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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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senkrecht in die Furchen hinab, und bückt den Körper
mit aufwärts gekehrtem Schwanze unter den Erdschol-
len. Wenn wir einem bösen Hunde ausweichen, so
gehen wir mit eingezogenen Händen, ziehen die der
Gefahr blosgestellte Seite einwärts, und schleichen
uns nach der Seite mit mehr geschleiftem als gehobe-
nem Gange hinweg. Wollen wir einer giftigen, zischen-
den Schlange entgehen, so stellen wir uns auf die
Zehen, heben den ganzen Körper und die Arme schwe-
bend in die Höhe, und tanzen rückwärts. Greift
man in einen Ameisenhaufen, so kehren sie, indem sie
sich mit über den Rücken geschlungenen Füßen anhal-
ten, den Bauch gegen die Hand, und bespritzen sie mit
ihrem scharfen sauren Geist. --

So sehen wir also jedesmal gerade diejenigen
Theile in größter Bewegung, welche entweder zur
Rettung die nöthigsten, oder der Gefahr am meisten
blosgestellt sind. Gerade nach den nämlichen Gesetzen
geschehen alle Bewegungen bey Mensch und Vieh in
den annährenden Begierden: der durstige Hund leckt
mit der Zunge, dem hungrigen Menschen wässert das
Maul; der Eber wetzt die Waffen zum Angrif, und
der Mensch stellt sich fest auf den Boden, und wägt
langsam die geballten zitternden Fäuste. Wer erken-
net hier nicht mit Dank die allgütigen Anstalten, wel-
che in ein wechselseitiges Verhältniß der Gefahr und
des bedroheten Geschöpfes, zu seiner Erhaltung ver-
flochten sind!


§. 28.

ſenkrecht in die Furchen hinab, und buͤckt den Koͤrper
mit aufwaͤrts gekehrtem Schwanze unter den Erdſchol-
len. Wenn wir einem boͤſen Hunde ausweichen, ſo
gehen wir mit eingezogenen Haͤnden, ziehen die der
Gefahr blosgeſtellte Seite einwaͤrts, und ſchleichen
uns nach der Seite mit mehr geſchleiftem als gehobe-
nem Gange hinweg. Wollen wir einer giftigen, ziſchen-
den Schlange entgehen, ſo ſtellen wir uns auf die
Zehen, heben den ganzen Koͤrper und die Arme ſchwe-
bend in die Hoͤhe, und tanzen ruͤckwaͤrts. Greift
man in einen Ameiſenhaufen, ſo kehren ſie, indem ſie
ſich mit uͤber den Ruͤcken geſchlungenen Fuͤßen anhal-
ten, den Bauch gegen die Hand, und beſpritzen ſie mit
ihrem ſcharfen ſauren Geiſt. —

So ſehen wir alſo jedesmal gerade diejenigen
Theile in groͤßter Bewegung, welche entweder zur
Rettung die noͤthigſten, oder der Gefahr am meiſten
blosgeſtellt ſind. Gerade nach den naͤmlichen Geſetzen
geſchehen alle Bewegungen bey Menſch und Vieh in
den annaͤhrenden Begierden: der durſtige Hund leckt
mit der Zunge, dem hungrigen Menſchen waͤſſert das
Maul; der Eber wetzt die Waffen zum Angrif, und
der Menſch ſtellt ſich feſt auf den Boden, und waͤgt
langſam die geballten zitternden Faͤuſte. Wer erken-
net hier nicht mit Dank die allguͤtigen Anſtalten, wel-
che in ein wechſelſeitiges Verhaͤltniß der Gefahr und
des bedroheten Geſchoͤpfes, zu ſeiner Erhaltung ver-
flochten ſind!


§. 28.
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[100/0119] ſenkrecht in die Furchen hinab, und buͤckt den Koͤrper mit aufwaͤrts gekehrtem Schwanze unter den Erdſchol- len. Wenn wir einem boͤſen Hunde ausweichen, ſo gehen wir mit eingezogenen Haͤnden, ziehen die der Gefahr blosgeſtellte Seite einwaͤrts, und ſchleichen uns nach der Seite mit mehr geſchleiftem als gehobe- nem Gange hinweg. Wollen wir einer giftigen, ziſchen- den Schlange entgehen, ſo ſtellen wir uns auf die Zehen, heben den ganzen Koͤrper und die Arme ſchwe- bend in die Hoͤhe, und tanzen ruͤckwaͤrts. Greift man in einen Ameiſenhaufen, ſo kehren ſie, indem ſie ſich mit uͤber den Ruͤcken geſchlungenen Fuͤßen anhal- ten, den Bauch gegen die Hand, und beſpritzen ſie mit ihrem ſcharfen ſauren Geiſt. — So ſehen wir alſo jedesmal gerade diejenigen Theile in groͤßter Bewegung, welche entweder zur Rettung die noͤthigſten, oder der Gefahr am meiſten blosgeſtellt ſind. Gerade nach den naͤmlichen Geſetzen geſchehen alle Bewegungen bey Menſch und Vieh in den annaͤhrenden Begierden: der durſtige Hund leckt mit der Zunge, dem hungrigen Menſchen waͤſſert das Maul; der Eber wetzt die Waffen zum Angrif, und der Menſch ſtellt ſich feſt auf den Boden, und waͤgt langſam die geballten zitternden Faͤuſte. Wer erken- net hier nicht mit Dank die allguͤtigen Anſtalten, wel- che in ein wechſelſeitiges Verhaͤltniß der Gefahr und des bedroheten Geſchoͤpfes, zu ſeiner Erhaltung ver- flochten ſind! §. 28.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/119>, abgerufen am 22.11.2024.