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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Umgang gewöhnt, und betrug sich gleichgültig. Der
Hahn giebt nicht nur bey Ansichtwerdung des Habichts
durch das krelle sonderbare Geschrey den Hühnern das
Zeichen einer bevorstehenden Gefahr; er wird nicht sel-
ten durch einen Schatten, aus dem doch wohl kein
Habicht auf keine Weise kennbar seyn kann, durch je-
den etwas beträchtlichen und schnell oder sehr hoch vor-
überziehenden Vogel getäuscht.

Es ist dieses Betragen wieder eine höchst gütige
bey der ganzen lebendigen Schöpfung angebrachte und zur
Erhaltung der Geschöpfe unentbehrliche Anordnung,
in der keines, weder Mensch noch Thier, etwas vor
dem andern voraus hat, und die weder der Willkühr,
noch der Kenntniß der Gefahr oder bestmöglichen Si-
cherstellung hat anvertraut werden können. Die un-
begreifliche Schnelligkeit, welche hier nöthig war, und
mit welcher das bedrohete Glied oder der ganze Kör-
per in die Verfassung gebracht wird, welche zur Ab-
wendung des Uebels die geschickteste ist, scheint mir
Bürge genug zu seyn, daß weder Willkühr noch Em-
pfindung der Kenntniß die Ursache der bewirkten An-
stalten sind. Ich gehe nachdenkend einher; auf ein-
mal höre ich ein geschwindes starkes Trotten hinter
mir; mein ganzer Leib fährt zusammen, der Kopf wirft
sich herum, und ich sehe nichts, als einen muthwilli-
gen Buben; indessen kann ich es nimmer verhüten,
daß all mein Körper auf einen Seitensprung zusammen-
geraft ist, daß er gegen die Seite zu überhängt, und
daß vorzüglich die Knie und Füße, weil diese hier die
Hauptrolle zu spielen gehabt hätten, die Wirkungen

des

Umgang gewoͤhnt, und betrug ſich gleichguͤltig. Der
Hahn giebt nicht nur bey Anſichtwerdung des Habichts
durch das krelle ſonderbare Geſchrey den Huͤhnern das
Zeichen einer bevorſtehenden Gefahr; er wird nicht ſel-
ten durch einen Schatten, aus dem doch wohl kein
Habicht auf keine Weiſe kennbar ſeyn kann, durch je-
den etwas betraͤchtlichen und ſchnell oder ſehr hoch vor-
uͤberziehenden Vogel getaͤuſcht.

Es iſt dieſes Betragen wieder eine hoͤchſt guͤtige
bey der ganzen lebendigen Schoͤpfung angebrachte und zur
Erhaltung der Geſchoͤpfe unentbehrliche Anordnung,
in der keines, weder Menſch noch Thier, etwas vor
dem andern voraus hat, und die weder der Willkuͤhr,
noch der Kenntniß der Gefahr oder beſtmoͤglichen Si-
cherſtellung hat anvertraut werden koͤnnen. Die un-
begreifliche Schnelligkeit, welche hier noͤthig war, und
mit welcher das bedrohete Glied oder der ganze Koͤr-
per in die Verfaſſung gebracht wird, welche zur Ab-
wendung des Uebels die geſchickteſte iſt, ſcheint mir
Buͤrge genug zu ſeyn, daß weder Willkuͤhr noch Em-
pfindung der Kenntniß die Urſache der bewirkten An-
ſtalten ſind. Ich gehe nachdenkend einher; auf ein-
mal hoͤre ich ein geſchwindes ſtarkes Trotten hinter
mir; mein ganzer Leib faͤhrt zuſammen, der Kopf wirft
ſich herum, und ich ſehe nichts, als einen muthwilli-
gen Buben; indeſſen kann ich es nimmer verhuͤten,
daß all mein Koͤrper auf einen Seitenſprung zuſammen-
geraft iſt, daß er gegen die Seite zu uͤberhaͤngt, und
daß vorzuͤglich die Knie und Fuͤße, weil dieſe hier die
Hauptrolle zu ſpielen gehabt haͤtten, die Wirkungen

des
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[98/0117] Umgang gewoͤhnt, und betrug ſich gleichguͤltig. Der Hahn giebt nicht nur bey Anſichtwerdung des Habichts durch das krelle ſonderbare Geſchrey den Huͤhnern das Zeichen einer bevorſtehenden Gefahr; er wird nicht ſel- ten durch einen Schatten, aus dem doch wohl kein Habicht auf keine Weiſe kennbar ſeyn kann, durch je- den etwas betraͤchtlichen und ſchnell oder ſehr hoch vor- uͤberziehenden Vogel getaͤuſcht. Es iſt dieſes Betragen wieder eine hoͤchſt guͤtige bey der ganzen lebendigen Schoͤpfung angebrachte und zur Erhaltung der Geſchoͤpfe unentbehrliche Anordnung, in der keines, weder Menſch noch Thier, etwas vor dem andern voraus hat, und die weder der Willkuͤhr, noch der Kenntniß der Gefahr oder beſtmoͤglichen Si- cherſtellung hat anvertraut werden koͤnnen. Die un- begreifliche Schnelligkeit, welche hier noͤthig war, und mit welcher das bedrohete Glied oder der ganze Koͤr- per in die Verfaſſung gebracht wird, welche zur Ab- wendung des Uebels die geſchickteſte iſt, ſcheint mir Buͤrge genug zu ſeyn, daß weder Willkuͤhr noch Em- pfindung der Kenntniß die Urſache der bewirkten An- ſtalten ſind. Ich gehe nachdenkend einher; auf ein- mal hoͤre ich ein geſchwindes ſtarkes Trotten hinter mir; mein ganzer Leib faͤhrt zuſammen, der Kopf wirft ſich herum, und ich ſehe nichts, als einen muthwilli- gen Buben; indeſſen kann ich es nimmer verhuͤten, daß all mein Koͤrper auf einen Seitenſprung zuſammen- geraft iſt, daß er gegen die Seite zu uͤberhaͤngt, und daß vorzuͤglich die Knie und Fuͤße, weil dieſe hier die Hauptrolle zu ſpielen gehabt haͤtten, die Wirkungen des

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/117>, abgerufen am 22.11.2024.