Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.hinaus auf die Chaussee, die nach dem Schlosse führte. Es waren zwei gute Meilen zurückzulegen, aber was kümmerte das die muthige Frau? Ihre kleine zarte Hand peitschte unbarmherzig auf die kräftigen Pferde, die bald im Galopp mit dem leichten Wagen davonflogen. So jagte die kühne Frau an mehren Landleuten auf der Chaussee, die kopfschüttelnd dem kühnen Beginnen der wohlbekannten schönen Pachterin zusahen, vorüber. 7. Die beiden Väter. Als Bernhard der Erste aus der Kirche kam, war er sehr verwundert, sein Haus offen und leer zu finden. Seine Tante und die Magd, die bald nach ihm sich einstellten, wußten ihm nicht zu sagen, wo Therese sei. Noch höher wuchs sein Staunen, als der Knecht ihm meldete, daß die Pferde und der Wagen fehlten. Bernhard dachte sich aber bald den Zusammenhang; nur glaubte er nicht, daß Therese selbst gefahren, sondern er hoffte, daß sie irgend Jemand gefunden, der sich zu ihrem Kutscher hergegeben. Ein eintretender Bauer belehrte ihn aber, daß er vor einer Stunde seiner Frau auf der Chaussee begegnet, wie sie in ra- hinaus auf die Chaussee, die nach dem Schlosse führte. Es waren zwei gute Meilen zurückzulegen, aber was kümmerte das die muthige Frau? Ihre kleine zarte Hand peitschte unbarmherzig auf die kräftigen Pferde, die bald im Galopp mit dem leichten Wagen davonflogen. So jagte die kühne Frau an mehren Landleuten auf der Chaussee, die kopfschüttelnd dem kühnen Beginnen der wohlbekannten schönen Pachterin zusahen, vorüber. 7. Die beiden Väter. Als Bernhard der Erste aus der Kirche kam, war er sehr verwundert, sein Haus offen und leer zu finden. Seine Tante und die Magd, die bald nach ihm sich einstellten, wußten ihm nicht zu sagen, wo Therese sei. Noch höher wuchs sein Staunen, als der Knecht ihm meldete, daß die Pferde und der Wagen fehlten. Bernhard dachte sich aber bald den Zusammenhang; nur glaubte er nicht, daß Therese selbst gefahren, sondern er hoffte, daß sie irgend Jemand gefunden, der sich zu ihrem Kutscher hergegeben. Ein eintretender Bauer belehrte ihn aber, daß er vor einer Stunde seiner Frau auf der Chaussee begegnet, wie sie in ra- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0062"/> hinaus auf die Chaussee, die nach dem Schlosse führte. Es waren zwei gute Meilen zurückzulegen, aber was kümmerte das die muthige Frau?</p><lb/> <p>Ihre kleine zarte Hand peitschte unbarmherzig auf die kräftigen Pferde, die bald im Galopp mit dem leichten Wagen davonflogen. So jagte die kühne Frau an mehren Landleuten auf der Chaussee, die kopfschüttelnd dem kühnen Beginnen der wohlbekannten schönen Pachterin zusahen, vorüber.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="7"> <head>7. Die beiden Väter.</head> <p>Als Bernhard der Erste aus der Kirche kam, war er sehr verwundert, sein Haus offen und leer zu finden. Seine Tante und die Magd, die bald nach ihm sich einstellten, wußten ihm nicht zu sagen, wo Therese sei.</p><lb/> <p>Noch höher wuchs sein Staunen, als der Knecht ihm meldete, daß die Pferde und der Wagen fehlten. Bernhard dachte sich aber bald den Zusammenhang; nur glaubte er nicht, daß Therese selbst gefahren, sondern er hoffte, daß sie irgend Jemand gefunden, der sich zu ihrem Kutscher hergegeben. Ein eintretender Bauer belehrte ihn aber, daß er vor einer Stunde seiner Frau auf der Chaussee begegnet, wie sie in ra-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0062]
hinaus auf die Chaussee, die nach dem Schlosse führte. Es waren zwei gute Meilen zurückzulegen, aber was kümmerte das die muthige Frau?
Ihre kleine zarte Hand peitschte unbarmherzig auf die kräftigen Pferde, die bald im Galopp mit dem leichten Wagen davonflogen. So jagte die kühne Frau an mehren Landleuten auf der Chaussee, die kopfschüttelnd dem kühnen Beginnen der wohlbekannten schönen Pachterin zusahen, vorüber.
7. Die beiden Väter. Als Bernhard der Erste aus der Kirche kam, war er sehr verwundert, sein Haus offen und leer zu finden. Seine Tante und die Magd, die bald nach ihm sich einstellten, wußten ihm nicht zu sagen, wo Therese sei.
Noch höher wuchs sein Staunen, als der Knecht ihm meldete, daß die Pferde und der Wagen fehlten. Bernhard dachte sich aber bald den Zusammenhang; nur glaubte er nicht, daß Therese selbst gefahren, sondern er hoffte, daß sie irgend Jemand gefunden, der sich zu ihrem Kutscher hergegeben. Ein eintretender Bauer belehrte ihn aber, daß er vor einer Stunde seiner Frau auf der Chaussee begegnet, wie sie in ra-
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Zitationshilfe: | Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/62>, abgerufen am 16.02.2025. |