
im Rachen ſtecken bleibt, ſtrekt zuerſt den Hals ge-
rade nach unten zu aus, ſo, daß die Halswirbel auf-
waͤrts einen Bogen bilden, oͤffnet die Kehle ſehr weit,
und macht die ſchicklichſte Bewegung mit den Muskeln
des Halſes und des Schlundes, daß das Bein theils
herausgedruͤckt, theils vermoͤg ſeiner Schwere heraus-

fallen
*) Abhandlung uͤber die veneriſchen Krankheiten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0139" n="120"/>
ner Werkzeuge, welche zu mehreren Verrichtungen<lb/>
be&#x017F;timmt &#x017F;ind. &#x2014; Das ma&#x0364;nnliche Glied, da &#x017F;eine<lb/>
wichtig&#x017F;te Be&#x017F;timmung das Zeugungsge&#x017F;cha&#x0364;ft &#x017F;eyn &#x017F;oll-<lb/>
te, i&#x017F;t eben deswegen, wie &#x017F;chon <hi rendition="#fr">Hunter</hi><note place="foot" n="*)">Abhandlung u&#x0364;ber die veneri&#x017F;chen Krankheiten.</note> anmerkt<lb/>
weit &#x017F;chlimmern und zahlreichern Zufa&#x0364;llen &#x017F;owohl bey<lb/>
der veneri&#x017F;chen An&#x017F;teckung als bey andern Uebeln der<lb/>
Harnwege unterworfen, als die zur Fort&#x017F;chaffung des<lb/>
Harns allein be&#x017F;timmte weibliche Harnro&#x0364;hre. Die<lb/>
vortrefflichen Ruder der Gan&#x017F;e &#x017F;ind nur &#x017F;chlechte Werk-<lb/>
zeuge zum gehen; &#x017F;o wie u&#x0364;berhaupt die Landthiere<lb/>
&#x017F;ehr mu&#x0364;h&#x017F;ame Schwimmer, und die Wa&#x017F;&#x017F;erthiere eben<lb/>
&#x017F;o mu&#x0364;h&#x017F;ame Fußga&#x0364;nger &#x017F;ind. &#x2014; Die Natur blieb &#x017F;ich<lb/>
al&#x017F;o durchga&#x0364;ngig &#x017F;elb&#x017F;t gleich, und &#x017F;ie hat &#x017F;ich, da<lb/>
&#x017F;ie den Men&#x017F;chen bildete, keine andern Ge&#x017F;etze vorge-<lb/>
&#x017F;chrieben, als da &#x017F;ie die Ka&#x0364;smade machte.</p><lb/>
            <p>Das Ku&#x0364;zel, &#x017F;o <hi rendition="#fr">Galen</hi> aus der Mutter Leibe<lb/>
&#x017F;chnitt, &#x017F;tellte &#x017F;ich auf die Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, nießete, und &#x017F;tieß<lb/>
dadurch einen Theil des ange&#x017F;ammelten Rozes aus<lb/>
der Na&#x017F;e; da aber die&#x017F;es noch nicht hinreichte, &#x017F;o<lb/>
kratzte es &#x017F;ich die Seiten mit den hintern Fu&#x0364;ßen, wo-<lb/>
durch es &#x017F;ich wieder zum Nie&#x017F;&#x017F;en reitzte, und noch ei-<lb/>
ne Menge Roz aus&#x017F;tieß. &#x2014; Der Hund, dem ein Bein<lb/>
im Rachen &#x017F;tecken bleibt, &#x017F;trekt zuer&#x017F;t den Hals ge-<lb/>
rade nach unten zu aus, &#x017F;o, daß die Halswirbel auf-<lb/>
wa&#x0364;rts einen Bogen bilden, o&#x0364;ffnet die Kehle &#x017F;ehr weit,<lb/>
und macht die &#x017F;chicklich&#x017F;te Bewegung mit den Muskeln<lb/>
des Hal&#x017F;es und des Schlundes, daß das Bein theils<lb/>
herausgedru&#x0364;ckt, theils vermo&#x0364;g &#x017F;einer Schwere heraus-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fallen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0139] ner Werkzeuge, welche zu mehreren Verrichtungen beſtimmt ſind. — Das maͤnnliche Glied, da ſeine wichtigſte Beſtimmung das Zeugungsgeſchaͤft ſeyn ſoll- te, iſt eben deswegen, wie ſchon Hunter *) anmerkt weit ſchlimmern und zahlreichern Zufaͤllen ſowohl bey der veneriſchen Anſteckung als bey andern Uebeln der Harnwege unterworfen, als die zur Fortſchaffung des Harns allein beſtimmte weibliche Harnroͤhre. Die vortrefflichen Ruder der Ganſe ſind nur ſchlechte Werk- zeuge zum gehen; ſo wie uͤberhaupt die Landthiere ſehr muͤhſame Schwimmer, und die Waſſerthiere eben ſo muͤhſame Fußgaͤnger ſind. — Die Natur blieb ſich alſo durchgaͤngig ſelbſt gleich, und ſie hat ſich, da ſie den Menſchen bildete, keine andern Geſetze vorge- ſchrieben, als da ſie die Kaͤsmade machte. Das Kuͤzel, ſo Galen aus der Mutter Leibe ſchnitt, ſtellte ſich auf die Fuͤſſe, nießete, und ſtieß dadurch einen Theil des angeſammelten Rozes aus der Naſe; da aber dieſes noch nicht hinreichte, ſo kratzte es ſich die Seiten mit den hintern Fuͤßen, wo- durch es ſich wieder zum Nieſſen reitzte, und noch ei- ne Menge Roz ausſtieß. — Der Hund, dem ein Bein im Rachen ſtecken bleibt, ſtrekt zuerſt den Hals ge- rade nach unten zu aus, ſo, daß die Halswirbel auf- waͤrts einen Bogen bilden, oͤffnet die Kehle ſehr weit, und macht die ſchicklichſte Bewegung mit den Muskeln des Halſes und des Schlundes, daß das Bein theils herausgedruͤckt, theils vermoͤg ſeiner Schwere heraus- fallen *) Abhandlung uͤber die veneriſchen Krankheiten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/139
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/139>, abgerufen am 22.11.2024.