Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ich will auch nicht dahin, ich will meiner Frau entgegen -- Eurer Frau? Die trefft Ihr nicht, die ist schon zu Hause, kehrt mit mir um, dann werdet Ihr sie finden. Nein, ich kehre nicht um! Wenn ich Euch aber sage, daß es zu Eurem Besten ist! Sagt mir die Wahrheit -- ist meiner Frau vielleicht etwas zugestoßen? Ich will Euch Alles sagen, wenn wir in Eurem Hause sind. Bernhard's Blut gerann -- es mußte etwas Fürchterliches geschehen sein, daß der sonst nicht weichmüthige Mann es ihm nicht hier auf offener Straße zu sagen wagte! Mit einem Male schrie Bernhard, dessen scharfes Auge die Trümmer seines Wagens vor dem Wirthshaus entdeckt hatte, auf: Meine Frau liegt todt in jenem Hause! So ist's! sagte nun lakonisch der Müller; wenn Ihr es wißt, so hilft kein Leugnen! Ohne weiter Etwas zu hören, sprengte Bernhard voran, am Wirthshaus sprang er vom Pferde und ließ es allein weiterlaufen, um stürmisch die Hausthüre zu öffnen. Der Wirth, der ihm auf dem Flur entgegen kam, wollte ihn verhindern, weiter zu gehen, aber Bernhard schob ihn bei Seite und riß die Thür eines Ich will auch nicht dahin, ich will meiner Frau entgegen — Eurer Frau? Die trefft Ihr nicht, die ist schon zu Hause, kehrt mit mir um, dann werdet Ihr sie finden. Nein, ich kehre nicht um! Wenn ich Euch aber sage, daß es zu Eurem Besten ist! Sagt mir die Wahrheit — ist meiner Frau vielleicht etwas zugestoßen? Ich will Euch Alles sagen, wenn wir in Eurem Hause sind. Bernhard's Blut gerann — es mußte etwas Fürchterliches geschehen sein, daß der sonst nicht weichmüthige Mann es ihm nicht hier auf offener Straße zu sagen wagte! Mit einem Male schrie Bernhard, dessen scharfes Auge die Trümmer seines Wagens vor dem Wirthshaus entdeckt hatte, auf: Meine Frau liegt todt in jenem Hause! So ist's! sagte nun lakonisch der Müller; wenn Ihr es wißt, so hilft kein Leugnen! Ohne weiter Etwas zu hören, sprengte Bernhard voran, am Wirthshaus sprang er vom Pferde und ließ es allein weiterlaufen, um stürmisch die Hausthüre zu öffnen. Der Wirth, der ihm auf dem Flur entgegen kam, wollte ihn verhindern, weiter zu gehen, aber Bernhard schob ihn bei Seite und riß die Thür eines <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <pb facs="#f0064"/> <p>Ich will auch nicht dahin, ich will meiner Frau entgegen —</p><lb/> <p>Eurer Frau? Die trefft Ihr nicht, die ist schon zu Hause, kehrt mit mir um, dann werdet Ihr sie finden.</p><lb/> <p>Nein, ich kehre nicht um!</p><lb/> <p>Wenn ich Euch aber sage, daß es zu Eurem Besten ist!</p><lb/> <p>Sagt mir die Wahrheit — ist meiner Frau vielleicht etwas zugestoßen?</p><lb/> <p>Ich will Euch Alles sagen, wenn wir in Eurem Hause sind.</p><lb/> <p>Bernhard's Blut gerann — es mußte etwas Fürchterliches geschehen sein, daß der sonst nicht weichmüthige Mann es ihm nicht hier auf offener Straße zu sagen wagte!</p><lb/> <p>Mit einem Male schrie Bernhard, dessen scharfes Auge die Trümmer seines Wagens vor dem Wirthshaus entdeckt hatte, auf:</p><lb/> <p>Meine Frau liegt todt in jenem Hause!</p><lb/> <p>So ist's! sagte nun lakonisch der Müller; wenn Ihr es wißt, so hilft kein Leugnen!</p><lb/> <p>Ohne weiter Etwas zu hören, sprengte Bernhard voran, am Wirthshaus sprang er vom Pferde und ließ es allein weiterlaufen, um stürmisch die Hausthüre zu öffnen. Der Wirth, der ihm auf dem Flur entgegen kam, wollte ihn verhindern, weiter zu gehen, aber Bernhard schob ihn bei Seite und riß die Thür eines<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
Ich will auch nicht dahin, ich will meiner Frau entgegen —
Eurer Frau? Die trefft Ihr nicht, die ist schon zu Hause, kehrt mit mir um, dann werdet Ihr sie finden.
Nein, ich kehre nicht um!
Wenn ich Euch aber sage, daß es zu Eurem Besten ist!
Sagt mir die Wahrheit — ist meiner Frau vielleicht etwas zugestoßen?
Ich will Euch Alles sagen, wenn wir in Eurem Hause sind.
Bernhard's Blut gerann — es mußte etwas Fürchterliches geschehen sein, daß der sonst nicht weichmüthige Mann es ihm nicht hier auf offener Straße zu sagen wagte!
Mit einem Male schrie Bernhard, dessen scharfes Auge die Trümmer seines Wagens vor dem Wirthshaus entdeckt hatte, auf:
Meine Frau liegt todt in jenem Hause!
So ist's! sagte nun lakonisch der Müller; wenn Ihr es wißt, so hilft kein Leugnen!
Ohne weiter Etwas zu hören, sprengte Bernhard voran, am Wirthshaus sprang er vom Pferde und ließ es allein weiterlaufen, um stürmisch die Hausthüre zu öffnen. Der Wirth, der ihm auf dem Flur entgegen kam, wollte ihn verhindern, weiter zu gehen, aber Bernhard schob ihn bei Seite und riß die Thür eines
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Zitationshilfe: | Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/64>, abgerufen am 16.02.2025. |